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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0107
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106

II Charakteristika der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts

Zwischen diesen beiden Polen existierte eine weitere Gruppe: Ohne sich einer
anerkannten Regel oder Kontrolle zu unterwerfen, strebten einzelne Mönche
insbesondere in den Gebirgsregionen Umbriens und der Marken nach asketi-
scher Spiritualität. Penco bezeichnete deren Lebensweise als „eremitismo irr-
egolare"537. Ein Großteil dieser Männer538 war von hoher Geburt oder stammte
aus wohlhabenden und einflussreichen Klöstern und Pfarrhäusern.539 So auch
Nilus von Rossano, Romuald von Camaldoli, Johannes Gualbertus und Petrus
Damiani.
Besondere Berühmtheit in der Blütezeit des 10. Jahrhunderts erlangte der
vornehme Grieche Nilus (ca. 910-1004) aus dem kalabrischen Rossano.540 Um das
30. Lebensjahr versuchte er sich in monastischer Lebensweise, zog dieser aller-
dings bald Einsamkeit und Askese vor, weshalb er die ihm angetragene Bi-
schofswürde von Rossano ablehnte und auch vor den späteren Ehrbezeigungen
der Herzöge von Gaeta, die ihm ein Grabmonument errichten wollten, floh.
Hingegen suchte er den Rat des Abtes Aligernus von Montecassino bezüglich
einer Rückzugsstätte und traf 998 mit Kaiser Otto III. bei dessen Rückkehr von
einer Pilgerfahrt zum Monte Gargano zusammen.541 Auf der Reise zu Graf
Gregor I. von Tuskulum, den er um Unterstützung für eine Klostergründung
bitten wollte, verstarb der hochbetagte Eremit in einem griechischen Kloster.
Ähnlich gestaltete sich das Wirken Romualds von Camaldoli (um 950-ca.
1027), wobei sich allerdings keinerlei Kontakt zwischen beiden nach weisen
lässt.542 Er trat, nachdem eine private Fehde das Leben eines seiner Verwandten
gekostet hatte, zunächst in die Abtei SantApollinare in Classe ein.543 Auf der
Suche nach strengerer Lebensordnung schloss er sich einem regellos lebenden
Eremiten an.544 Romuald habe „im Grunde nichts anderes angestrebt als eine zu
äußerster Strenge gesteigerte, aber irgendwie im Rahmen der Benediktsregel
verharrende monastische Lebensweise", so Kempf.545 Otto III. empfand dies
augenscheinlich als derart vorbildlich, dass er Romuald die Reform von
SantApollinare übertrug.546 Die dortigen Mönche folgten den strengen Vor-
schriften Romualds jedoch nicht und so verließ dieser enttäuscht das Kloster.547

537 Penco, Eremitismo 1985, S. 214f.
538 Zur Frauenfrömmigkeit vgL Lohmer, Conversatio 1991, S. 6, 128f.
539 So Violante, Eremitismo 1972, S. 131.
540 Vgl. zum Folgenden Follieri, Edizione 1997; Howe, Neilos 1991. - Zum 10. Jahrhundert als erster
Hochzeit Violante, Eremitismo 1972, S. 130.
541 Nach RI2 II, 5, Nr. 818 zusammen mit Papst Gregor V. im März 998; vgl. Lohmer, Conversatio
1991, S. 12; Sansterre, Otton 1989, S. 390.
542 Romuald wirkte bis 1027, liegt damit außerhalb des engeren und weiteren Untersuchungs-
zeitraumes und ist daher nicht im Personenkatalog verzeichnet. Zu ihm vgl. Lohmer, Conver-
satio 1991, S. 13-17, zum nicht nachweisbaren Kontakt S. 13; Tabacco, Romualdo 1965.
543 Petri Damiani vita b. Romualdi 1. Zur Vita vgl. Phipps, Peter 1988.
544 Petri Damiani vita b. Romualdi 4.
545 Kempf, Kirche 1966, S. 377.
546 Petri Damiani vita b. Romualdi 22. Vgl. dazu Sansterre, Otton 1989, S. 388 mit Anm. 42; zu beider
Verhältnis zueinander auch den Sammelband Ottone III 2003, u. a. zum Aussenden einiger
Ermiten in slawische Gebiete.
547 Petri Damiani vita b. Romualdi 22f.
 
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