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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0016
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I. Einleitung

Ll Fragestellung und Forschungsstand
Für den mitteleuropäischen Raum gilt das 11. Jahrhundert infolge tief greifender
Wandlungsprozesse in Gesellschaft und Verfassung als Wende- und Um-
bruchszeit.1 Dass der Mitte des Jahrhunderts dabei besondere Bedeutung zu-
kommt, zeigt die Anlage einschlägiger Überblicksdarstellungen und Handbü-
cher.2 Eben diese Jahre sind auch für die Entwicklung der römischen Kirche von
Bedeutung, weshalb sie seitens der Forschung großes Interesse fanden und fin-
den.3 Die zusammenfassend als Kirchenreform4 bezeichnete Erneuerung fand

1 VgL Weinfurter, Canossa 2006; Hartung, Aufbruchsepoche 2001; Leyser, Vorabend 1993; Vio-
lante - Fried, Secolo 1993; Weinfurter, Herrschaft 1992; H. Keller, Begrenzung 1986; Bosl, Auf-
bruch 1980; Bloch, Societe 1940. Struve, Wende 1992 nannte in diesem Zusammenhang Erwa-
chen der Individualität, Aufgeschlossenheit gegenüber dem Neuen, Verlangen nach Freiheit,
religiöse Aufbruchsstimmung, Trend zu Rationalität und Verrechtlichung des öffentlichen Le-
bens sowie Vordringen des transpersonalen Staatsgedankens. Jordan, Zeitalter 1972 maß hin-
gegen dem Aufkommen häretischer Bewegungen seit der Jahrtausend wende, der Gründung
neuer Mönchsorden, den Anfängen der dialektischen Methode und der vermehrten Beschäfti-
gung mit kanonischem und römischem Recht, der normannischen Staatenbildungen in England
und Unteritalien, der Entstehung des Rittertums und des Bürgertums mit Eidgenossenschaft,
der Kreuzzugsbewegung und schließlich dem Landesausbau sowie dem Bevölkerungswachs-
tum besondere Bedeutung bei.
2 VgL Fried, Formierung 2008; Borgolte, Europa 2002; Jakobs, Kirchenreform 1999; Vauchez,
Apogee 1993; Jordan, Investiturstreit 1989; Haverkamp, Aufbruch 1984 sowie speziell zur Kir-
chengeschichte Tellenbach, Kirche 1983. - Einen forschungsgeschichtlichen Überblick gab Bor-
golte, Einheit 1996.
3 Angesichts der „Vielzahl kaum mehr zu überblickender Publikationen" (so schon Sydow, Un-
tersuchungen 1954, S. 19 und zuletzt in fast gleicher Formulierung Wetzstein, Vernetzungen
2007, S. 357, Anm. 48) werden im Folgenden lediglich Schwerpunkte und Desiderate der rele-
vanten Forschungsgebiete vorgestellt.
4 VgL W. Goez, Kirchenreform 2008; kritisch zur Nutzung als Epochenbegriff Tellenbach, Kirche
1988, S. F2; ders., Reform 1985. - Zuweilen findet sie sich auch unter dem Begriff,Gregorianische
Reform' subsummiert, der in seinem inhaltlichen Anspruch jedoch umstritten ist (vgl. zuletzt
Palazzo, Rom 2006, S. 277; Laudage, Ritual 1997, S. 293, Anm. 14 mit weiterer Literatur; Fuhr-
mann, Gregor VII. 1985, S. 155). Im Sinne Kempfs als Erneuerungsbestrebungen der Kirche von
Leo IX. bis Calixt II. verstanden, summiert er unter dem Etikett einer Person grundlegend
verschiedene Stoßrichtungen und Reformphasen innerhalb von 75 Jahren und ist damit wenig
aussagekräftig, während die Ansicht Robinsons, darunter „measures taken by Gregory VII to
protect the Church from the tyrannical persecution of Henry IV" wiederum zu einschränkend
erscheint (Kempf, Kirche 1966, besonders S. 404; Robinson, Reform 2004, S. 12; Struve, Reform
1999, Sp. 1686). Schmieder, Peripherie 2005, S. 362 sah die Begriffswahl darin begründet, dass
Gregor VII. „unter den Päpsten seiner Zeit der lauteste, der eifrigste, der zerstörerischste und
kreativste war". Aufgrund dieser begriffsgeschichtlichen Uneinheitlichkeit (vgl. grundsätzlich
Dipper, Grundbegriffe 2000; Koselleck, Begriffsgeschichte 2000) sowie der zeitlichen Fokussie-
 
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