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Mersch, Katharina Ulrike; Georg-August-Universität Göttingen [Mitarb.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Missachtung, Anerkennung und Kreativität: exkommunizierte Laien im 13. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 65: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.62574#0159

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IV. Die Laien und ihr Handeln im Angesicht der Exkommunikation

der Exkommunikation sei durch ihre inflationäre Anwendung stumpf gewor-
den, kritisch diskutiert werden müssen.
1. Laien, die sich nicht exkommunizieren lassen wollten:
Päpstliche litterae im historischen Kontext
Wie in Abschnitt III dargelegt, konnten Menschen durch entsprechende päpst-
liche litterae einer Exkommunikation durch Instanzen vorbeugen, die dem Papst
untergeordnet waren.1 Jede dennoch gegen die so abgesicherten Personen aus-
gesprochene Exkommunikation sollte dem Liber Extra zufolge ungültig sein.2
Dies galt freilich für Laien ebenso wie für Kleriker, Mönche, Nonnen und Ka-
nonissen, wobei im geistlichen Bereich im Vergleich zu den Laien auch schon
früher entsprechende litterae nachzuweisen sind.3 Hier soll nun gefragt werden,
was die Laien dazu bewegte, päpstlichen Schutz vor einer Exkommunikation
durch andere Instanzen als den apostolischen Stuhl zu suchen, und welche Er-
fahrungen ihr Vorgehen prägten. Gleichzeitig muss bedacht werden, dass die
Päpste ihre eigenen Ziele verfolgten, wenn sie einzelne Laien mit solchen Son-
derrechten ausstatteten, und dass sie dabei rhetorisch auf die innere religiöse
Verfassung des Begünstigten abzielen konnten: Wenn der Kirchenbann als Me-
dikament verstanden wurde, mit dem man ein defizitäres inneres Verhältnis zu
Gott kurieren wollte, wäre davon auszugehen, dass eine suffiziente innere
Haltung der Laien als Begründung bemüht wurde, wenn ihnen Ausnahmen
gewährt wurden. Inwiefern hier aber den Laien eine aktive Rolle zugesprochen
werden kann, muss im Einzelfall geprüft werden.
Um diese Fragen zu klären, werden im Folgenden Privilegien für Laien im
deutschen Raum behandelt, die in den Papstregistem sowie in den Regesta
Pontificum Romanorum verzeichnet sind (wobei hier kein Anspruch auf Voll-
ständigkeit erhoben werden kann4) sowie solche, die für die in dieser Arbeit

1 Wenn im Folgenden mitunter von Privilegien anstatt von litterae gesprochen wird, meint dies
nicht die spezifische Form der Papsturkunde, sondern das gewährte Vorrecht.
2 X 5.33.16, siehe Kap. III. 2, S. 143.
3 Einige Belege für Klöster aus dem 11. und 12. Jahrhundert bietet Eichmann 1911: Exkommu-
nikationsprivileg, S. 186, wobei es sich hier konkret um Exemtionsprivilegien handelt.
4 Es ist nicht davon auszugehen, dass alle verliehenen Privilegien in die Register übernommen
wurden oder dass alle ausgestellten Urkunden erhalten sind. Der Zugriff auf diejenigen Laien,
die ein solches Privileg erwerben wollten, ist ebenfalls beschränkt, da sie nicht unbedingt immer
ein solches Privileg erhielten. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Markgräfin Agnes und der
Markgraf Heinrich von Meißen, die im Sommer 1253 ein Privileg erlangen wollten, das ihre
Exkommunikation nur durch ein spezielles päpstliches Mandat gestattete. Dies ist dokumentiert
durch eine Kautionsurkunde, mit der der Erzbischof von Mainz erreichte, dass hier seine Rechte
nicht geschmälert werden durften. Auf diesen Fall macht Gramsch 2003: Deutschordensdiplo-
maten, S. 327, Anm. 41 aufmerksam. Abgedruckt und besprochen ist die Urkunde bei Herde
1967: Beiträge, S. 23 f., 220, die Edition (Nr. If.) auf S. 252 ff. Laut MGH Epp. saec. XIII, 3, Nr. 221,
S. 191, Fn. 4 ist das Privileg nicht im Register Innozenz' IV. verzeichnet.
 
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