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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.4069#0023
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Morel,

19

Correspondenz.

l

Paris und Brüssel: Im Laufe des November v. J. machte ein
Verkauf von 65 Zeichnungen und Aquarellen viel von lieh reden,
es waren der Mehrzahl nach Originalentwürfe für einige der berühm-
telten Radirungen von Felicien Rops, verbunden mit einer nicht
minder koftbaren Auswahl aus der Fülle der Beiles epreuves— im
ganzen beiläufig 150 Stucke erften Ranges. Diefer Verkauf, der am
12. und 13. November im Hotel Drouot ftattfand, erreichte das hübfehe
Summchen von 36.270 Francs. Das Aquarell La foire aux amours
u. die Zeichnung L'ainante du Christ, von welchen beiden die
Radirungen in der letzten Ausftellung der graphifchen Künfle in Wien zu
fehen waren, erreichten die eine den Preis von 2100 und die andere
von 1300 Francs. Das höchste Angebot. 3650 Francs, fiel auf das
Meisterwerk unter den nicht erotifchen Sujets Le guerisseur de
fievres en Dalecarlie (Der Fieberarzt in Dalecarlien).

Wie Eraftene Ramiro in der Vorrede des Auctionscataloges
hervorhebt, war die Sammlung mit dem feinften Verftändnis und
Gefchmack zufammengeftellt worden, fo dafs fie ein vollkommen über-
fichtliches Bild über des Künftlers Manier gab, über feine Ausdrucksweife,
feine verfchiedenen technischen Verfahren und feine Art zu empfinden.
Sie gewährte einen Einblick in des Künftlers gefammtes Werk, indem
fie die verfchiedenen Etappen feiner Laufbahn vor Augen (teilte.

Die Serie der Beiles epreuves, die zu den beften und voll-
endetften gehurt, zeichnet iich noch durch den Umftand aus, dafs auf
den Rand faft aller der Blätter Skizzen von feltenem Reiz hingeworfen
find, fowie humoriftifche Bemerkungen, ja manchmal ganze Briefe, denn
Rops nimmt als Schriftsteller einen nicht minder hohen Rang ein, wie
als Künftler. Seine Briefe werden jedenfalls eines Tages veröffentlicht
werden, und fchon heute bewerben lieh die franzöfifchen Schriftfteller
um Autographen von ihm. Die Serie der Federzeichnungen und die
entfehieden breiter behandelte Serie der Crayonzeichnungen zeigen,
deutlicher als man es bisher gewufst hatte, welche meisterhafte und
wunderbare Gefchicklichkeit er in der Schwierigen Kunft befitzt, jedem
gewählten Vorwurf und Verfahren Alles zu entnehmen, was lie zu geben
vermögen. Ja, noch mehr, man fieht eine Einbildungskraft, die alle
Traditionen kühn verwirft, man erhält einen Einblick in eine Auffaffung,
fo tieffinnig, dafs fie fich bis zur Mythenbildung verfteigt. Hat fein
fcharfes Auge endlich die Form gefunden für das Schaufpiel der
Gegenwart, dann ift es das Modernfte, was bis heute gefchaffen wurde.
Man weifs, dafs Rops fich rühmt Millets Schuler zu fein und dafs
er die Bauern der lle de France mit einem Gefchmack am Realismus
zeichnet und malt, aus dem man deutlich die Tradition des Meifters von
Barbizon herausfühlt. Von einer Reife nach Schweden hat er eine
Arbeit von fo melancholifchem Reiz und folcher Reinheit mitgebracht,
dafs man ihre Entstehung einer ganz anderen Hand zufchreiben würde,
als derjenigen, die fich Stets in den fchlüpfrigften Enthüllungen gefällt.
Wir fprechen von dem oben erwähnten Medecin des fievres en
Dalecarlie, eine Radirung, in der er für Trauer und Entmuthigung
inmitten der unbarmherzigen TheilnahmslÖfigkeit einer nebligen kalten
Landfchaft erfchütternden Ausdruck findet.

Unter den Aquarellen lind folche, die man gerade, weil fie
typifch find für das Wel'en feiner Kunft, nicht befchreiben kann, ebenfo
wie es unmöglich ift, Sie auszuftellen. Die Radirung nach einer darunter,
L'initiation sentimentale, ift allgemein bekannt, feitdem lie als
Titelblatt dem Roman gleichen Namens von.-Jofephm Peladan bei-
gegeben wurde. Ein weiteres Blatt, La dame au pantin (Die Dame
mit dem Hampelmann), verkörpert fo vollkommen eine der Hauptideen
des Künftlers, von der er ganz durchdrungen ift und die fem ganzes
Werk durchzieht, dafs man es nicht unerwähnt 1 äffen kann. In der aller-
modernften Faffung Hellt es den ewigen Adam als Spielzeug der ewigen
Eva dar, die ihn bald an den Schnürchen zieht, um ihn wie eine Glieder-
puppe tanzen zu laffen, bald ihn zerzupft, wie ein Kind ein Infect, oder
ihm lein ganzes Gold abnimmt.

Bei dem Blatt La foire aux amours (Der Liebesmarkt) ift das
technische Verfahren fpeciell originell und bemerkenswert^ es ift ein
Amalgam von aufsergewöhnlich gefchickter Ausführung, befonders

glücklich in der Vereinigung von Paftell und Aquarell auf Eipapier.
ein Amalgam, zu deffen Wirkung die Feder,-der Pinfel, das Boffirholz
und Selbst die Radirnadel beigetragen haben.

Anläfslich dieSes Verkaufes hat Edmond Harancourt, deffen
Buch L' äme inquiete allgemein bekannt ifi, ein Sehr amufantes Bild
des MeiSters entworfen, das aber faft fchon an die Grenze der Charge
Streift. Es gelingt ihm, ihn nacheinander darzustellen als einen Cafanova
an Genie, egoiftifch wie Don Juan, heiter wie Leporello, düfter wie
Faufr, überall zu Haufe wie das Lafler, als einen Theologen wie St.
Auguftin, als Zeichner Rembrandt und Goya verwandt. Das ift viel für
einen einzigen Menfchen! Der arme Fehden Rops ift am Ende der
Teufel in Person! Das Merkwürdigfte an der Sache ift aber, dafs die-
jenigen, die Rops perfönlich kennen, finden, dafs das Bild viel weniger
übertrieben, als der Wahrheit entsprechend ift.

Der Buchhändler Edmond Deman in Brüffel benützt ebenfalls
die Gelegenheit, um Felicien Rops einen mit 150 Illufirationen jeder Art
bereicherten Band zu widmen, der eine Blumenlefe aus den Schriften
der hauptfächlichsten Bewunderer des berühmten Radlrers enthält, und
indem er fie alle befpricht, fpricht er felbftverftändlich auch von dem
Gegenstände ihrer Bewunderung. Aber der kunftfinnige Verleger hat noch
anderen Anfpruch auf unfere Aufmerkfamkeit, denn er publicirt zu
gleicher Zeit 2 Bände (in je 300 Exemplaren gedruckt), die vom Stand-
punkt der Buchilluflration von einigem Intereffe find. Der eine enthält die
erfie franzöfifche Überfetzung der faft unuberfetzbaren Gedichte von
Edgar Poe durch den Führer der litteranfch-fymbolifchen Schule M.
Mallarme, Diefer Überfetzung ift ein Porträt des Dichters von der Hand
des verstorbenen Edouard Manet beigegeben und überdies ein Titel-
blatt, auf dem diefer ausgezeichnete Realift (mit dem man fich gegen-
wartig in Paris vielbefchäftigt, gelegentlich einer neuen Ausftellung
Seiner Werke bei Durand Rueil) den berühmten Raben darstellt, »der
nicht den mindesten Refpect zeigte, noch einen Moment zögerte, fondern
mit der Miene eines Lords fich auf die Büfte der Pallas hockte, gerade
ober der Thür des Zimmers«. Bei kräftig zufammenfaffender Form des
Ausdrucks hat er auf diefem Blatte den vollen Eindruck der Trauer
und des geheimnisvollen Grauens, das diefem Gedichte eigen ift, wieder-
gegeben. DieSes einSache BruStbild des Raben, fchwarz »und weiter
nichts,« auf dem filberglänzenden Papier, befchwört in eigenartiger
Weife die Stimmung des berühmten monotonen Refrains (»Never
more«), diefes eben fo feltfamen als vollendeten litteranfchen Kunst-
werkes herauf, und zwar fo intenfiv, wie Sie nur je eine Erfindungskraft,
die fich auf das Gebiet des Phantastischen begeben, hervorgebracht hat.
Der zweite der von Deman herausgegebenen Bände enthält eine Aus-
gabe der Gedichte von Guftav Kahn: Limbes de lurnieres. Er
intereffirt uns hier durch feine reiche Ausfchmückung mit neuen
Ornamenten, die auf das Velinpapier in Gelb dick aufgetragen find und
mit einer faft irritirenden Bizarrerie, vielleicht inspirirt von ähnlichen
Ornamenten von Gralfet, ftilifirte Blumen, Vögel, Infecten und dergl. dar-
Itellen. Befonders erwahnenswerth ift ein Schlufszierath; zwei Sperlinge,
die mit dem Rücken gegeneinander mit offenem Schnabel zu zwitfehern
Scheinen, ferner ein grofser Käfer auf einem Blatte kriechend, ein Pfau
im Profil und ein laufender Kranich, die alle von faft heraldifchem
Gepräge und in hohem Grade deeorativ find. Der Schöpfer diefes
reichen Schmuckes bleibt anonym.

Die neue Erfindung von Scholz in Mainz, welche die fchweren
und wenig beweglichen lithographischen Steinplatten durch leichte
Aluminiumplatten, die ohne Mühe an jeden Ort — auch vor das Motiv
en plein air — transportirt werden können, erfetzt, hat in Paris und
Amerika viel Auffehen erregt. Die Algraphie, wie der neue, aber
ziemlich überfiüfsige Name lautet, denn die bei diefem Verfahren
erzielten Refultate decken fich vollkommen mit denen der Lithographie,
ift im Begriff, unter allen Künftlern, die fich der Originallithographie
ergeben, Profelyten zu machen. Hauptfächlich find es die Künftler der
franzöfifchen Tendenz und Schule, die diefes Verfahren fympathil'ch
begrüfsen. So z. B. Storni van's Gravesande, der als einer der erSien
die neue Methode aeeeptirte und ausgezeichnete Refultate mit ihr
erzielte, und zwar namentlich in der ganzen Serie feiner malerifchen
Anlichten von Hamburg, dem Ergebnis feiner diesjährigen künftlerii'chen
 
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