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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0103
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102

II Charakteristika der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts

mit Misshandlungen sowie Mordanschlägen eine große Bandbreite von Inter-
aktionen.509 Nicht zuletzt durch dieses Ausmaß blieb die Zahl der dauerhaften
und überzeugten Anhänger relativ gering.510 Die Aktivierung der Laien bildete
demnach ein zweischneidiges Instrument im Kampf der Reformer gegen Ni-
kolaitismus und Simonie.511
Auch das Papsttum hegte hierüber einige Bedenken. So reagierte Papst
Stephan IX. auf die bei ihm aus beiden Lagern eintreffenden Gesandtschaften im
Herbst 1057 mit einer Legation Hildebrands und Anselms von Baggio nach
Mailand. Sie sollten detailliertere Informationen einholen und eine Synode ein-
berufen.512 Unbefriedigt über deren Ausgang steigerten die Proambrosianer ihre
Übergriffe und die kirchenreformerischen Bestimmungen der römischen Synode
1059 gossen weiteres Öl ins Feuer. Dass der verrufene Erzbischof ehrenvoll an
einer päpstlichen Synode teilgenommen, ja sogar das Pallium und einen Ring
erhalten haben sollte, wühlte wiederum die Patarener auf.513 Auf Bitten Arialds
sandte Papst Nikolaus II. 1059/60 erneut Anselm von Baggio nach Mailand,
diesmal in Begleitung Petrus Damianis.514 Dieser verurteilte das simonistische
Gebaren der Altambrosianer und ordnete milde Bußleistungen, Selbstver-
pflichtungseide und Reordinationen aller simonistischen Kleriker an, nicht zu-
letzt um einen Mangel an Priestern in der großen Erzdiözese zu vermeiden und
die Gemüter zu besänftigen.515 Während den Patarenem dies nicht weit genug
ging, erregte Petrus Damianis Bezeichnung der Mailänder Kirche als ehrenvolle
Tochter der römischen den Unmut beider Lager, denn sowohl Patarener als auch
Vertreter der altambrosianischen Ordnung legten großen Wert auf die traditi-
onsreiche Eigenständigkeit der Metropole.516 Der damit im Raum stehende rö-
mische Jurisdiktionsprimat sowie das Ermunterungsschreiben Papst Alexanders
II. an die Patarener heizte die ohnehin spannungsgeladene Diskussion derart auf,
dass die 1065 wegen Meineides ausgesprochene päpstliche Exkommunikation

509 Erhitzte Wortgefechte, die „über die Gültigkeit der Sakramente, die von verheirateten oder als
simonistisch verschrienen Priestern gespendet worden waren" sowie „bürgerkriegsähnliche
Tumulte" nannte Zey, Zentrum 2006, S. 601. Landulfi historia Mediolanensis III9, S. 79, Z. 30-39
berichtet über die Ohrfeige eines Priesters Ambrogius, nachdem Ariald sich beleidigend über die
Mailänder Geistlichkeit geäußert hatte. Der Mailänder Erzbischof Wido nahm im Jahr 1066 zwei
patarenische Kleriker gefangen, die Erlembald allerdings befreien konnte (Andrea di Strumi,
Vita s. Arialdi 19, S. 1063, Z. 27 - S. 1064, Z. 12). Landulf wurde auf einer Reise nach Rom bei
Piacenza überfallen und misshandelt [Andrea di Strumi 7, S. 1054, Z. 1-4 berichtet dies zu 1057,
Arnulf von Mailand, Liber gestorum III13 (15), S. 186, Z. 6-9 zu 1059] und am Ostermontag wohl
1058 mit einem vergifteten Dolch angegriffen (Andrea di Strumi 8, S. 1054, Z. 14-20); zur
Brandschatzung eines Weinbergs einer Eigenkirche Arialds in Cucciago vgl. Andrea di Strumi 9,
S. 1055; zum Tod Arialds Zumhagen, Konflikte 2002, S. 95.
510 So Violante, Laici 1972, S. 171f.
511 Vgl. Zumhagen, Konflikte 2002, S. 18.
512 Einen alternativen Ablauf schlug Golinelli, Pataria 1984, S. 14f. vor. Diese Synode im November
1057 wird allein von den Chronisten Arnulf und Landulf erwähnt, vgl. MGH Conc. 8, S. 344-348.
513 Vgl. W. Goez, Kirchenreform 2008, S. 133f.; Zumhagen, Konflikte 2002, S. 67.
514 Arnulf von Mailand, Liber gestorum III llf. (13f.), S. 181, Z. 2 - S. 183, Z. 5.
515 Vgl. Petrus Damiani, Briefe 2, Nr. 65, S. 240-245; Palazzini, Missione 1971-73.
516 Vgl. Zumhagen, Konflikte 2002, S. 26, 65, 90f.
 
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