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»Elias ruft das Feuer vom Himmel herab«. (Kusel, Altes Testament, III. Abschnitt. PI. 4.)
Nach dem ersten Titel-
blatt folgt das Widmungsblatt
an Herzog Maximilian Philipp
von Bayern etc.,dessen Namen
in gotischen Kapitalen ge-
schrieben nur mühsam zu
buchstabieren ist; hierauf die
bescheidene Bitte des Künst-
lers, daß sein hochgeborner
Gönner, auf dessen »Gnädig-
stes Anbefehlen« das Werk
angefertigt worden, dieses
huldreich entgegennehme.
Und endlich das Vorwort an
das Publikum, das in die Seher
und in die Leser geschieden
wird, die »bei gegenwärtiger
schönerBilderbibel« beide auf
ihre Kosten kommen; denn
kann zwar »jedermann wer
nit blind ist Bilder und Ge-
mählde sehen, aber das Lesen
muß erst nach und nach er-
lehrnet werden«, so ist doch der Inhalt, wie es im weiteren Verlauf bei Besprechung des Textes heißt »ohne Er-
kandtnuss der Vers und Carminum, nit leicht zuerkennen«. Das Vorwort ist von einem dritten, M. Georgius Laub,
geschrieben, der sich im Lob des Stechers und des Poeten, Ioannes Crophius, keinen Zwang auferlegen muß. Melchior
Küsels Schwiegervater Matthäus Merian hatte gleichfalls eine Bilderbibel gestochen, deren Kupferplatten »wegen
Länge der Zeit und usierung in etwas erloschen« waren; zum Ersatz entschloß sich Küsel ein gleiches Unternehmen
zu beginnen. Um für seine Berechtigung einzustehen, müssen die bewährtesten Zeugen aus der klassischen und
christlichen Antike herbei. Zum Schluß wird auch noch jedes abfällige Urteil im vorhinein durch die Erzählung
gebannt: Der Maler Nicostratus stand lange schweigend vor des Zeuxis Bild der Helena; als jemand ihn verwundert
fragte, wie er das Bild so lange anschauen könne, antwortete er: non id nie rogares, si oculos meos haberes.
Küsel mußte die reiche Anzahl ihm zur Verfügung stehender Blätter erst für seine Zwecke umarbeiten; neben
der inhaltlichen Abänderung, die sich bei einigen notwendig zeigte, fand noch häufiger eine inhaltliche Ergänzung
statt, wenn er reine Landschaftsbilder wählte, in die er die biblischen Figuren erst hineinstaffieren mußte. Die Haupt-
veränderung aber, die er mit den Blättern vornahm, ergab sich aus dem invariablen Breitformat, in dem er alle Vor-
lagen unbekümmert um ihre ursprünglichen Maße wiedergab. Um sich aus der Verlegenheit zu helfen, versuchte er
verschiedene Mittel: am häufigsten ergänzt er die Landschaft oder die Figurenstaffage, indem er sich der Auffassung
des Vorbilds anzupassen sucht, bisweilen aber zerrt er die Komposition auseinander und füllt die so entstandenen
Löcher durch Wiederholung eines Motivs oder durch eingeschobene Mittelfiguren.
Aus der reichen oftmals von Küsel benutzten Quelle der zahlreichen Radierungen biblischen Inhalts von
Rembrandt sind drei Übernahmen ins Alte Testament für die Umarbeitung ins vorgeschriebene Format und für
die stilistische Abweichung vom Original charakteristisch. Im ersten Abschnitt, PI. 16, Abraham verstößt Hagar und
Ismael, ist die Hauptdarstellung, die die rechte Hälfte der Platte einnimmt, nach Rembrandts inhaltlich übereinstimmender
Radierung, B. 30, im Gegensinn1 gestochen; die ausführliche Ergänzung des palastartigen Hauses mit der durch-
brochenen Steinbalustrade, die eine aufdringliche Blumenvase trägt, die hohe mit schweren Trauben umkränzte
Loggia steht in sonderbarem Gegensatz zur Tür daneben mit dem einfachen Holzdach; am stärksten zeigt sich aber
der Abstand vom Original in der groben ausdruckslosen Figur der Sarah, verglichen mit jener Rembrandts, die nur
mit wenigen Strichen gezeichnet, sich aus der Umgebung kaum loslöst und doch so deutlich ihre Rolle spricht; ein
Ausblick ins Freie mit der Genrefigur eines Lastenträgers und eine Baumsilhouette schließen das Bild nach links zu ab.
PI. 20 im dritten Abschnitt, derTriumph des Mardochäus, ist nach Rembrandts inhaltsgleicher Radierung, B. 40 ;
auch dieses Breitbild mußte noch ein wenig ergänzt werden, das linke Ende bis zur Säule ist hinzugefügt; das ganze
Blatt führt die angedeutete Zeichnung der Vorlage detailliert aus, besonders auffällig ist dies bei dem aufgeputzten
Pärchen, das dem Schauspiel vom Balkon aus zusieht. Und doch hat das Blatt nicht alle Wirkung verloren, da durch
die als schwarze Silhouetten ergänzten Figuren ein Rest Kontrastschattens erhalten wird.
1 Küsel wiederholt die ihm vorliegenden Radierungen und Stiche fast durchwegs im Gegensinn.
»Elias ruft das Feuer vom Himmel herab«. (Kusel, Altes Testament, III. Abschnitt. PI. 4.)
Nach dem ersten Titel-
blatt folgt das Widmungsblatt
an Herzog Maximilian Philipp
von Bayern etc.,dessen Namen
in gotischen Kapitalen ge-
schrieben nur mühsam zu
buchstabieren ist; hierauf die
bescheidene Bitte des Künst-
lers, daß sein hochgeborner
Gönner, auf dessen »Gnädig-
stes Anbefehlen« das Werk
angefertigt worden, dieses
huldreich entgegennehme.
Und endlich das Vorwort an
das Publikum, das in die Seher
und in die Leser geschieden
wird, die »bei gegenwärtiger
schönerBilderbibel« beide auf
ihre Kosten kommen; denn
kann zwar »jedermann wer
nit blind ist Bilder und Ge-
mählde sehen, aber das Lesen
muß erst nach und nach er-
lehrnet werden«, so ist doch der Inhalt, wie es im weiteren Verlauf bei Besprechung des Textes heißt »ohne Er-
kandtnuss der Vers und Carminum, nit leicht zuerkennen«. Das Vorwort ist von einem dritten, M. Georgius Laub,
geschrieben, der sich im Lob des Stechers und des Poeten, Ioannes Crophius, keinen Zwang auferlegen muß. Melchior
Küsels Schwiegervater Matthäus Merian hatte gleichfalls eine Bilderbibel gestochen, deren Kupferplatten »wegen
Länge der Zeit und usierung in etwas erloschen« waren; zum Ersatz entschloß sich Küsel ein gleiches Unternehmen
zu beginnen. Um für seine Berechtigung einzustehen, müssen die bewährtesten Zeugen aus der klassischen und
christlichen Antike herbei. Zum Schluß wird auch noch jedes abfällige Urteil im vorhinein durch die Erzählung
gebannt: Der Maler Nicostratus stand lange schweigend vor des Zeuxis Bild der Helena; als jemand ihn verwundert
fragte, wie er das Bild so lange anschauen könne, antwortete er: non id nie rogares, si oculos meos haberes.
Küsel mußte die reiche Anzahl ihm zur Verfügung stehender Blätter erst für seine Zwecke umarbeiten; neben
der inhaltlichen Abänderung, die sich bei einigen notwendig zeigte, fand noch häufiger eine inhaltliche Ergänzung
statt, wenn er reine Landschaftsbilder wählte, in die er die biblischen Figuren erst hineinstaffieren mußte. Die Haupt-
veränderung aber, die er mit den Blättern vornahm, ergab sich aus dem invariablen Breitformat, in dem er alle Vor-
lagen unbekümmert um ihre ursprünglichen Maße wiedergab. Um sich aus der Verlegenheit zu helfen, versuchte er
verschiedene Mittel: am häufigsten ergänzt er die Landschaft oder die Figurenstaffage, indem er sich der Auffassung
des Vorbilds anzupassen sucht, bisweilen aber zerrt er die Komposition auseinander und füllt die so entstandenen
Löcher durch Wiederholung eines Motivs oder durch eingeschobene Mittelfiguren.
Aus der reichen oftmals von Küsel benutzten Quelle der zahlreichen Radierungen biblischen Inhalts von
Rembrandt sind drei Übernahmen ins Alte Testament für die Umarbeitung ins vorgeschriebene Format und für
die stilistische Abweichung vom Original charakteristisch. Im ersten Abschnitt, PI. 16, Abraham verstößt Hagar und
Ismael, ist die Hauptdarstellung, die die rechte Hälfte der Platte einnimmt, nach Rembrandts inhaltlich übereinstimmender
Radierung, B. 30, im Gegensinn1 gestochen; die ausführliche Ergänzung des palastartigen Hauses mit der durch-
brochenen Steinbalustrade, die eine aufdringliche Blumenvase trägt, die hohe mit schweren Trauben umkränzte
Loggia steht in sonderbarem Gegensatz zur Tür daneben mit dem einfachen Holzdach; am stärksten zeigt sich aber
der Abstand vom Original in der groben ausdruckslosen Figur der Sarah, verglichen mit jener Rembrandts, die nur
mit wenigen Strichen gezeichnet, sich aus der Umgebung kaum loslöst und doch so deutlich ihre Rolle spricht; ein
Ausblick ins Freie mit der Genrefigur eines Lastenträgers und eine Baumsilhouette schließen das Bild nach links zu ab.
PI. 20 im dritten Abschnitt, derTriumph des Mardochäus, ist nach Rembrandts inhaltsgleicher Radierung, B. 40 ;
auch dieses Breitbild mußte noch ein wenig ergänzt werden, das linke Ende bis zur Säule ist hinzugefügt; das ganze
Blatt führt die angedeutete Zeichnung der Vorlage detailliert aus, besonders auffällig ist dies bei dem aufgeputzten
Pärchen, das dem Schauspiel vom Balkon aus zusieht. Und doch hat das Blatt nicht alle Wirkung verloren, da durch
die als schwarze Silhouetten ergänzten Figuren ein Rest Kontrastschattens erhalten wird.
1 Küsel wiederholt die ihm vorliegenden Radierungen und Stiche fast durchwegs im Gegensinn.