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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0118
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II.3 Personen und Gruppen

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Verlauf des 10. Jahrhunderts zu einer Wiederbelebung, ohne dass eine juris-
diktionelle Eingliederung erfolgt wäre.628 Die Bedeutung Clunys für die Kir-
chenreform wird dementsprechend vielfältig interpretiert. Einen guten Über-
blick hierzu gaben Kohnle 1991 und zusammenfassend Neiske 2006.629
Nahezu spiegel verkehrt verliefen die Entwicklungen in Frankreich. König
Heinrich I. von Frankreich (reg. 1031-1060) unterhielt - „soweit bekannt -
überhaupt keine direkten Verbindungen zur Abtei Cluny"; auch die Herrschaft
seines Nachfolgers Philipp I. (reg. 1060-1108) habe daran nicht viel geändert.630
Dennoch bestanden bereits um die Jahrhundertmitte 32 Cluniazenserklöster
oder -priorate im französischen Raum.631 Möglich war dies durch ein „Netz aus
Förderern Clunys", die den Mangel an Schutz durch das weit entfernte Papsttum
sowie an königlicher Unterstützung ausglichen.632 Denn trotz direkter Unter-
stellung unter das Papsttum beinhaltete Clunys libertas-Programm keine
grundsätzliche Ablehnung des laikalen Eigenkirchenrechts.633 Die Motive der
Stifter ließen sich indes „kaum auf einen Nenner bringen".634
Die adligen und bischöflichen Klostergründer sowie die Reformklöster im
Reich hingegen konnten aufgrund besonderer Verhältnisse rechtlich nicht an der

628 Vgl. Dell'Omo, Montecassino 1999; Cowdrey, Age 1983; Dormeier, Montecassino 1979; Gregoire,
Mont-Cassin 1971; Wühr, Wiedergeburt 1947. - Die Blüte Montecassinos sei nach Dormeier, S.
66f. sowie 82 vor allen Dingen auf die Erwerbspolitik seines Abtes Desiderius zurückzuführen,
der in erster Linie eine wirtschaftliche Konsolidierung und Expansion angestrebt habe. Dabei
profitierte Desiderius von den in dieser Zeit massiven Unruhen durch die Normannen, so dass
Dormeier zu dem Schluss kam, dass ein Großteil der Schenkungen nicht primär religiös, sondern
vornehmlich politisch-wirtschaftlich motiviert gewesen sei. Die wenigen erhaltenen Tausch-
verträge und Pachtabkommen erweckten insgesamt den Eindruck, dass Montecassino unter
Desiderius „in Kirchen und Klöstern eher reine Vermögensobjekte sah als Gotteshäuser, die nach
kanonischem Recht nicht unter Laienherrschaft stehen durften" (ebd., S. 96f.). Abgesehen von
Desiderius' Äußerung gegen Simonie und der (jedoch auch wieder politisch motivierten) Wahl
seines Vorgängers Friedrich zum Papst Stephan IX. lässt sich in Montecassino kein konkretes
reformerisches Engagement feststellen. Allerdings stammte Mainard von Silva Candida, 1062
und 1063 Leiter der päpstlichen Urkundenausstellung sowie Legat in Mailand (s. oben Anm.
521), aus Montecassino (vgl. Klewitz, Montecassino 1937/1938, S. 39f.). Immerhin scheinen die in
vorliegender Studie nicht berücksichtigten Verbrüderungsnotizen und Nekrologeinträge auf
vielfältige Verflechtungen, wenn auch nicht zwingend kirchenreformerische, hinzuweisen
(Memorierung der Kaiserin Agnes, vielleicht Konrads II. und Heinrichs III., Petrus Damianis u.
a. m. dazu Dormeier, Montecassino 1979, S. 116,165-177). Vgl. generell M. Werner, Wege 1989, S.
253-258.
629 Neiske, Reforme 2006, S. 349f.; Kohnle, Hugo 1993, S. 65-68.
630 Melville, Cluny 1998, S. 420. Melville besprach S. 411-428 „Die königsferne Zeit von Rudolf I. bis
Ludwig VI."
631 Poeck, Ecclesia 1998, S. 58. Vgl. zum indirekten Einfluss Wilhelms von Volpiano Dell'Omo,
Fruttuaria 1987. - Im Loiretal fungierte die Präsenz Marmoutiers, St-Aubins, St-Nicolas' sowie
La Trinites in Vendöme als Schutzschild gegenüber dem Einfluss Clunys, so Foulon, Eglise 2008,
S. 78f.
632 Zitat bei Wollasch, Cluny 1992, S. 53. - Vgl. ders., Reform 1973.
633 Vgl. Engels, Kirchenreform 1992, S. 76, Anm. 3; Bulst, Cluny 1983, Sp. 2173f.
634 Kohnle, Cluniazenserklöster 1998, S. 483.
 
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