Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0117
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
116

II Charakteristika der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts

sehen Fruttuaria619 orientierte er sich zwar an der burgundischen Abtei, soll
dabei aber kein ,,'Cluniazenser' im engeren Sinne" gewesen sein.620 Die Le-
bensweise in Fruttuaria - Exemtion, freie Abtswahl, Schweigen und Armen-
dienst - stellt demnach eine Modifikation cluniazensischen Lebens dar,621 die
zugleich starre Prinzipien ab lehnte und sich den jeweiligen Verhältnissen vor Ort
anpasste, so Bulst622. Besonders hervorzuheben ist der Ausschluss simonistischer
Praktiken in der ersten Urkunde Markgraf Arduins von Ivrea für Fruttuaria.623
Die rasche Ausbreitung fruttuarischen Mönchtums in Italien und Frankreich
wirkte ab etwa 1070 auch auf den nordalpinen Reichsteil, wo insbesondere
Erzbischof Anno von Köln für eine nicht geringe Verbreitung sorgte.624 Doch
auch jenseits Wilhelms von Volpiano erlangte Cluny einigen Einfluss in Italien,
beispielsweise in La Cava625, wenngleich er weit hinter dem in Frankreich er-
reichten Maß zurückblieb.626
Generell sei teilweise „schwer zu sagen, welche Klöster und Abte ,clunia-
zensisch' waren, da viele, die unter Clunys Einfluß standen, zwar so genannt
wurden, aber nicht eigentlich dem Orden angehörten und andere Grundsätze
und Richtlinien vertraten als Cluny selbst."627 Auch in der Erzabtei des bene-
diktinischen Mönchtums, in Montecassino, führten cluniazensische Einflüsse im

619 Vgl. Lucioni, Abbazia 2010 im jüngsten Sammelband zum norditalienischen Mönchtum von
dems., Monachesimo 2010.
620 Constable, Cluny 2006, S. 144. - Zu Wilhelm von Volpiano vgl. einführend Sonntag, Klosterleben
2008, S. 30f.; spezieller Mazzetti, Guglielmo 2008 und Bulst, Untersuchungen 1973. - Viele von
Wilhelms Klöstern bewahrten ihren Status als Eigenkloster, nicht zuletzt, weil seine Reform von
der Zusammenarbeit mit den laikalen und geistlichen Eigenklosterherren lebte. Vgl. dazu
D'Acunto, Monachesimo 2006, S. 286.
621 Vgl. Dell'Omo, Fruttuaria 1987 und Bulst, Anfänge 1973. Zu den Charakteristika vgl. auch
Sonntag, Klosterleben 2008, S. 31.
622 Vgl. die Diskussion zu Penco, Movimento 1971, S. 397. Oberste, Papst 2006, S. 415 urteilte,
Wilhelms „schonendes" Konzept habe sich auf Besserung durch persönliches Einwirken, be-
fristete Übernahme des Abbatiats, Einsetzen fähiger Offiziale mit Hilfe von Ortsbischöfen und
Klosterherren sowie die Einführung cluniazensischer Gewohnheiten konzentriert.
623 MGH DD HII9, S. 712, Z. 34f. zum 28. Januar 1005 spricht explizit von „simoniaca haeresis“. Vgl.
Bulst, Untersuchungen 1973, S. 136f.; Kaminsky, Gründung 1966, S. 245f. - Zu Markgraf Arduins
Feindschaft zu den Bischöfen der Region sowie den Auseinandersetzungen mit Otto III. und
Heinrich II. um die italienische Königskrone vgl. Brunhofer, Arduin 1999.
624 Zu Frankreich und Italien vgl. Dell'Omo, Fruttuaria 1987 (Überblick) sowie den neuesten For-
schungsstand bei Lucioni, Monachesimo 2010, insbesondere den Beitrag von dens., Abbazia
2010 - zum Reich findet sich im gleichen Band Neiske, Fruttuaria 2010.
625 Einführend Vitolo, Cava 1991. - Mattei-Cerasoli, Badia 1938/39; Guillaume, Essai 1877. - Alfe-
rius, der erste Abt von La Cava, traf Odilo von Cluny in S. Michele della Chiusa und ging mit ihm
nach Cluny, wo er Mönch wurde. 1011 in die Heimat zurückgekehrt, gründete Alferius mit
Unterstützung Fürst Weimars IV. von Salerno die Kommunität von S. Trinitä di Cava de' Tirreni.
Alferius' zweiter Nachfolger im Abbatiat, Petrus, lebte unter Abt Hugo ebenfalls einige Jahre in
Cluny Vgl. dazu Tellenbach, Reformmönchtum 1975, S. 380.
626 Vgl. Andenna, Priorati 1998; Violante, Monachisme 1990; Picasso, Hugues 1990; Spinelli, Clu-
niacensi 1985.
627 Constable, Cluny 2006, S. 144. - So z.B. auch das französische Kloster Marmoutier, vgl. ein-
führend Devailly, Marmoutier 1993.
 
Annotationen