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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0293
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292

III Kommunikation über Kirchenreform zur Zeit Heinrichs III.

fremdung von Kirchengut bei, wurden für dieses Engagement gleichzeitig aber
auch scharf kritisiert.
Durch diese Sensibilisierung lassen sich siebtens Änderungen der Denk-
haltung im Laufe der Zeit erkennen: So leistete Halinard von St-Benigne noch
1030 Geldzahlungen für den Erhalt einer Kirche, weigerte sich aber bei seiner
Wahl zum Erzbischof von Lyon 1046, gegenüber König Heinrich den üblichen
Treueid abzulegen u. a. aus Angst vor Simonie. Hildebrand von Soana hielt dem
wegen Simonie verurteilten und verbannten Gregor VI. 1046 die Treue bis ins
deutsche Exil, avancierte später aber zu einem der glühendsten Simoniegegner.
Auch das Lavieren des Papsttums zwischen Unterstützung und Kritik an der
patarenischen Bewegung in Mailand ist ein Indikator für das Herantasten an
einen sinnvollen und kanonisch gerechtfertigten Umgang mit den neuen Ideen.
Dabei spielten Persönlichkeit, Erfahrungen und Einstellungen der Beteilig-
ten eine entscheidende Rolle und trugen zum Gesamtprozess bei - es gab nicht
DIE Reformer mit identischen Zielen und deckungsgleichen Meinungen zu
deren Umsetzung, sondern Personen mit ähnlichen Zielen und Einstellungen,
die sich - soweit es die Umstände erlaubten - zusammenfanden. Das beste
Beispiel ist wiederum Petrus Damiani, der ebensowenig Zweifel an seinem
Vertrauen in Heinrich III. ließ wie er Clemens II. beargwöhnte, Teuzo für un-
geeignet hielt, Leo IX. nie müde werdend lobte und Alexander II. gänzlich
zwiespältig gegenüberstand.
Die Ambivalenz im Handeln der Beteiligten bestätigt den prozessualen
Gesamtcharakter der Kirchenreform. Neues kommt nicht ad hoc in die Welt. Es
bedarf nach der Entstehung neuer Ideen ihrer Verbalisierung und einem Aus-
handeln ihrer Berechtigung - nicht nur mit anderen Personen, sondern vor allem
mit sich selbst. Dies braucht Zeit, in deren Verlauf Handlungen nach dem je-
weiligen Meinungsstand erfolgen. Ändert sich letzterer, ändern sich üblicher-
weise auch die Handlungen, können im Laufe der Zeit konträr oder wider-
sprüchlich ausfallen. Dieses menschliche Moment war untrennbar mit anderen
Aspekten verbunden: Nicht immer war es möglich, Priorität auf die neuen An-
sprüche zu legen und diesen gemäß zu handeln - stets mussten personelle,
dogmatische, rechtliche oder wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden.
Dies konnte bei gleichem Thema und identischen Beteiligten an verschiedenen
Zeitpunkten zu unterschiedlichen Handlungen führen, die mal progressiv, mal
konservativ ausfielen. Aufgrund dieses komplexen Wechselspiels entwickelten
sich kirchenreformerische Ideen nicht spontan, sondern zeitigten erst nach ei-
nigen Jahren signifikante Änderungen.

IIL4 Chronologische Aspekte
Da chronologische Aspekte der Kirchenreform in den vorhergehenden Ab-
schnitten konstant Erwähnung fanden, folgen hier nur einige zusammenfas-
sende Anmerkungen.
 
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