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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0201
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200

III Kommunikation über Kirchenreform zur Zeit Heinrichs III.

respondenten eher reaktive und weniger initiative Partner gewesen zu sein, was
aufgrund der geringen Quellenzahl allerdings reine Hypothese bleiben muss.
Das in Abb. 15 zusammengefasste Korrespondenznetzwerk1123 besteht aus
46 Akteuren inklusive Petrus Damiani als zentraler Gestalt.1124 Den zum Großteil
männlichen (43 Akteure) Klerikern (35) bzw. Religiösen (8) stehen nur sechs
laikale Akteure gegenüber, darunter zwei Frauen. Wie von einem Eremit und
Bischof zu erwarten, korrespondierte Damiani vorrangig mit einem männlich
geprägten klerikalen Milieu. Dieses lässt sich weiter differenzieren in 25 (Erz-)
Bischöfe, elf Eremiten/Mönche, vier Kardinalbischöfe/-diakone und zwei Ka-
noniker. Hier ist zu berücksichtigen, dass in ihrer Zahl undefinierbare Perso-
nengruppen zu einem Akteur zusammengefasst wurden - insgesamt viermal bei
den Eremiten/Mönchen, zweimal bei den Kardinalbischöfen/-diakonen und bei
beiden kanonikalen Akteuren. Geht man davon aus, dass eine Gruppe min-
destens zwei Personen umfasst, ist eine Korrespondentenzahl von mindestens 25
(Erz-)Bischöfen, 15 Eremiten/Mönchen, sechs Kardinalbischöfen/-diakonen und
vier Kanonikern anzunehmen. Daraus ergibt sich, dass Damiani zwar mit Per-
sonen nahezu aller Instanzen geistlichen Lebens über die Kirchenreform korre-
spondierte, vor allem aber Inhaber hoher Kirchenämter bevorzugte. Bestätigung
findet dieser Befund beim Blick auf die Zahl der ausgetauschten Briefe: Von den
45 Akteuren erhielten nur die Päpste Gregor VI. und Nikolaus II., die Gruppe der
Kardinalbischöfe, Kardinalbischof Bonifatius von Albano, Erzbischof Heinrich
von Ravenna sowie Bischof Cadalus von Parma zwei Briefe. Eine Ausnahme
bilden Abt Desiderius von Montecassino und dessen Mönche. Insgesamt drei
Briefe haben sich allein an Papst Alexander II. sowie den Archidiakon Hilde-
brand von Soana erhalten. Auch wenn die laikalen Akteure jeweils nur einen
Brief erhielten, bevorzugte Damiani mit Mitgliedern des markgräflichen Hauses
von Canossa-Tuszien, Gräfin Adelheid von Turin und Heinrich III. ebenfalls fast
durchweg politisch einflussreiche Persönlichkeiten.1125 Dies unterstützt die
These, dass Damiani potentielle Multiplikatoren seiner Ideen als Korrespon-
denzpartner bevorzugte.

1123 Da es sich aufgrund des Untersuchungsgegenstandes vor allem um Beobachtungsdaten handelt,
die nur vereinzelt um kognitive Befragungsdaten ergänzt werden können, entsteht ein ver-
hältnismäßig schwach strukturiertes Ordnungsmuster und Verhalten der Akteure. Nach
Schweizer, Muster 1996, S. 175 enthielten kognitive Befragungsdaten die Vorstellungen der
Akteure über die im Netz enthaltenen sozialen Beziehungen. Abgesehen von dem Umstand,
DASS ein Brief abgesandt wurde, enthalten einzelne Briefe Damianis Hinweise über Details der
Beziehungen zwischen den Akteuren, so dass diese als kognitive Befragungsdaten betrachtet
werden können.
1124 Bei den Akteuren handelt es sich nicht immer um Individuen: Wenn die Zahl der Adressaten
eines Briefes nicht definierbar ist, wird die Adressatengruppe als ein einziger Akteur aufgefasst.
Dies ist in den Briefen Nr. 39, 76, 84, 86, 97, 102 der Fall.
1125 Eine Ausnahme bilden Volk und Klerus von Mailand, denen Damiani im Namen Papst Alex-
anders II. schrieb (Petrus Damiani, Briefe 2, Nr. 84).
 
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