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Auf dem Titelblatt, Halbfigur des an einem Pult schreibenden Dichters (POETA) in antiker Tracht, hinten links
eine Laute; in einem Kreis, Dm. 52. Anonymer französischer Metallschnitt (B). Am Schluß (p. 64) Borbonius als Halb-
figur, auf ein in der Linken gehaltenes Blatt Papier schreibend, im Profil nach rechts. Um den Kopf herum die Worte:
NIC. BORBONIVS VANDOP ANNO iETATIS. XXXII. 1535. In einem Kreis (Dm. 53), der in einen viereckigen
Rahmen, 70:56, eingefügt ist; in den oberen Ecken Delphine, unten in einer Kartusche das Wappen des Dichters
von zwei nackten Knaben gehalten, die sich an ornamentales Blattwerk lehnen. Holzschnitt von Holbein, W. 208 (C).
3. NICOLAI | BORBONII | VAN 1 DOPERANI L1N- | GONENSIS NVGA- I RVM LIBRI | OCTO. AB AVTORE
RECENS | AVCTI | ET RECOGNITI. | Cum Indice. | (Druckerzeichen.) APUD SEB. GRYPHIUM | LUGDUNI, | 1538.
P. 17. Halbfigur des bekränzten Dichters nach rechts, die Rechte erhoben, in einem kreisförmigen Rahmen, der
unten von vier Kindern gehalten wird, wovon das in der Mitte sitzende Paar den aus dem Wappen entlehnten Schwan
mit grünen Zweigen füttert. Links vom Schwan eine Laute, rechts eine Leier. Unten eine Tafel mit der Jahreszahl 1538.
Oben zwei Cherubsköpfe. Keine Einfassungslinie. 78x58. Anonymer französischer Metallschnitt (D). Auf der Rück-
seite des vorletzten Blattes (p. 558) ist der Holbeinsche Holzschnitt (C) wiederholt.
Die Baseler Ausgaben derNugae (Cratander, September 1533, August 1540) enthalten kein Bildnis des Dichters1.
Ein Beweis, daß das hier abgebildete Porträt von Holbein herrührt, erscheint mir fast als überflüssig. Es gibt
in der Tat die Originalzeichnung in Windsor (Nr. 54 der Hanfstänglschen Publikation mit Text von Sir R. Holmes)
gegenseitig wieder2. In der Zeichnung ist nur die leicht skizzierte, schreibende Rechte sichtbar; die Linke fehlt
Der Holzschnitt hat diese Partie ganz im Sinne der Originalzeichnung ergänzt, wenn er nicht vielmehr den Beweis
liefert, daß die Zeichnung ursprünglich größer war und unten verschnitten ist. Sollte man aber trotzdem bezweifeln, daß
das Porträt von Holbein selbst auf den Stock gezeichnet wurde? Der ganze Charakter des Ornaments schließt, wie ich
meine, jeden Zweifel aus. Höchst holbeinisch ist vor allem der Kopf des rechten Schildhalters (vom Beschauer aus,
nicht im heraldischen Sinne). Die Zeichnung auf dem Holzstock wurde vermutlich wie die Originalzeichnung selber
in England gemacht, wo Bourbon 1535 lebte (vergleiche Woltmann, I, 404), und von dort aus nach Lyon geschickt,
wo der Holzschnitt nicht erst 1538, sondern schon 1536 im Ha3y.-((a'(tiov verwendet wurde.
Campbell Dodgson zeigte mir im Jahre 1907 während eines gemeinschaftlichen Besuchs in Oxford eine Photo-
graphie nach einer Handzeichnung aus dem Besitz des Herrn Eugene Rodrigues in Paris3, welche wir hier S. 39, links
in Abbildung bringen, mit der Frage, welcher Meister hiemit wohl in Verbindung zu bringen sei. Das puppenhafte starre
Auge mit den aufgerissenen Lidern und den aufgezogenen Augenbrauen, die vorspringende Nase, der flachgedrückte
Schädel sowie das darauf befindliche dichte perückenartige Haar des dargestellten Jünglings deuteten auf die Regens-
burger Schule; am wahrscheinlichsten schien es mir, als ob Altdorfer selbst sich hier äußere. Wer sollte außer ihm
auch solche Typen hervorbringen?
Allein unsere mangelhafte Kenntnis von den Meistern der Regensburger Schule überhaupt sowie das vertrauens-
volle Manipulieren mit den wenigen Namen derselben, zumal mit dem Schulhaupt selbst, führen nur zu leicht zu
Irrtümern, die sich oft lange hinschleppen. Auch dieser Fall sollte einen Beweis des Gesagten abgeben; nur gestaltete
sich die Dauer des Irrtums äußerst kurz; denn noch auf derselben Reise, als ich die durch viele wertvolle Handzeich-
nungen hervorragende Sammlung des Herrn Geheimrats E. Ehlers in Göttingen zu besichtigen die Erlaubnis erhielt,
konnte ich über diesen Meister schon näheres erfahren. Unter den deutschen Zeichnungen dieser Sammlung fand ich
das ähnliche Brustbild eines Knaben, gleichfalls nach links gewendet, mit denselben starren Augen, der gleichen
Haarbehandlung. (Abb. S. 39, rechts) Auch hier fällt wieder der flache Kopf auf, der eigentümliche, etwas bucklige
Schulteransatz, die grobe, nicht gerade virtuose Strichführung in Kohle. Was die Identität des Meisters aber noch
vollkommen beweisend abschloß, das war die über beiden Köpfen stehende Jahreszahl 1520 mit dem völlig gleichen
Ductus.
Nun zeigt aber die Ehlers-Zeichnung ein gutes altes Monogramm I Z derart zusammengefügt, daß das I durch
den oberen Anstrich des etwas tiefer stehenden Z durchschnitten wird. Und als ich Herrn Rodrigues mitteilte, daß
i Woltmann behauptet (II, 186), daß das Porträt »in den Ausgaben von 1540« wiederholt sei. Brunet erwähnt nur eine Ausgabe von diesem Jahr.
Das komplette Londoner Exemplar enthält kein Porträt, obwohl das darauf bezügliche Epigramm am Schluß abgedruckt ist. Gibt es eine Variante,
welche den Holzschnitt an der betreffenden Stelle (N 6) enthält?
z Holmes setzt ein Fragezeichen nach dem Namen des Nicolaus Bourbon. Dessen Identität wird aber durch das in seinen >Nugae* vorkommende
Holzschnittporträt völlig bestätigt.
s Erworben 1898 in der Auktion Liphart, Leipzig. Mit dem Wasserzeichen: Reichsapfel. 29X19 Vun Lippmann Hans Schwarz zuge-
schrieben, von andern sogar Hans Burgkmair.
Campbell Dodgson.
Auf dem Titelblatt, Halbfigur des an einem Pult schreibenden Dichters (POETA) in antiker Tracht, hinten links
eine Laute; in einem Kreis, Dm. 52. Anonymer französischer Metallschnitt (B). Am Schluß (p. 64) Borbonius als Halb-
figur, auf ein in der Linken gehaltenes Blatt Papier schreibend, im Profil nach rechts. Um den Kopf herum die Worte:
NIC. BORBONIVS VANDOP ANNO iETATIS. XXXII. 1535. In einem Kreis (Dm. 53), der in einen viereckigen
Rahmen, 70:56, eingefügt ist; in den oberen Ecken Delphine, unten in einer Kartusche das Wappen des Dichters
von zwei nackten Knaben gehalten, die sich an ornamentales Blattwerk lehnen. Holzschnitt von Holbein, W. 208 (C).
3. NICOLAI | BORBONII | VAN 1 DOPERANI L1N- | GONENSIS NVGA- I RVM LIBRI | OCTO. AB AVTORE
RECENS | AVCTI | ET RECOGNITI. | Cum Indice. | (Druckerzeichen.) APUD SEB. GRYPHIUM | LUGDUNI, | 1538.
P. 17. Halbfigur des bekränzten Dichters nach rechts, die Rechte erhoben, in einem kreisförmigen Rahmen, der
unten von vier Kindern gehalten wird, wovon das in der Mitte sitzende Paar den aus dem Wappen entlehnten Schwan
mit grünen Zweigen füttert. Links vom Schwan eine Laute, rechts eine Leier. Unten eine Tafel mit der Jahreszahl 1538.
Oben zwei Cherubsköpfe. Keine Einfassungslinie. 78x58. Anonymer französischer Metallschnitt (D). Auf der Rück-
seite des vorletzten Blattes (p. 558) ist der Holbeinsche Holzschnitt (C) wiederholt.
Die Baseler Ausgaben derNugae (Cratander, September 1533, August 1540) enthalten kein Bildnis des Dichters1.
Ein Beweis, daß das hier abgebildete Porträt von Holbein herrührt, erscheint mir fast als überflüssig. Es gibt
in der Tat die Originalzeichnung in Windsor (Nr. 54 der Hanfstänglschen Publikation mit Text von Sir R. Holmes)
gegenseitig wieder2. In der Zeichnung ist nur die leicht skizzierte, schreibende Rechte sichtbar; die Linke fehlt
Der Holzschnitt hat diese Partie ganz im Sinne der Originalzeichnung ergänzt, wenn er nicht vielmehr den Beweis
liefert, daß die Zeichnung ursprünglich größer war und unten verschnitten ist. Sollte man aber trotzdem bezweifeln, daß
das Porträt von Holbein selbst auf den Stock gezeichnet wurde? Der ganze Charakter des Ornaments schließt, wie ich
meine, jeden Zweifel aus. Höchst holbeinisch ist vor allem der Kopf des rechten Schildhalters (vom Beschauer aus,
nicht im heraldischen Sinne). Die Zeichnung auf dem Holzstock wurde vermutlich wie die Originalzeichnung selber
in England gemacht, wo Bourbon 1535 lebte (vergleiche Woltmann, I, 404), und von dort aus nach Lyon geschickt,
wo der Holzschnitt nicht erst 1538, sondern schon 1536 im Ha3y.-((a'(tiov verwendet wurde.
Campbell Dodgson zeigte mir im Jahre 1907 während eines gemeinschaftlichen Besuchs in Oxford eine Photo-
graphie nach einer Handzeichnung aus dem Besitz des Herrn Eugene Rodrigues in Paris3, welche wir hier S. 39, links
in Abbildung bringen, mit der Frage, welcher Meister hiemit wohl in Verbindung zu bringen sei. Das puppenhafte starre
Auge mit den aufgerissenen Lidern und den aufgezogenen Augenbrauen, die vorspringende Nase, der flachgedrückte
Schädel sowie das darauf befindliche dichte perückenartige Haar des dargestellten Jünglings deuteten auf die Regens-
burger Schule; am wahrscheinlichsten schien es mir, als ob Altdorfer selbst sich hier äußere. Wer sollte außer ihm
auch solche Typen hervorbringen?
Allein unsere mangelhafte Kenntnis von den Meistern der Regensburger Schule überhaupt sowie das vertrauens-
volle Manipulieren mit den wenigen Namen derselben, zumal mit dem Schulhaupt selbst, führen nur zu leicht zu
Irrtümern, die sich oft lange hinschleppen. Auch dieser Fall sollte einen Beweis des Gesagten abgeben; nur gestaltete
sich die Dauer des Irrtums äußerst kurz; denn noch auf derselben Reise, als ich die durch viele wertvolle Handzeich-
nungen hervorragende Sammlung des Herrn Geheimrats E. Ehlers in Göttingen zu besichtigen die Erlaubnis erhielt,
konnte ich über diesen Meister schon näheres erfahren. Unter den deutschen Zeichnungen dieser Sammlung fand ich
das ähnliche Brustbild eines Knaben, gleichfalls nach links gewendet, mit denselben starren Augen, der gleichen
Haarbehandlung. (Abb. S. 39, rechts) Auch hier fällt wieder der flache Kopf auf, der eigentümliche, etwas bucklige
Schulteransatz, die grobe, nicht gerade virtuose Strichführung in Kohle. Was die Identität des Meisters aber noch
vollkommen beweisend abschloß, das war die über beiden Köpfen stehende Jahreszahl 1520 mit dem völlig gleichen
Ductus.
Nun zeigt aber die Ehlers-Zeichnung ein gutes altes Monogramm I Z derart zusammengefügt, daß das I durch
den oberen Anstrich des etwas tiefer stehenden Z durchschnitten wird. Und als ich Herrn Rodrigues mitteilte, daß
i Woltmann behauptet (II, 186), daß das Porträt »in den Ausgaben von 1540« wiederholt sei. Brunet erwähnt nur eine Ausgabe von diesem Jahr.
Das komplette Londoner Exemplar enthält kein Porträt, obwohl das darauf bezügliche Epigramm am Schluß abgedruckt ist. Gibt es eine Variante,
welche den Holzschnitt an der betreffenden Stelle (N 6) enthält?
z Holmes setzt ein Fragezeichen nach dem Namen des Nicolaus Bourbon. Dessen Identität wird aber durch das in seinen >Nugae* vorkommende
Holzschnittporträt völlig bestätigt.
s Erworben 1898 in der Auktion Liphart, Leipzig. Mit dem Wasserzeichen: Reichsapfel. 29X19 Vun Lippmann Hans Schwarz zuge-
schrieben, von andern sogar Hans Burgkmair.
Campbell Dodgson.