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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.4234#0037
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Besprechungen neuer Erscheinungen.

>Juno und Argus«. Anonymer Kupferstich nach Rubens' Gemälde.

Henri Hymans, Sur une gravure d'apres Ru-
bens non decrite. Anvers, J. Van Hille-De Backer, 1907.

Das Kölner Museum besitzt seit einigen Jahren als Geschenk
einer Gruppe von Kunstfreunden ein großes Gemälde von Rubens' Hand,
das fast mehr noch als durch seinen künstlerischen Wert durch seine
Stellung in der Entwicklung des Künstlers von größtem Interesse ist.
Dargestellt ist Juno, die das Gefieder ihrer Pfauen mit den Augen des eben
getüteten Argus schmückt. Dem Stile nach gehört das Bild in die erste
Zeit nach der Rückkehr des Künstlers von seiner italienischen Reise.
Die etwas stumpfe malerische Behandlung mit dem vertreibenden Farben-
auftrag und das ausgesprochene Helldunkel mit den Lichteffekten des
Himmels, jenes „flackernde Licht", wie es Wilhelm Bode einmal treffend
genannt hat, erinnern noch sehr an die Werke, die nachweislich während
Rubens' Aufenthalt in Italien entstanden sind.i Bildnisse aus der ersten
Antwerpener Zeit sind noch einige vorhanden: das berühmte Doppelporträt
des Künstlers mit seiner Frau in München, das merkwürdige große Reiter-
porträt mit der Ansicht von Antwerpen im Hintergrunde in Windsor, das

i Schon W. Bürger, der oft in merkwürdiger Weise die Ergeb-
nisse künftiger Forschung vorausgeahnt hat, sagt von dem Bilde, das
er 1857 auf der Ausstellung in Manchester sah: „il faut qu'il ait ete peint
sous une mauvaise influence durant le voyage d'Italie" (Tresors d'Art
en Angleterre, troisieme edition, Paris 1865, p. 185).

sehr verwandte Bildnis eines jungen Reiters beim Graien Clam-Gallas in
Wien und andere. Von den historischen Kompositionen des Meisters zeigt
aber keine so deutlich den Übergang von dem italienischen Stile des
Meisters zu dem Stile, der in der mächtigen Kreuzaufrichtung des Antwer-
pener Doms, dem Hauptwerk dieser Epoche, den vollendetsten Ausdruck
gefunden hat. Man pflegt das Bild in das Jahr 1611 zu setzen, weil Rubens
es im Frühjahr 1611 durch Vermittlung des Kupferstechers J. de Bye dem
Herzog von Aerschot zum Kaut anträgt, freilich ohne Erfolg.' Wir
möchten aber glauben, daß es sehr wohl etwa zweiJahre früherentstanden
sein könnte; denn ein Bild von dieser Größe verkauft sich nicht so
schnell, und wir wissen, daß Rubens manche Bilder längere Zeit auf dem
Lager gehabt hat, bevor es ihm gelang, einen Käufer zu finden.

Bisher war von diesem merkwürdigen Gemälde kein Stich bekannt.
Gelegentlich einer Versteigerung von Kupferstichen in Brüssel hat Henri
Hymans, der unermüdliche, hochverdiente Direktor der dortigen könig-
lichen Bibliothek, der in diesen Tagen sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum
gefeiert hat, wozu wir unserem ausgezeichneten Freunde und Mitarbeiter von
Herzen Glück wünschen, unter einem Konvolut von anonymen Blättern dank
seinem vortrefflichen Gedächtnis einen Kupferstich entdeckt, der das Ge-
mälde im Gegensinne wiedergibt und ohne Zweifel aus Rubens' Zeit stammt.
Das Blatt, das IG cm hoch und 22 c;;/ breit ist, trägt weder den Namen des
Malers noch den des Stechers. Dadurch erklärt sich der Umstand, daß



i Max Rooses, L'oeuvre de Rubens, III, p. 112, Nr. 632.

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