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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0023
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I. Einleitung

welches mittelalterliche Personen eingebunden waren.33 Die Ergänzung klassi-
scher geschichtswissenschaftlicher Methoden durch Ansätze aus der Soziologie
versucht, die mangelhafte und stark heterogene Quellenüberlieferung durch
Methodenkombination auszugleichen. Damit trägt die Studie zu einer Materi-
alsammlung bei, die unter anderen Fragestellungen vermehrt werden kann und
so aus der „Vision eines Atlasses vormodernder Kommunikation"34 Realität
entstehen lässt.

1.2 Quellenlage
Um das reformerische Kommunikationsverhalten zu verstehen, ist das indivi-
duelle Handeln von Personen im Kontext konsensualer Entscheidungsfindung
zu betrachten. Leider gehört dieses nicht zu den häufigsten Verschriftlichungs-
absichten: Herrscherlob, Aufzeichnung der Geschichte einer Institution oder
Person, Besitzdokumentation oder Muster für den Schulbetrieb.35 Kommuni-
kation interessierte Vitenautoren, Chronisten oder Urkundenschreiber nur dann,
wenn sie der exemplarischen Verdeutlichung besonderer Ereignisse oder Ei-
genschaften diente36 oder wenn Probleme im Rahmen der Informationsüber-
mittlung auftraten37. Häufiger sind zusammenfassende und meist knappe
Nennungen von Kommunikationsergebnissen, wie sie beispielsweise Synodal-
beschlüsse überliefern, doch fehlen dabei Hinweise auf den jeweiligen persön-
lichen Anteil an der Entscheidungsfindung.38 Dies mag eine Ursache sein,
warum der Frage nach der praktischen Seite mittelalterlicher Kommunikation
bis vor Kurzem kaum nachgegangen worden ist.
Einen weiteren, weniger der Fragestellung geschuldeten Grund bildet die
Streuüberlieferung früh- und hochmittelalterlicher Quellen, so dass der über-
lieferungsgeschichtliche Zufall die Quellengrundlage und infolgedessen die
Untersuchungsergebnisse stark beeinflusst.39 Mitzudenken ist, dass Reformer,
die zugleich politisch oder wirtschaftlich erfolgreich waren, eher Erwähnung in

33 Zitat von K. Schmid, Piacenza 1975, S. 95. Althoff, Verwandtschaft 1997, S. 197f. hielt die Er-
hellung der Netzwerkstrukturen bei der Analyse des komplexen Systems von wechselseitig
erwiesenen Diensten für unabdingbar.
34 Dauser, Einleitung 2008, S. 17 mit Verweis auf Beaurepaire, Introduction 2002, S. 27 mit Be-
zugnahme auf die Aufklärung.
35 Gemeint ist in diesem Zusammenhang die Neuproduktion von Texten; reine Kopien bei-
spielsweise literarischer Texte seien unberücksichtigt.
36 Die Chancen-Ungleichheit der Überlieferung begünstige das Unerhörte, das Fatale und be-
nachteilige den Alltag, das Übliche, so Esch, Überlieferungs-Chance 1985, S. 540. Zu den Bi-
schof sviten vgL Haarländer, Vitae 2000, S. 17-26.
37 Vgl. Vollrath, Kommunikation 2008, S. 110, 112 zur Kommunikation Thomas Beckets.
38 Als historiographisches Beispiel vgl. Adam Bremensis, Gesta Hammaburg. II 69, S. 312: Erzbi-
schof Bezelin von Hamburg-Bremen verordnet gegen das Eheleben seiner Domkanoniker ge-
meinsame Mahlzeiten.
39 Vgl. Esch, Überlieferungs-Chance 1985.
 
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