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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.4069#0032
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28 —

geben vermögen. In diefen anfpruchslofen Zeichnungen hegt fehr viel
Kraft, Humor und Verftändnifs der Bewegung. Merkwürdig ift, dafs
Lepere in feinen Holzfchnitten auf die Technik der Illuftrationen und
Vignetten der romantifchen Zeit zurückgeht; er wendet wieder ftarke
UmrifTe und einfache Schraffenlagen an, die Mittel, die der Natur des
Holzfchnittes eigen lind, die ihm aber in der langen Periode, wo er
unter dem unheilvollen Einfluffe Guftave Dores geftanden hat, verloren
gegangen waren. Wir begrüfsen diele Rückkehr zum Einfachen als das
erfte Anzeichen der Entwicklung einer wahrhaft decorativen Buch-
illuftration in Frankreich; denn gerade in Frankreich, dem Lande der
Bibliophilen, fehlt es feit Jahren auf dem Gebiete der llluftration faft
ganzlich an decorativem Gefchmack. In den farbigen Holzfchnitten, die
Lepere offenbar mit grofser Liebe behandelt hat, geht er nicht aut eine
naturaliftifchc Farbengebung aus, fondern er erreicht, ohne mehr als
vier Tone (Schwarz, Roth, Grün und Grau) anzuwenden, eine fehr gute
decorative Wirkung. Die llluftration zum Frühling, die ein junges
Mädchen darfteilt, das, mit dem erften Kirrchenfträufschen in der Hand,
am Ufer der Seine fpazieren geht, gehurt zu dem Beften, was auf diefem
Gebiete gefehaffen worden ift. Die Luftpcrfpcclivc ift in allen diefen
Blattern trotz der Befcheidenheit der Mittel vorzüglich gelungen.

Wien, im März 1897. G. G.

Holbeins Todtentanz und feine Vorbilder. Von
Alexander Goette. Strafsburg, K. J. Trübner 1897.

Mit diefem Buche hat der Verfaffer, der, wie er in feiner Vorrede
felbft fagt, nur als ein einfacher Liebhaber der Kunft ein ihm fonft
fremdes Gebiet hiftorifcher Forfchung betrat, die fchon zu einer kleinen
Bibliothek angewachfenen Schriften über das vielgepriefene Hauptwerk
des Bafeler Meifters um eine ftattliche Arbeit vermehrt, in der neben
dem vielen Alten und fchon Bekannten manches Neue zu finden ift, das
vielleicht noch genauer zu erwägen fein wird, als es auf den erften Blick
fcheinen mag. Ob es aber gerade geboten war, dafs fich H. G. fo aus-
fuhrlich über das Anatomifche der Todtengeftalten verbreitete, die. wie
er meint, ohne gründliche Kenntnifs ihres anatomifchen Baues nicht
richtig zu beurtheilen feien, wollen wir ihm, der doch fonft ein feines
Verftändnifs für Kunft bekundet, felbft zur Entfcheidung überlaffen. Die
läppifchen Bemerkungen feiner Vorgänger in der Betrachtung des
Todtentanzes hätten eine fo befondere Beachtung nicht verdient. Deutet
ja H. G. felbft an, dafs es bei der Beurtheilung jener Figuren nicht fo
fehr darauf ankommt, wie lieh das Bein zum Beine füge, fondern, wie
der Künftler diefes Knochengerüfte ohne Muskeln und Sehnen für feine
Zwecke, wenn ich fo fagen darf, zu beleben verftand. Seine mehr oder
minder grofse Kenntnifs der Anatomie wäre mit ein paar allgemeinen
Bemerkungen zur Genüge gekennzeichnet worden.

Ebenfo fcheint mir H. G. allzuvieles Gewicht auf die einerfeits
ganz feiehten, andererfeits mehr als tieffinnigen Worte gelegt zu
haben, mit denen die früheren Befprecher das Werk ausstatteten, und
vielleicht hat ihn gerade der Widerwille gegen ihr geiftreiches Wefen in
da-, andere Extrem geführt: hinter Holbein^ Bildern zu wenig zu fuchen.
Dafs es ein Grundirrthum fei, dafs Holbein bei feiner Arbeit einem
beftimmten Leitmotiv gefolgt wäre, und dafs die Bilder nichts weiter fein
follen, als durch den Grofsbafeler Todtentanz angeregte Improvifationen,
Bilder, die er mit feinem Stifte feilhielt, wie fie fich gerade feiner Phantafie
aufdrängten, fcheint mir doch die Sache etwas zu leicht genommen.
Wackernagel hat durchaus nicht foUnrecht gehabt, wenn er imTodten-

tanz denfelben Gedanken ausgefprochen fieht, der im lutherifchen
Kirchenliede anklingt: »Mitten wir im leben find mit dem todumbfan:*cn,*
dem Tode, der nicht fanft erlöst, fondern heimtückifch lauert, der alle in
feinen Reigen flicht, Jung und Alt, Arm und Reich, Hoch und Nieder,
ob fie fich feiner verfehen oder nicht und der fie dann meift am liebften
dazu einlädt, wenn fie ihn am wenigften erwarten oder herbeifehnen.
Denn nur aus diefem Gedanken heraus ift das ergreifende Bild des
fiechen Bettlers, der ihn vergebens ruft, erft in feiner ganzen Grofse zu
verftehen. Im Übrigen fleht es mit Holbeins Todtentanz, wie mit allen
anderen echten Kunftwerken. Er fpricht zu jedem feine eigene Sprache
und hat fie ftets gefprochen, von jenem Tage an, wo fich Rubens auf
dem nach Amfterdam fegelnden Schiffe mit Honthorst und Sandrart über
feine Schönheiten unterhielt, bis heute, wo unfere jungen mit der Buch-
illuftration befchäftigtenKünftler — ich erinnere zumBeifpiel anSattler —
fich abermals mit feinem Inhalt und feinen herrlichen Formen vertraut
machen und fich daran zu neuen Schöpfungen begeiftern. H. D

Japanese Illustration. A history of the arts of
wood-cutting and colour-printing in Japan. By Edw. F.
Strange. London. George Bell and Sons. 1897.

Das vorliegende Werk bildet den zweiten Band der Connoisseur
Series, einer Sammlung von Handbüchern, die Gleefon White im
Bellfchen Verlage herausgibt und die im Jahre 1895 recht glücklich mit
Hiatts Buch über die Plakate begonnen worden ift. Auch diefer neuefte
Band ift hauptfächlich für den Kreis der Liebhaber und Sammler
beftimmt, vermag aber zugleich, durch feinen Gegenftand ein allgemeines
Intereffe zu erwecken, da ja der japanifche Holzfchnilt durch den grofsen
Einflufs, den er ohne Zweifel auf die moderne Kunft ausgeübt hat,
unferem Gefühle fehr nahe fleht. Unleres Wiffens ift das Buch Stranges
— abgefehen von der allzu knappen und dürftigen Monographie, die
der verdiente Anderion im Portfolio (1895) veröffentlicht hat — der
erfte Verfuch, die Gefchichte des japanifchen Holzfchnittes und Farben-
Holzfchnittes darzuftellen. Die Schwierigkeiten einer folchen Darftellung
liegen für den europäifchen Schriftfteller hauptfächlich darin, dafs er
meift Quellen zweiter Hand benützen oder fich der Mithilfe fachkundiger
Japaner verfichern mufs, da es faft allen Europäern, die fich mit
japanifcher Kunft befchäfügt haben, an der Kenntnifs der japanifchen
Sprache fehlt. Auch die einheimifche Überlieferung ift fehr lückenhaft
und fchwankend; denn da die Künftler, die wir heute fo hoch fchätzen,
bei Lebzeiten als Handwerker in geringer Achtung ftanden, find über fie
nur wenige biographifche Daten auf uns gekommen. Wenn daher
unfere Kenntnifs auf diefem Gebiete auch noch fehr ungenau ift, fo hat
doch Stranges Buch das Verdienft, darüber einen guten, auch dem
Laien zugänglichen Überblick zu geben, wobei die Forfchungen
Andersons, Edmond de Goncourts, Gonses, Bings und Anderer gefehickt
und mit Verftändnifs benützt worden find. Eine felbftftändige Zugabe
bilden einige Vermuthungen des Verfaffers, die Anregung zur Unter-
fuchung mancher Fragen geben können, wenn auch ihre Begründung
vorläufig noch auf fchwanken Füfsen fteht. Der Verfuch der Identi-
fication Haronobous und Koriufais hat uns nicht recht überzeugt.
Beachtenswerth ift jedoch die Vermuthung, dafs es drei Künftler des
Namens Hiroshighe gebe, eine Annahme, die durch die japanifche
Tradition unterftützt wird, während die europäifche Forfchung bisher
immer nur zwei diefes Namens unterfchieden hat. Es ift feltfam, zu
fehen, dafs man anfängt, die Gefchichte der japanifchen Künftler des
19. Jahrhunderts mit ähnlichen Vermuthungen zu fpioken, wie es in der
der altgriechifchen feit Jahren üblich geworden ift. Schade ift es, dafs
der Verfaffer verfäumt hat, einige Worte über das Wefen der japanifchen
Iüuftrationskunft im Vergleich zu dem der europäifchen zu fagen, was
man eigentlich nach dem Titel des Buches hätte erwarten follen. Viele,
mit Gefchmack ausgewählte Abbildungen unterftützen die Darftellung.
Doch kann man nicht leugnen, dafs die mechanifche Reproduktion nicht
im Stande ift, den Farbenzauber der japanifchen Originale wieder-
zugeben. G. G.

Manuscripte und Correspondenzen für die ,,Mittheilungen'1
sind an die Redaction der ,,Graphischen Künste" Wien, VI., Luft-
badgasse 17 zu richten.
 
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