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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1.1872-1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.5262#0019
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Album-Text.

38

ALBUM-TEXT.

Das zweite Heft enthält folgende sechs
Blätter:
Speckbacher und sein Sohn, gemalt von De-
fregger, gestochen von Sonnenleiter,
Partie bei Lundenburg, gemalt von Lichten-
sels,
An der Küste von Dieppe, gem. v. Jettel,
Gänsemarkt in Krakau, gem. v. Schönn,
Der Lieblingspage, gem. v. Makart,
Die Bacchantin, gem. v. Felix,
sämmtlich radirt von Unger.
Das Bild Defregger's erfüllt auch die an
jedes wahre Kunstwerk zu Hellende Anforderung,
keines Commentars zu bedürfen. Man braucht von
dem Leben und den Thaten des »Mannes von Rinn«
wenig oder nichts zu wissen, ohne doch über die
Bedeutung des dargestellten Moments im geringsten
Zweifel zu bleiben. Also nicht zur Erläuterung,
sondern zur Ergänzung möge der historische Her-
gang hier kurz angedeutet werden.
Es war in dem grossen Tresfen bei Innsbruck
am 29. Mai 1809, dass plötzlich an der Seite des
neben Hofer hervorragendsten Führers der Tiroler,
Joseph Speckbacher's, sein zehnjähriger Sohn An-
dreas (Anderl) erschien, welcher der Mutter ent-
laufen war, um an dem Kampf gegen Bayern und
Franzosen theilzunehmen. Der Knabe musste ge-
waltsam entfernt werden, da er dem Befehl des
Vaters nicht Folge leistete. Aber auch dann ging
er nur bis an den Saum eines Waldes, grub mit
seinem Taschenmesser die dort einschlagenden feind-
lichen Kugeln aus dem Boden und überbrachte
sie in seinem Spitzhut dem Vater, da er gehört
hatte, dass es an Munition gebrach. So sehr
Speckbacher durch die Herzhaftigkeit seines Buben
erfreut sein mochte, liess er doch den Ungehor-
samen durch einen Mann nach Hause in Sicherheit
bringen. Allein Anderl hielt es abermals nicht
lange aus. Die Tiroler waren in den Gefechten
im August des genannten Jahres fortwährend vom
Erfolge begünstigt gewesen, Speckbacher hatte den
Feind in's Salzburgische gedrängt und war von
St. Johann aus bemüht, den Aufstand auch im
Pongau und Pinzgau zu organissren. In diese Zeit
fällt die hier geschilderte Begebenheit. Es wird
Kriegsrath gehalten, die Führer studiren eifrig die
Landkarte, als Musik und Trommelschlag die An-
kunft von Zuzug verkünden; die Thür ösfnet sich,
und an der Spitze der Schützencompagnie tritt ein
frischer Knabe ein, einen kleinen Stutzen über der
Schulter. Er war von der Alp, wo er in Gewahr-
sam gegeben worden, entwichen und hatte sich,
seinen Familiennamen erst später bekennend, be-
wasfnetem Zuzug angeschlossen. Nun steht er wieder
dem Vater gegenüber, und wie in seinem Gesicht
Scheu und Zuversicht, so kämpfen in des Vaters
Zügen Zorn und Freude. Der Künstler lässt uns
über den Ausgang dieser Scene nicht in Zweifel.
Es bedarf kaum des Zuredens des Alten, dem
augenscheinlich Anderl in's Herz gewachsen ist.
Speckbacher behielt in der That den Knaben nun

bei sich; Anderl machte die siegreichen Gefechte
bei Lofer und Unken (16. u. 17. September) mit,
an dem Unglückstage von Melleck (16. October)
aber gerieth er in Gefangenschaft, welcher sein
Vater nur mit Mühe entgangen war. Während
Joseph Speckbacher sich bald in Höhlen unter
Schnee und Eis, bald in einem Stalle seiner Be-
sitzung verscharrt verborgen hielt, um endlich im
Mai 1810 über die Gebirge sich nach Wien zu
retten, war Andreas nach. München und vor den
König Max geführt worden, welcher an dem osfenen
aufgeweckten Wesen des Heldenknaben Gefallen
fand und ihn erziehen und unterrichten liess. 1817
in die Heimath zurückgekehrt, wurde Andreas im
Bergfache angestellt und slarb 1834 als Bergwerks-
verwalter, allgemein geehrt und betrauert, in Jenbach.
Franz Defregger, der Maler, dessen Name
durch dieses Bild rasch allgemein bekannt geworden
ist, erinnert uns durch seinen Lebensgang einiger-
massen an Mintrop in Düsseldorf, mit welchem er
übrigens als Künstler wenig gemein hat. Wenn im
Jahre 1869, als sein Speckbacher, jetzt im Besitz
des Innsbrucker Museums, aus den Ausstellungen
erschien, von dem vielverheissenden »jungen Künst-
ler« gesprochen und geschrieben wurde, so hatte
das Beiwort nur auf die Künstlerschaft bezogen
seine Berechtigung. 1835 m Stronach bei Lienz
in Tirol geboren hatte Defregger zwar als Knabe
am liebsten »kleine Figuren" und Bildchen ge-
kritzelt«, aber dieser Liebhaberei war von Niemanden
Beachtung geschenkt worden, und nach des Vaters
Tode (1858) übernahm er selbst die Bewirthschaf-
tung des ererbten Bauerngutes. Doch im Jahre
1860 vermochte er dem Drange nach künsllerischem
Schasfen nicht länger zu widerslehen. Er überliess
das Besitzthum einem Verwandten und wanderte
nach Innsbruck, um Bildhauer zu werden. Professor
Stolz, der ihn in seine Schule aufgenommen hatte,
erkannte nach wenigen Monaten den wahren Beruf
des jungen Mannes und sandte ihn mit Empfehlun-
gen an Pilbty nach München. Hier lernte er nun
erst zeichnen, kam durch Piloty, der ihm seit dieser
Zeit mit Rath und That väterlich zur Seite stand,
1862 in die Akademie, ging 1863 nach Paris, wo
er zwei Jahre lang studirte, verlebte zwei weitere
Jahre in seiner Heimat, Porträts und Studien malend,
und trat 1867 in Piloty's Malerschule ein. Seinen
ersten Bildern »Des Försters letzte Heimkehr« und
«Die jungen Wilderer« folgte »Speckbacher und
sein Sohn Andreas«. Darauf kamen zwei kleinere
Stücke »Gute Nachricht« und »Erste Dressur« und
dann »Ein Ringkampf in Tirol«, das noch grössere
Sensation erregte, als der Speckbacher. Von neueren
Arbeiten sind ein Altarbild für seine Heimaths-
kirche Dölsach und mehrere Scenen aus dem Alpen-
leben zu nennen.
So allgemein, so verdient ist auch der Beifall,
welchen seine Bilder gefunden haben. Hier sind
ein kerngesunder Realismus, die frischesle Anschau-
ung der Welt, welcher er jene Schilderungen ent-
lehnt, und die glücklichste Gabe der Charakteristik
 
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