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Mersch, Katharina Ulrike; Georg-August-Universität Göttingen [Mitarb.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Missachtung, Anerkennung und Kreativität: exkommunizierte Laien im 13. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 65: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62574#0158

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IV. Die Laien und ihr Handeln im Angesicht
der Exkommunikation

Wurden zuvor das Verhältnis der Exkludierten zur Kirche sowie die ihnen er-
öffneten Handlungsspielräume mit Blick auf die kirchenrechtlichen Verord-
nungen und Normen dargestellt, soll nun geprüft werden, inwiefern sich diese
Aspekte in der Praxis greifen lassen. Zuerst wird hierfür ihr Umgang mit den
Rechtsmitteln, dem Verfahren und mit Alternativen zu einem Verfahren fokus-
siert, wobei es primär um Fragen der Anerkennung ihrer rechtlichen und so-
zialen Ansprüche gehen wird. Die Binnengliederung orientiert sich an drei
verschiedenen Phasen des Exkommunikationsvorgangs, wobei gleichzeitig
verschiedene Ebenen der sozialgeschichtlichen Dimension des Themas ergrün-
det werden. In einem ersten Schritt wird anhand der littercie, mit denen die Päpste
sich die Exkommunikationen einzelner Personen reservierten, gezeigt, wie die
Laien ihre Handlungsspielräume gegenüber potentiellen Exkommunikatoren
erweitern konnten. Dabei wird zu erfassen versucht, inwiefern sie diese auch
tatsächlich nutzten, um sich partiell den gegebenen Ordnungsgefügen und
Hierarchien zu entziehen. Dies schließt Überlegungen zur Sorge der Laien um
die Anerkennung und Ausweitung ihrer Rechte ein. Werden hier Momente be-
handelt, in denen eine Exkommunikation potentiell denkbar, aber meist noch
nicht in greifbare Nähe gerückt war, so wird in einem zweiten Schritt der Mo-
ment erfasst, in dem der Bann konkret drohte oder bereits ausgesprochen wor-
den war, wenn es nämlich um die Appellationen der Laien gehen wird. In dieser
Phase zeigten sich die behandelten Laien - wohl auch dank ihrer Prokuratoren -
gut informiert und legten einen schöpferischen Umgang mit den ihnen zur
Verfügung stehenden Rechtsmitteln an den Tag. Dies zeigt sich darin, wie sie
mithilfe der Berufungsschriften nicht nur eine eigene, prozessbezogene Identität
kreierten, sondern auch die Kirche als soziales Gefüge aktivierten und eine
kirchliche Teilöffentlichkeit schufen. Im dritten Schritt werden die Situationen
untersucht, die sich ergaben, wenn die ersten beiden Möglichkeiten nicht
wahrgenommen wurden oder nicht gegeben waren. Es wird zu zeigen sein, wie
diese Situationen zu einem kreativen Umgang mit Rechtsnormen und Verfahren
führten, aber auch das Handeln der Beteiligten beständig beeinflussten. Dabei
werden die Grenzen rationalen und intentionalen Handelns beziehungsweise
der Beobachtbarkeit solchen Handelns aus der Retrospektive aufgezeigt, und
zwar mit Blick auf die Komplexität der Situationen und auf die von den Laien
getroffenen Entscheidungen. Insgesamt wird in Betracht gezogen werden
müssen, dass bei der Frage nach der Wirkung der Exkommunikation nicht nur
das Verhältnis des Exkommunizierten zu seinem Exkommunikator thematisiert
werden darf, sondern auch die konkreten situativen sozialen Konstellationen
Beachtung verdienen und die ecclesia als soziales Gebilde Berücksichtigung
finden muss. In der Zusammenschau der Ergebnisse wird vor diesem Hinter-
grund auch die in der Forschungsliteratur häufig begegnende These, die,Waffe'
 
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