Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1907

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4249#0066
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
62 —

.....

etwa 250 Blatt fehlen. Das Verzeichnis G. Partheys ent-
hält bekanntlich nicht wenige Dubiosa, von denen sich
gar manche heutzutage als fremde Arbeiten sicher
nachweisen lassen. Dagegen ist das Inventar trotz
beigefügter Nachträge und Berichtigungen noch immer
nicht vollständig. So enthält beispielsweise das Kupfer-
stichkabinett in München acht unbeschriebene Blätter und
das > Hollareum« nicht weniger als hundert. Andererseits
sind manche Blätter, welche Parthey als Arbeiten Hollars
verzeichnet, aus den echten Werken dieses Radierers
unbedenklich auszuscheiden.
In richtiger Erfassung der Sammelziele des »Hollar-
eums« sucht sein Direktor auch die von Hollar entweder
ganz oder teilweise illustrierten Werke zu erwerben,
wovon eine recht ansehnliche Zahl ausgestellt war. Auch
die einschlägige Literatur wird gesammelt. Auf diese Art
bildet das »Hollareum« schon heute eine ungemein aus-
giebige, leider noch immer nicht zugängliche Quelle für
das Studium des großen Radierers und das reichhaltigste
Material zu einer künftigen Monographie.
Die Ausstellung selbst konnte daher ein sehr voll-
ständiges und, dank der guten Auswahl und Anordnung,
klar übersichtliches Bild der Riesenarbeit des Meisters
geben. Was ausgestellt wurde, war von guter, ja vor-
züglicher Qualität: die besten Blätter und die besten
Drucke. An ihrer Spitze befand sich das handgroße Bildnis
W. Hollars, vielleicht von G. Glover (geb. um 1618) in Öl
gemalt. Es zeigt den Meister, im Brustbild, etwa in jenem
Alter und jener Haltung, wie sein Selbstporträt (P. 1420)
vom Jahre 1647.
Die Kunst und Bedeutung W. Hollars im allgemeinen
auf Grund dieser Ausstellung zu charakterisieren, wird
hier wohl nicht am Platze sein; man würde nicht wesent-
lich von dem abweichen, was darüber in letzter Zeit von
F. Lippmann und P. Kristeller bündig und deutlich gesagt
wurde. Es ist nur zu begreiflich, daß unter den von G. Par-
they verzeichneten 2733 Blättern die radierten Flug- und
Zeitblätter und die zahlreichen Illustrationsradierungen für
deutsche, flämische und englische Verleger hauptsächlich
durch ihre technische Fertigkeit und Leichtigkeit von be-
sonderer Bedeutung sind, abgesehen von ihrem rein histo-
rischen und ikonographischen Wert. Auch viele Bildnisse
fallen in diese Kategorie, wiewohl sich manches darunter
befindet, was, als hervorragende Ausnahme, sich neben
das Beste stellen kann, was die französische und flä-
mische Radierung des XVII. Jahrhunderts geleistet hat.
Eines, glaube ich, ist aber bisher nicht mit gebührendem
Nachdruck hervorgehoben worden. Das ist die feine An-
passungsart W. Hollars an den Stil und die Eigenart
seiner Vorlagen. Betrachtet man seine radierten Blätter
nach Dürer, Holbein oder auch nur nach P. Breughel, P. Bril
oder nach Mantegna, Lionardo da Vinci, nach älteren Mini-
aturen und andere, so kann man nicht umhin, in ihm viel-
leicht den ersten Reproduktionskünstler zu erkennen, der
sich tatsächlich in das Wesen und in die Art seiner Vor-
lage hineinlebt und sich redlich bemüht, derselben in allen

Teilen gerecht zu werden. Wohl das schlagendste Beispiel
liefern dafür die Faksimilierungen der Federzeichnungen
Dürers (P. 2559—2567) und vielleicht in einem noch
höheren Maße das Triptychon Richard II. (P. 229).
Wenzel Hollar hat einiges nach Rembrandt kopiert (P. 603,
1650) und Rembrandt selbst besaß etliche seiner Blätter,
aber ein größerer Unterschied zwischen der malerisch
flotten Radierung der gleichzeitigen holländischen Peintre-
graveurs und derjenigen Hollars läßt sich nicht denken.
Jene sind Maler, dieser ist Zeichner; jene haben die
Radierung zum Ausdrucksmittel ihrer breiten malerischen
Faktur benützt und die Nadel gleichsam wie den Pinsel
oder die Feder behandelt, Hollar dagegen hat den Linien-
stil des Kupferstiches in die Radierung hinübergezogen
und ihn durch ihre Mittel verfeinert. Er hat dessen kühl
plastische Art sozusagen vor der Tür gelassen und sie
durch den geschmeidigen Tonstrich seiner Reproduktions-
technik ersetzt. Auch ist nicht das Tiefe und materiell
Plastische, sondern das Weiche, Fließende seine Stärke
und Eigenart, das Zarte und Duftige sogar, was er un-
zähligemale besonders in seinen landschaftlichen Hinter-
gründen beweist. Die ersten Lehren und Anregungen,
welche er noch in Prag von den Dürerschen Vorlagen,
die er kopiert hatte, und von den Stichen Ägidius Sadelers
empfangen, hatte er nie vergessen und auch nie gänzlich
überwunden. Immer wirkt er durch den Zeichenstrich
und nie durch die verbindenden Mitteltöne des Kupfer-
drucks.
Geradezu als Virtuose der Radiernadel steht W. Hol-
lar am höchsten in seinen Muffen (P. 1945—1952) und
Schmetterlingen (2164 ff.), aber den wahren Malerradierer
Hollar muß man in seinen Landschaften suchen. Da zeigt
er sich als ein klaräugiger und liebevoller Beobachter,
mit ausgeprägtem Sinn für die Ruhe und den Frieden in
der Natur, ein Prospektenzeichner wohl, aber ein künst-
lerisch empfindender, welcher in der Wirklichkeit abge-
schlossene Bilder findet. Vom Sachlichen geht er aus und
schafft Landschaften, welche sich direkt an die niederlän-
dischen seiner Zeit anschließen. Die schönen Folgen
P. 695 — 791 liefern dazu zahlreiche Paradigmen und
ebenso Hollars Zeichnungen.
Auch von diesen besitzt das »Hollareum« nunmehr
29 Stück, wovon ihm 11 Adalbert Ritter von Lanna
geschenkt hat. Sie bildeten den interessantesten Teil der
Ausstellung. Wie die Zeichnungen Hollars im Kupferstich-
kabinett in Berlin und viele in der »Albertina» stammen
auch diese offenbar aus den Skizzenbüchern des viel-
gereisten Künstlers. Es ist nur wenig Figurales darunter:
ein Frauenprofil nach links, flott mit der Feder skizziert und
bezeichnet; das Brustbild einer Dame im engen Schnürleib,
mit Mühlsteinkragen und holländischer Haube; eine Frau
in ganzer Figur in mohnrotem glatten Rock, schwarzer
Jacke, mit einem regenschirmartigen Riesenhut auf dem
Kopfe. Die beiden letzten Zeichnungen sind nicht ganz
sicher. Dann noch ein liegender weiblicher Akt: der Kontur
mit der Feder gezogen, aquarelliert, im Fleischton grau
 
Annotationen