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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.4072#0023
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20 —

nende Beispiele. Unerlasslich wie das Verständnis für die dem Buelie
angemessene Illustrationstechnik ist für den modernen Künstler, der sich
dem Illustrationswesen zuwendet, auch die decorative Befähigung.
Moser bekundet sie durch phantasievolle Stilisirung der Naturformen.
Man wird sie auch durchwegs geschmackvoll nennen, wenn man nicht
an den Entwurf für den Einband denkt. Die Art, wie hier auf dem
Rücken und den beiden Buchdeckeln eine Flügelfigur vertheilt wird, ist
ein hübscher Beitrag zu der Vorliebe der modernen Kunst, naiven
Gemuthern Räthscl aufzugeben. Ms.

Das moderne Plakat. Von L. Sponsel, Dresden,
H. Kühtmann 1S97.

Das Aufblühen der deutschen Plakatkunst wurde in letzter Zeit
durch zahlreiche Artikel und Abhandlungen in Zeitschriften vorbereitet
und begleitet.

Aber an einem brauchbaren, umfassenden Werke über die
Geschichte des Plakates, wie solche in Frankreich und England
existiren, fehlte es. Dem ist nun durch Sponsels Werk abgeholfen, und
zwar wohl für längere Zeit hinaus, da dem umfangreichen, vorzüglich
ausgestatteten und sehr angenehm geschriebenen Buche so bald keine
Concurrenz gemacht werden kann.

Sponsel hat Werth daraufgelegt, seine Studien und Vorarbeiten
nicht mit gelehrter Breite auszunützen, diese Geschichte des Plakates
nicht zu einem Katalog moderner Plakate sich auswachsen zu lassen.
Er zählt weder alle Arbeiten vollständig auf, noch verliert er sich in
technischen und Maassangaben. Alles das ist Sache der Specialkataloge,
deren es leider in Deutschland bisher wenige giebt, während im
Auslande ungleich fleissiger darin gearbeitet wird. Das neuerdings
erscheinende Werk von Demeure de Beaumont scheint eine werthvolle
Ergänzung zu der bisher bekannt gewordenen Literatur zu bilden.

Sponsel giebt den Entwicklungsgang des Plakates in den
verschiedenen Ländern, die Antheilnahme der hervorragendsten Künstler,
Wesen und Bedeutung ihrer hauptsächlichsten Werke sucht er zu
analvsiren. Er schreibt mit der Absicht, belehrend und anregend auf
weitere Kreise zu wirken, er will dem Publicum wie den ausübenden
Künstlern Musterbeispiele vorführen, an mangelhaften älteren Werken
sie warnend belehren, an guten neueren sie aufklären.

Es fehlt nicht an beherzigenswerthen Winken. Mit Recht betont
er immer wieder die Nothwendigkeit des freien künstlerischen Erfindens
im Gegensatz zu der langgeübten verderblichen Praxis unserer Kunst-
gewerbeschulen mit ihrem hirnlosen Copirsystem. Er hebt den Unter-
schied zwischen den oft nicht nur freien, sondern geradezu laseiven
französischen Plakaten und den mehr gemüthvollen deutschen hervor.
Seltsamerweise wendet er sich dabei gerade gegen Lautrec, dessen
fürchterlich wahre Schilderungen demimondainen Lebens doch alles
andere eher als verlockend, vielmehr warnend und abschreckend
wirken können. Mit Recht liebt er hervor, dass die »Panneaux
decorativs« bei uns noch viel mehr berücksichtigt werden könnten, dass
z. B. die volksthümlichen Kunstblätter von Thoma ungleich mehr
Wirkung erzielt haben würden, wenn sie in etwas ansehnlicherer Form
aufgetreten wären, etwa als plakatartige Farbendrucke.

Sponsel beginnt mit einem kurzen Bericht über die ostasiatische
Kunst, die, wie er hervorhebt, weniger durch ihre Plakate direct, als
durch die Darstellungsweise ihrer Farbendrucke überhaupt von mass-
gebenden Einflüsse war.

Sehr ausführlich wird dann Frankreich und Belgien,
England und Amerika geschildert. Konnte er hiebei auf reichlichen
Vorarbeiten fussen, so musste die Geschichte des deutschen und
österreichischen Plakates erst geschaffen werden. Was Meyer Gräfe
darüber in »Les affiches etrangeres< bringt, ist höchst unvollständig,
und obendrein in einer so lieblosen, das deutsche Wesen absichtlich
herabsetzenden Art betrachtet, dass man nur bedauern kann, dass ein
Deutscher in einem französischen Werke das schreibt.

Altere deutsche Künstlerplakate sind so selten, dass wohl die
Plakate für Rebaus Naturgeschichte hätten erwähnt werden müssen,
ein Tigerkopf und ein Löwenkopf, 1864 von Leutemann und Specht
lithogra phirt, die Vorbilder für die seitdem beliebten Placate zoologischer

Gärten, ferner das Plakat der zweiten Dresdener Aquarellausstellung von
M. Rödig von 1890, Originalkreidezeichnung auf Papier, auf Stein
umgedruckt und mit 5 Steinen gedruckt.

Bei der schnellen Entwicklung des deutschen Plakates ist es
noch schwer, es in übersichtliche Gruppen zu gliedern. Unter den
älteren deutschen Plakaten unterscheidet Sponsel zwei Richtungen.
Die eine, hauptsächlich im Innenplakat bethätigt, die in reiner chromo-
lithographischer Technik büdmässige Wirkung anstrebt (besonders die
Schiffsplakate von Mühlmeister und Johler und unter den neueren die
von Gysis und Läuger), die andere in derber modellirender Kreide-
manier mehr den ornamentalen Schmuck der Fläche ausbildend. Hierher
gehören besonders eine Reihe von Künstlerplakaten im Stile der neu-
deutschen Renaissance, unter denen wohl auch Hammers Entwurf für
die Nürnberger Kunstausstellung 1891 Erwähnung verdient hätte. Das
moderne deutsche Plakat wird dann ausführlich und im Allgemeinen
in gerechter Würdigung behandelt. Nur scheint mir Fritz Rehm etwas
zu kurz gekommen zu sein, ebenso die Leistungen der Firma Beyer in
Dresden, für die J. V. Cissarz und J. Goller über den Durchschnitt hinaus
gehende Arbeiten lieferten, und das Plakat von Ch. Wild, dem Jugend-
Zeichner, für Lindes künstliche Eisbahn. Den Inhalt des Ausstellungs-
plakates 1893 von L, v. Hofmann hat er wohl missverstanden. Nicht
Ganymed mit dem Zeusadler, sondern der Genius der Kunst, den
preussischen Adler tränkend, ist dargestellt. Kurz wird dann die
österreichische Plakatkunst unter Anführung einiger Arbeiten aus
Wien von Makart, Klimt, Schüessmann, H. Lefler u. a. sowie aus
Prag (Hynais, Oliva, Orlik) erledigt. Zum Schluss die Länder des
Südens und Nordens, wobei wohl die Sc an di navi er heute etwas
ausführlicher bedacht werden müssten.

Auf die Technik, die Herstellungsweise ist in dem Werke überall
mit gutem Verständniss eingegangen und stets betont, wie wichtig für
den Zeichner die Rücksichtnahme auf die Art der Ausführung ist. Nur
scheint Spondei etwas zu einseitig das lithographische Originalplakat
zu befürworten, während doch das deutsche Plakat gerade beweist,
dass auch im Zinkdruckverfahren sich recht ansehnliche Erfolge erzielen
lassen und Stuck z. B., wenn auch seine Experimente noch nicht völlig
befriedigen, doch auf dem Wege ist, auch hierin technische Erfolge
zu erzielen. Diese technischen Notizen werden durch das ausgiebige
und vorzügliche Abbildungsmaterial unterstützt, das dem Buche einen
hervorragenden Werth gibt.

Neben 266 Autotypien sind auf 52 Steindrucktafeln farbige
Reproductionen der wichtigsten Plakate aller Nationen gegeben, die
von der bekannten Firma Meinhold & Söhne in Dresden tadellos
hergestellt wurden. Man muss schon die Originale direct neben diese
Nachbildungen legen, um kleine Abweichungen in den Tonwerken
constatiren zu können, die freilich wohl zum grossen Theile auch dem
etwas ungleichen Ausfall der Originaldrucke zur Last fallen. Dann erst
sieht man etwa, dass auf Bradleys »When Hearts« der Überdruck Roth
auf Grün etwas zu viel Roth, oder auf Caran d' Aches »Exposition Russe«
das Pferd etwas zu viel Gelb bekommen hat. Ein Übelstand bleibt, dass
auf dem schönen zum Abdruck benutzten Cartonpapier die Farben
lebhafter und satter erscheinen, als auf weichem Plakatpapier, wodurch
z. B. Steinlens schwarzer Riesenkater auf dem Chat noir-Plakat an
Harmonie einbüsst.

Es gehört freilich schon ein recht empfindliches Auge dazu, um
das störend zu bemerken. Im Allgemeinen kann man mit grosser
Befriedigung die Exactheit und Schönheit des Druckes, die Treue der
Nachbildung in Zeichnung und Farbe bei diesen Leistungen von
Meinhold & Söhne bewundern, und Blätter, wie Muchas Salon des
Cents als geradezu mustergiltige Wiedergabe bezeichnen.

Es ist zu hoffen, dass Sponsels Werk entsprechend seiner hohen
erziehlichen Bedeutung im Publicum und in der Künstlerschaft gewürdigt
werden möge. M. Seh.

Manuscripte und Correspondenzen für die „Mittheilungen"
sind an die Redaction der „Graphischen Künste" Wien, VI., Luft-
badgasse 17 zu richten.
 
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