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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0265
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264

III Kommunikation über Kirchenreform zur Zeit Heinrichs III.

III.3 Strukturelle Aspekte
III.3.1 Kommunikationsmittel
Vom Zwei-Augen-Gespräch bis zu über 100 Personen besuchenden Synoden,
vom friedlichen Austausch bis zum Totschlag, von geheimer Botschaft über of-
fenen Brief bis zu öffentlicher Predigt, vom Vorschlag über den Ratschlag zum
Befehl: Kirchenreform realisierte sich nicht als rein theoretischer Denkvorgang in
den Köpfen Einzelner, sondern umfasste ein breites Spektrum menschlicher
Interaktion, das zielgerichtet angewandt und dessen Aspekte kombiniert wur-
den. Deutlich wird dies beispielsweise hinsichtlich der in Abschnitt III.2.1.2
dargestellten, sich über Jahre erstreckenden und doch nur ansatzweise er-
schließbaren Kommunikation über die Verwandtenehe Heinrichs III. Dabei
wechselten sich Gespräche, Treffen, Reisen, Dedikationen und Geschenke, Re-
cherchen, Briefe, illustrierende Zeichnungen, Vermittlungsgesuche und nicht
zuletzt Bezüge auf Hörensagen zwischen fünf Hauptbeteiligten und mindestens
10 weiteren Personen ab. Als weiteres Beispiel können die in Abschnitt II.2.9
dargestellten Interaktionen im Rahmen der patarenischen Bewegung in Mailand
gelten: Außer den für die Verwandtenehe genannten Mitteln fanden hierbei auch
Legaten, größere öffentliche Versammlungen, Prozessionen, Predigten, Eide,
Schläge, körperliche Übergriffe, Mordanschläge und schließlich Morde An-
wendung. Daran ist abzulesen, welch tiefsitzende Überzeugungen dabei auf-
einanderprallten.
Mit über 69% der Kontakte überwogen direkte Kontakte von Angesicht zu
Angesicht wie Gespräche - aber auch gewalttätige Übergriffe und sogar Mord
gehörten dazu. Zu den über 26% indirekten Kontakten sind Briefe sowie sonstige
Schriften und Mitteilungen zu zählen. Eine Sonderrolle nahmen Vermittler wie
Boten, Legaten und Intervenienten ein: Einerseits standen sie mit dem auftrag-
gebenden Sender wie auch dem Informationsempfänger als Personen direkt in
Kontakt, andererseits nahmen sie als Kommunikationsmedium eine indirekte,
intermediäre Position ein.
Zunächst zur direkten, mündlichen Kommunikation. Deren Hauptteil fand
auf Synoden statt und dies trotz der Tatsache, dass wir über die dort im Detail
ablaufenden Interaktionen nur selten informiert sind und ein höherer Intensi-
tätsgrad zu vermuten steht. Mit Recht können Synoden daher quantitativ als
Bühne der Reform und somit zentrale Kommunikationsknotenpunkte betrachtet
werden.1377 Auch die Vielzahl der grün markierten Synodalorte - Hoftage ma-
chen nur etwa 2% der direkten Kommunikation aus - in Abb. 57 weist darauf hin.
In Abb. 58 wird zudem deutlich, dass erste, Reformaspekte behandelnde Syn-
oden bereits in unregelmäßigen Abständen seit den 1020er Jahren stattfanden,
wobei es sich vorrangig um Provinzialsynoden unter nur teilweiser kaiserlicher
Beteiligung handelte, deren Breitenwirkung begrenzt war. Erst ab 1046, dann
aber schlagartig, fanden Reformaspekte nicht mehr nur regelmäßig Platz in

1377 Vgl. H.-J. Schmidt, Einleitung 2008, S. 28; für das 15. Jahrhundert Miethke, Konzilien 1981.
 
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