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Eines der ersten Werke, die durch das neue Verfahren Ludwigs von Siegen entstanden, war das mit Recht viel
gerühmte Schabblatt des Prinzen Ruprecht von der Pfalz (1619 bis 1682), eines Dilettanten, dem Siegen seine
bisher streng geheim gehaltene Erfindung anvertraute: der sogenannte Fahnenjunker. Man hat in diesem prächtigen
Blatt lange Zeit das Porträt des Prinzen erblicken wollen, und zwar nach der einen Annahme ein Selbstporträt, nach
der anderen eine Kopie nach einem Bildnis G. Dous. Vergleichen wir dieses Schabkunstblatt mit dem oben
genannten Gemälde bei Schönborn in Wien, so sehen wir auf den ersten Blick, daß das erstere eine linksseitige Kopie
des Gemäldes ist. Bei näherer Vergleichung zeigen sich jedoch mehrere Abweichungen, und zwar hauptsächlich in
der Kleidung; so sind zum Beispiel die Ärmel vollständig verschieden. Man könnte daraus Schlüsse ziehen, etwa den,
daß der Prinz eine andere Vorlage gehabt habe, oder ähnliches. Ein gutes Schicksal hat uns jedoch vor einem solchen
Irrtum bewahrt; denn wir besitzen ein zweites Schabblatt Ruprechts, das nur den Kopf allein ohne den übrigen
Körper zeigt. Und da sehen wir den Ansatz des Ärmels genau so, wie ihn offenbar das Vorbild gehabt hat: mit
dem Kettenpanzer. Es ist also ganz klar, daß Ruprecht nach diesem Gemälde gearbeitet hat.
Der Teil des Blattes, der für eine Untersuchung, wer der Meister des Wiener Porträts ist, die größte Wichtigkeit
hat, ist die Aufschrift in der Ecke rechts oben, die den Namen des »Inventars« enthält. Bekanntlich halten sich die
Platten, die in der schwarzen
Kunst verwendet werden, in-
folge ihrer samtartigen Ober-
fläche äußerst schlecht, so daß
auch nur etwas spätere Drucke
ganz flach in der Modellierung
und unscharf sind. Nun hat
sicher schon Ruprecht diese
Aufschrift nicht allzu deut-
lich angebracht, so daß wir in
den Drucken der Albertina, die
dieser Studie zugrunde liegen,
lediglich auf Konjekturen ange-
wiesen sind. Schon Sandrart
in der »Teutschen Akademie«
äußert Zweifel darüber, wie die
Schrift zu lesen sei, ebenso
Evelyn; diese deuten sie beide
auf Giorgione, Nagler schwankt
zwischen Gerrit Dou und Gior-
gione, Laborde endlich weist die
Lesart »G. Dou« zurück und
glaubt ebenfalls, Giorgione lesen
zu müssen. Deutlich lesbar sind
in den Exemplaren der Albertina
nur die Buchstaben »G do ...«.
Prinz Ruprecht von der Pfalz.
Schabkunstblatt von W. Vaillant (W. 55).
Es läßt sich aber noch etwas
feststellen, nämlich, wer der Dar-
gestellte auf dem Schönborn-
schen Bilde und auf dem Schab-
blatte Ruprechts ist. Dies wird
sofort klar, wenn wir ein Schab-
blatt WallerantVaillants' (VV.55)
heranziehen, das die Aufschrift
trägt: Prins Robbert, vinder van
de Swarte Prent Konst. Dieses
Blatt weist genau denselben
Gesichtsschnitt, dieselbe Nasen-
form, dieselbe Lage der Augen-
brauen, dieselben wulstigen
Lippen auf wie das Porträt bei
Schönborn und das Schabblatt
Ruprechts, das auch von Vaillant
(W. 53), und zwar gleichseitig
kopiert wurde,'- woraus sich
manche Ähnlichkeit zwischen
Ruprechts Blatt und VV. 55 er-
klären läßt.3
Wenn nun das Schön-
bornsche Porträt den Prinzen
Ruprecht von der Pfalz darstellt,
ist damit nicht auch seine
Provenienz festgestellt? In den Jahren 1657 bis 1660* war Ruprecht bei Johann Philipp von Schönborn •> in Würzburg,
der Fahnenjunker ist mit 1658 bezeichnet, Johann Philipp war ein großer Kunstliebhaber, die Schönborn-Buchheimsche
Galerie in Wien setzt sich noch immer teilweise aus den Schätzen der vom Reichsvizekanzler Friedrich Karl von
Schönbom von Würzburg nach Wien gebrachten erzbischöflichen Galerie zusammen,6 all dies läßt vermuten, leider
ohne daß ich dafür dokumentarische Beweise beibringen kann, daß Ruprecht sein Jugendporträt, nach dem er das
Schabblatt gefertigt hat, dem Erzbischof Johann Philipp von Schönborn als Geschenk oder aus irgend einem anderen
Grunde gelassen hat und daß es auf diesem Wege in die Schönborn-Buchheimsche Galerie gelangt ist.
i I. E. Wessely, Wallerant Vaillant, 2. Auflage, Wien 1381.
^ Daß es nicht direkt nach dem Schönbomschen Porträt gearbeitet ist, das beweisen die schon in Ruprechts Schabblatt vorgenommenen
Änderungen, die Vaillant übernimmt. Auch dieses Blatt dürfte aus den im II. Abschnitt angeführten Gründen erst 1658 anzusetzen sein.
3 Merkwürdig ist, daß derselbe Wessely, der W. 53 als Porträt Ruprechts anspricht, ein Jahr darauf in seinen »Klassikern der Malerei-
das Vorbild für Ruprechts Blatt und daher auch für W. 53 bei Giorgione sucht.
4 Siehe Eliot Warburton, Prince Rupert and the Cavaliers, London 1849.
■"> Siehe über diese interessante Persönlichkeit Mentz, Johann Philipp von Schönborn, Jena 1896—99 und Wild, Johann Philipp von Schönborr,
der deutsche Salomo, Heidelberg.
s Siehe Meusel, Miscellaneen artistischen Inhaltes, 1781, Heft VI, Seite 32.
Eines der ersten Werke, die durch das neue Verfahren Ludwigs von Siegen entstanden, war das mit Recht viel
gerühmte Schabblatt des Prinzen Ruprecht von der Pfalz (1619 bis 1682), eines Dilettanten, dem Siegen seine
bisher streng geheim gehaltene Erfindung anvertraute: der sogenannte Fahnenjunker. Man hat in diesem prächtigen
Blatt lange Zeit das Porträt des Prinzen erblicken wollen, und zwar nach der einen Annahme ein Selbstporträt, nach
der anderen eine Kopie nach einem Bildnis G. Dous. Vergleichen wir dieses Schabkunstblatt mit dem oben
genannten Gemälde bei Schönborn in Wien, so sehen wir auf den ersten Blick, daß das erstere eine linksseitige Kopie
des Gemäldes ist. Bei näherer Vergleichung zeigen sich jedoch mehrere Abweichungen, und zwar hauptsächlich in
der Kleidung; so sind zum Beispiel die Ärmel vollständig verschieden. Man könnte daraus Schlüsse ziehen, etwa den,
daß der Prinz eine andere Vorlage gehabt habe, oder ähnliches. Ein gutes Schicksal hat uns jedoch vor einem solchen
Irrtum bewahrt; denn wir besitzen ein zweites Schabblatt Ruprechts, das nur den Kopf allein ohne den übrigen
Körper zeigt. Und da sehen wir den Ansatz des Ärmels genau so, wie ihn offenbar das Vorbild gehabt hat: mit
dem Kettenpanzer. Es ist also ganz klar, daß Ruprecht nach diesem Gemälde gearbeitet hat.
Der Teil des Blattes, der für eine Untersuchung, wer der Meister des Wiener Porträts ist, die größte Wichtigkeit
hat, ist die Aufschrift in der Ecke rechts oben, die den Namen des »Inventars« enthält. Bekanntlich halten sich die
Platten, die in der schwarzen
Kunst verwendet werden, in-
folge ihrer samtartigen Ober-
fläche äußerst schlecht, so daß
auch nur etwas spätere Drucke
ganz flach in der Modellierung
und unscharf sind. Nun hat
sicher schon Ruprecht diese
Aufschrift nicht allzu deut-
lich angebracht, so daß wir in
den Drucken der Albertina, die
dieser Studie zugrunde liegen,
lediglich auf Konjekturen ange-
wiesen sind. Schon Sandrart
in der »Teutschen Akademie«
äußert Zweifel darüber, wie die
Schrift zu lesen sei, ebenso
Evelyn; diese deuten sie beide
auf Giorgione, Nagler schwankt
zwischen Gerrit Dou und Gior-
gione, Laborde endlich weist die
Lesart »G. Dou« zurück und
glaubt ebenfalls, Giorgione lesen
zu müssen. Deutlich lesbar sind
in den Exemplaren der Albertina
nur die Buchstaben »G do ...«.
Prinz Ruprecht von der Pfalz.
Schabkunstblatt von W. Vaillant (W. 55).
Es läßt sich aber noch etwas
feststellen, nämlich, wer der Dar-
gestellte auf dem Schönborn-
schen Bilde und auf dem Schab-
blatte Ruprechts ist. Dies wird
sofort klar, wenn wir ein Schab-
blatt WallerantVaillants' (VV.55)
heranziehen, das die Aufschrift
trägt: Prins Robbert, vinder van
de Swarte Prent Konst. Dieses
Blatt weist genau denselben
Gesichtsschnitt, dieselbe Nasen-
form, dieselbe Lage der Augen-
brauen, dieselben wulstigen
Lippen auf wie das Porträt bei
Schönborn und das Schabblatt
Ruprechts, das auch von Vaillant
(W. 53), und zwar gleichseitig
kopiert wurde,'- woraus sich
manche Ähnlichkeit zwischen
Ruprechts Blatt und VV. 55 er-
klären läßt.3
Wenn nun das Schön-
bornsche Porträt den Prinzen
Ruprecht von der Pfalz darstellt,
ist damit nicht auch seine
Provenienz festgestellt? In den Jahren 1657 bis 1660* war Ruprecht bei Johann Philipp von Schönborn •> in Würzburg,
der Fahnenjunker ist mit 1658 bezeichnet, Johann Philipp war ein großer Kunstliebhaber, die Schönborn-Buchheimsche
Galerie in Wien setzt sich noch immer teilweise aus den Schätzen der vom Reichsvizekanzler Friedrich Karl von
Schönbom von Würzburg nach Wien gebrachten erzbischöflichen Galerie zusammen,6 all dies läßt vermuten, leider
ohne daß ich dafür dokumentarische Beweise beibringen kann, daß Ruprecht sein Jugendporträt, nach dem er das
Schabblatt gefertigt hat, dem Erzbischof Johann Philipp von Schönborn als Geschenk oder aus irgend einem anderen
Grunde gelassen hat und daß es auf diesem Wege in die Schönborn-Buchheimsche Galerie gelangt ist.
i I. E. Wessely, Wallerant Vaillant, 2. Auflage, Wien 1381.
^ Daß es nicht direkt nach dem Schönbomschen Porträt gearbeitet ist, das beweisen die schon in Ruprechts Schabblatt vorgenommenen
Änderungen, die Vaillant übernimmt. Auch dieses Blatt dürfte aus den im II. Abschnitt angeführten Gründen erst 1658 anzusetzen sein.
3 Merkwürdig ist, daß derselbe Wessely, der W. 53 als Porträt Ruprechts anspricht, ein Jahr darauf in seinen »Klassikern der Malerei-
das Vorbild für Ruprechts Blatt und daher auch für W. 53 bei Giorgione sucht.
4 Siehe Eliot Warburton, Prince Rupert and the Cavaliers, London 1849.
■"> Siehe über diese interessante Persönlichkeit Mentz, Johann Philipp von Schönborn, Jena 1896—99 und Wild, Johann Philipp von Schönborr,
der deutsche Salomo, Heidelberg.
s Siehe Meusel, Miscellaneen artistischen Inhaltes, 1781, Heft VI, Seite 32.