Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1907

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4249#0009
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 5 —
annehmen dürfen, daß die Bilder in erster Linie den Zweck hatten, eine Vorbildersammlung für die Kleinkunst zu
liefern, wie wir das überhaupt wohl für einen großen Teil der ältesten Kupferstiche voraussetzen müssen.
Die Entstehung der Kompositionen der »Tarocchi« wird man wohl ziemlich weit über die Kupferstiche hinauf
zu datieren haben, ja die Varianten in den verschiedenen Kupferstichserien, von denen sogleich die Rede sein soll,
machen es sogar höchst wahrscheinlich, daß vor den Stichen mehrere Versionen der Figurenreihe, wohl in Miniaturen,
im Umlauf gewesen seien. Jedenfalls aber haben die Darstellungen in den Kupferstichen ihre endgültige Form erhalten,
in der sie dann weit verbreitet und in vielfacher Weise benützt worden sind.
Obwohl schon der »Doxe« deutlich genug für Venedig als den Ursprungsort der Bilderfolge spricht, sind die
Kupferstiche doch von vielen Forschern für florentinisch und sogar für Arbeiten Baccio Baldinis gehalten worden, so
von Galichon,1 von Delaborde2 und von Ottley,3 dann von Kollosf* und Fisher;5 Harzen6 schlug Bologna und Marco
Zoppo vor, Lanzi7 schrieb die Zeichnungen der Stiche Mantegna zu. Zanis hat zuerst die Folge für Venedig in
Anspruch genommen und hierin die Zustimmung Passavants9und anderer Forscher gefunden. Abgesehen von dem Auf-
treten des Dogen, das allein schon für den venezianischen Ursprung wenigstens der Kompositionen entscheidend wäre,
und von der venezianischen Form einzelner Namen, wie: doxe, zintilomo, artixan, fameio, stellen aber auch die Formen
der Zeichnung und die Technik die Entstehung der einen von den beiden uns bekannten Kupferstichfolgen in
Venedig außer Zweifel.
Es existieren von den »Tarocchi« zwei verschiedene Folgen von Stichen, deren Verhältnis zueinander zu
bestimmen überaus schwierig ist. Bartsch hielt für die Originale die Folge, in der die fünf Zehnergruppen mit A, B,
C, D, S, bezeichnet sind, während Zani und nach ihm alle späteren Schriftsteller die andere Folge mit den Buchstaben
A, B, C, D, E für die ursprüngliche, jene für Kopien erklärt haben. Die Blätter der ersten Folge, die wir kurz als
S-Folge bezeichnen können, messen ungefähr 175 : 95 mm, die der anderen, die wir die E-Folge nennen wollen, sind
etwas größer (ungefähr 180 : 100 mm).10 (Siehe Abbildungen Seite 6, 7, 10, 11.)

(B. 27, Kopie und B. 26, Kopie) benützt, die Zeichnung des Thrones ist dem >Marte« (B. 62, Kopie) entlehnt. — 22 Blätter der »Tarocchi« sind
in den Miniaturen des Cod. Urb. 717 der Vaticana kopiert (11—20,26—27,41—50). — Nach diesen Miniaturen wieder sind die Bilder des Cod.
Urb. 716 derselben Bibliothek kopiert. — In einem Exemplar der 1476 in Verona gedruckten Ausgabe von Petrarcas Vite degli uomini illustri (Hain
12808, im Besitz von Jacques Rosenthal in München) sind in zwei der Holzschnittumrahmungen Kopien nach dem Re und Imperatore (B. 25 und
26, Originale) eingezeichnet. — Auf den Papierstreifen, auf denen die Kupferstiche des Cod. 2143 der Trivulziana in Mailand befestigt sind, erkennt
man Fragmente von,Zeichnungen nach einigen der »Tarocchi«, zum Beispiel nach Calliope und Melpomene. — Albrecht Dürer hat einige der Bilder
nachgezeichnet. (British Museum. Siehe Lippmann, Dürer-Zeichnungen, Abteilung XXIII bis XXV, Nr. 210 bis 218. Bartsch 23, 24, 27,
33, 40, 45, 49, 63, 66 der Kopienfolge.) — Aus der gleichen Zeit etwa stammt eine Reihe von Nürnberger Holzschnitten, die nur in späten Abdrücken
in der Wiener Hofbibliothek und im Berliner Kabinett erhalten sind und in der Werkstatt Wolgemuts entstanden sein werden. (Siehe V. Loga im
Jahrbuch der königlich preußischen Kunstsammlungen, XVI [1895], Seite 236 sf.) Es sind dies: B. 28 bis 30, 32, 34 bis 36, 39, 44 bis 46, 5t, 52,
54, 56 und 59. — Die Geometna (B. 41) ist wiedergegeben in einem Holzschnitt in Francesco Ghaligaios Summa di arithmetica, Firenze,
Bernardo Zucchetta 1521. — Auch Burgkmair hat in seiner Folge der Planeten in Holzschnitt für den Merkur (B. 45) die entsprechende Gestalt
der »Tarocchi« benützt und sich auch im Saturnus (B. 41) und in einigen der Tugenden (B. 48 bis 54) an die italienischen Vorbilder angelehnt.
— Ebenfalls in Holzschnitt sind zahlreiche Blätter der Folge roh kopiert in Andrea Ghisis Laberinto (Venezia, Evangelista Deuchius 1616). — In
Kupferstich ist die ganze Folge nach den von Bartsch als Kopien bezeichneten Stichen von Hans Ladenspelder von Essen kopiert worden. (Passavant,
V, Seite 127.) — Auf einem Majolikateller der Sammlung des Fürsten Liechtenstein in Wien ist die Temperantia (B. 34) nachgebildet. — Ein Stein-
relief des Museo Civico zu Bologna (Nr. 615, 37 : 27 cm) zeigt einen Ritter mit Falken und einen Bettler einander gegenüberstehend nach dem
»Zintilomo« und dem »Misero« der Stichfolge.
" Gazette des Beaux-Arts 1861, IX, Seite 142 sf.
2 Gravüre en Italie avant Marcantoine, Seite 36 sf.
3 Notices on engravers. London 1831 (Baldini). In seiner Inquiry (London 1816, Seite 379) hatte Ottley dagegen die Folge für paduanisch
erklärt.
* Meyers Künstlerlexikon (Baldini), II, Seite 589 sf.
■~' Introduction to a catalogue of early italian prints in the British Museum. London 1886, Seite 60 ff.
« Archiv für die zeichnenden Künste, XVI (1870), Seite 94.
» Storia pittorica. Bassano 1795 bis 1796, I, Seite 97 ff.
8 Materiali, Seite 70.
» Passavant, V, Seite 119 ff.
10 Von der S-Folge (Bartschs Originalen) befindet sich wohl das vorzüglichste Exemplar in Chatsworth im Besitz des Herzogs von Devon-
shire, ein zweites sehr gutes Exemplar — nur von Nr. 50 ist der obere Teil abgerissen — in der Hofbibliothek zu Wien, ein drittes in der Sammlung
des Barons Edmond de Rothschild in Paris. Unvollständige Serien und einzelne Blätter, meist schwache Drucke, finden sich häufiger in den Sammlungen.
Abbildungen der ganzen Folge nach schwachen Exemplaren in Lady Schreibers Playing Cards, London 1895, III, pl. 16 bis 28. Von der E-Folge
(Bartschs Kopien) ist eine viel größere Anzahl vollständiger, als Buch gebundener Exemplare und einzelner Blätter in guten Zuständen erhalten.
Wohl das beste vollständige Exemplar besitzt die Sammlung Malaspina in Pavia, ein ebenfalls vorzügliches Exemplar das British Museum (aus den
Sammlungen: Seratti, Galichon, Malcolm), ein drittes in der Bibliotheque Nationale zu Paris, fernere im Museo Nazionale zu Neapel, im Musee Condc
zu Chantilly (wo Nr. 5 und 6 fehlen), beim Grafen Stroganoff in Rom, in der Magliabecchiana zu Florenz, in der Kunsthalle zu Hamburg, in der
Albertina zu Wien (wo Nr. 1 fehlt). Einzelne Blätter finden sich fast in jeder größeren Sammlung. Abbildungen der ganzen Folge in den Jeux de
Cartes Tarots par la soc. d. bibliophiles franfais. Paris 1844. Einzelne Karten in verschiedenen Werken. ZumBeispiel in: Prints in the British Museum
publ. by the Trustees, London, 1886, pl. VII—VIII und im Jahrbuch der Kunstsammlungen des österreichischen Kaiserhauses, XVII (1896), 8 und 9.
 
Annotationen