Bild hineingebracht! Nein, wenn man
hier ganz im allgemeinen Vorzüge loben
will, die das Kreuzwunder vor anderen
deutschen Bildern ähnlichen Wertes aus
jener Zeit voraus hat, so wären es die
Korrektheit der Zeichnung und eine
kühle Ebenmäßigkeit in den Bewegungen
und dem Wurf der Gewänder, etwas
Akademisches, das wie ein leiser Wider-
hall der großen italienischen Hoch-
renaissance in kleinen deutschen Dimen-
sionen klingt. Und damit kommen wir
zu dem andern Punkt, in dem ich mit
Kötschau, Stiassny und Janitschek nicht
ganz übereinstimmen kann. Es heißt,
daß Barthel Behams Gemälde deutlich
hinweise auf eine bestimmte Lokalität
Italiens, auf Venedig, sogar auf gewisse
venezianische Meister. Gentile Bellini
und Carpaccio wurden als seine letzten
Vorbilder genannt. Das heißt doch wohl
zu weit gegangen. Weder ist die An-
sicht Janitscheks, daß die blonde junge
Frau mit dem geringelten Haar im
Vordergrunde auf venezianische Muster
zurückzuführen sei, überzeugend zu
begründen, noch auch braucht man
irgendwelche Venezianer heranzuziehen,
um diese Architektur zu erklären. Die
Inkrustation, die bei Beham vorkommt,
erscheint auch bei verschiedenen anderen
deutschen und niederländischen Meistern
an den mehr oder minder phantastischen
Architekturen, mit denen sie die welsche
Bauart in ihre Bilder einführten. Und im
Übrigen sehen Behams Hallen Turm- Barthel Beham, Weibliches Porträt. (Sammlung Lotzbeck in München.)
bauten, Rundtempelchen und zinnen-
gekrönten Mauern ganz und gar nicht venezianisch aus. Es ist ja sehr freundlich von unseren Gelehrten, daß sie die
deutschen Meister so freigebig auf Studienreisen nach Italien schicken wollen, aber durch die Tatsachen werden
sie nicht immer dazu gezwungen. Man ist zu sehr geneigt, die weite Verbreitung der italienischen Kunstformen
durch Kupferstiche, Holzschnitte und Bücher diesseits der Alpen zu unterschätzen.
Wenn demnach das allgemeine Urteil über Behams Gemälde verschieden lauten kann, so ist dagegen die
Charakteristik, die Kötschau von den Einzelheiten gibt, durchaus zu unterschreiben. Von besonderer Bedeutung
ist bei solchen stilkritischen Untersuchungen immer die Bildung der Frauenköpfe, weil in ihnen das Schönheits-
ideal des Künstlers am reinsten zum Ausdrucke kommt. Auf Behams Gemälde kann man zwei Typen unter-
scheiden. Wir finden sie gleich in der Reihe der drei Damen, die nebeneinander hinter der Kaiserin knien. Am
meisten rechts und am entferntesten vom Beschauer erscheint der eine Typus mit gerader scharfgeschnittener
Nase und vollem Kinn, wie ihn Kötschau beschreibt. Links dagegen, in der Dame, die mit zusammengelegten
erhobenen Händen betet, finden wir den andern Typus mit volleren Backen und rundlicher Nase. Bei diesem Kopfe
können wir uns auch sehr gut die Ohrform notieren, eine stark gerundete Muschel, von der das Läppchen in einer
zweiten Kurve sich deutlich absetzt. Diese Charakteristika, zu denen noch die großen hervortretenden Augen, die
fleischigen, fast knollig gebildeten Hände mit dem allzu kurzen Daumen zu rechnen sind, finden sich sämtlich in
den Stichen wieder, die wir Barthel Beham zuschreiben. Die zuletzt erwähnte betende Hofdame ist die Zwillings-
schwester der Eva auf dem Kupferstiche B. 1, die andere steht in einem ebenso nahen Verwandschaftsverhältnis
zu der Judith B. 4 oder den Madonnen B. 5, 6, 8, oder der Flora B. 21 — lauter Stichen, die, wie wir sehen werden
gegen 1530 entstanden sind.
hier ganz im allgemeinen Vorzüge loben
will, die das Kreuzwunder vor anderen
deutschen Bildern ähnlichen Wertes aus
jener Zeit voraus hat, so wären es die
Korrektheit der Zeichnung und eine
kühle Ebenmäßigkeit in den Bewegungen
und dem Wurf der Gewänder, etwas
Akademisches, das wie ein leiser Wider-
hall der großen italienischen Hoch-
renaissance in kleinen deutschen Dimen-
sionen klingt. Und damit kommen wir
zu dem andern Punkt, in dem ich mit
Kötschau, Stiassny und Janitschek nicht
ganz übereinstimmen kann. Es heißt,
daß Barthel Behams Gemälde deutlich
hinweise auf eine bestimmte Lokalität
Italiens, auf Venedig, sogar auf gewisse
venezianische Meister. Gentile Bellini
und Carpaccio wurden als seine letzten
Vorbilder genannt. Das heißt doch wohl
zu weit gegangen. Weder ist die An-
sicht Janitscheks, daß die blonde junge
Frau mit dem geringelten Haar im
Vordergrunde auf venezianische Muster
zurückzuführen sei, überzeugend zu
begründen, noch auch braucht man
irgendwelche Venezianer heranzuziehen,
um diese Architektur zu erklären. Die
Inkrustation, die bei Beham vorkommt,
erscheint auch bei verschiedenen anderen
deutschen und niederländischen Meistern
an den mehr oder minder phantastischen
Architekturen, mit denen sie die welsche
Bauart in ihre Bilder einführten. Und im
Übrigen sehen Behams Hallen Turm- Barthel Beham, Weibliches Porträt. (Sammlung Lotzbeck in München.)
bauten, Rundtempelchen und zinnen-
gekrönten Mauern ganz und gar nicht venezianisch aus. Es ist ja sehr freundlich von unseren Gelehrten, daß sie die
deutschen Meister so freigebig auf Studienreisen nach Italien schicken wollen, aber durch die Tatsachen werden
sie nicht immer dazu gezwungen. Man ist zu sehr geneigt, die weite Verbreitung der italienischen Kunstformen
durch Kupferstiche, Holzschnitte und Bücher diesseits der Alpen zu unterschätzen.
Wenn demnach das allgemeine Urteil über Behams Gemälde verschieden lauten kann, so ist dagegen die
Charakteristik, die Kötschau von den Einzelheiten gibt, durchaus zu unterschreiben. Von besonderer Bedeutung
ist bei solchen stilkritischen Untersuchungen immer die Bildung der Frauenköpfe, weil in ihnen das Schönheits-
ideal des Künstlers am reinsten zum Ausdrucke kommt. Auf Behams Gemälde kann man zwei Typen unter-
scheiden. Wir finden sie gleich in der Reihe der drei Damen, die nebeneinander hinter der Kaiserin knien. Am
meisten rechts und am entferntesten vom Beschauer erscheint der eine Typus mit gerader scharfgeschnittener
Nase und vollem Kinn, wie ihn Kötschau beschreibt. Links dagegen, in der Dame, die mit zusammengelegten
erhobenen Händen betet, finden wir den andern Typus mit volleren Backen und rundlicher Nase. Bei diesem Kopfe
können wir uns auch sehr gut die Ohrform notieren, eine stark gerundete Muschel, von der das Läppchen in einer
zweiten Kurve sich deutlich absetzt. Diese Charakteristika, zu denen noch die großen hervortretenden Augen, die
fleischigen, fast knollig gebildeten Hände mit dem allzu kurzen Daumen zu rechnen sind, finden sich sämtlich in
den Stichen wieder, die wir Barthel Beham zuschreiben. Die zuletzt erwähnte betende Hofdame ist die Zwillings-
schwester der Eva auf dem Kupferstiche B. 1, die andere steht in einem ebenso nahen Verwandschaftsverhältnis
zu der Judith B. 4 oder den Madonnen B. 5, 6, 8, oder der Flora B. 21 — lauter Stichen, die, wie wir sehen werden
gegen 1530 entstanden sind.