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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.4233#0055
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die erwähnten beiden Blätter stilistisch vollständig
heraus. Das eine (fol. 1 8 b) stellt »Ptolemaeus« dar,
der von der »Astronomia« zur Beobachtung der Ge-
stirne angeleitet wird, das andre (fol. p 3 a) zeigt die
Figur eines Aderlaßmannes. Diese beiden Holzschnitte
sind ohne Zweifel Arbeiten Urs Grafs, aber als solche,
so viel ich weiß, noch nicht beachtet worden *. Die Ver-
gleichung mit den .Passionsholzschnitten, besonders
mit dem Bilde: Christus bei Martha und Magdalena und
mit der Handwaschung Pilati, ist, wie ich glaube, über-
zeugend. Man braucht nur die Gesichter und die
Zeichnung der Hände zu betrachten; auch der Stil des
Schnittes ist der gleiche.

Diese Feststellung ist vielleicht nicht ganz ohne
Interesse, weil wir in diesen Arbeiten die frühesten uns
erhaltenen oder bisher bekannten Zeichnungen Urs
Grafs für den Holzschnitt vor uns haben. Das oben er-
wähnte Datum 1503 auf einem der Passionsholz-
schnitte muß den Beginn der Arbeit Urs Grafs an
dieser Folge bezeichnen, da der Verfasser des Textes
Matthäus Ringmann Philesius erst 1503 zum ersten
Male nach Straßburg gekommen ist. Der Druck des
umfangreichen Werkes Gregor Reischs ist vor dem
20. Juli 1503 (citra festum Margarete) vollendet worden,
die Holzstöcke müssen also schon einige Zeit vorher
fertig bereit gelegen haben. Urs Grafs Zeichnungen für
jene beiden Holzschnitte werden demnach spätestens
1503 ausgeführt worden sein, also gleichzeitig mit
den ersten Bildern der Passion, wenn nicht, wie
wahrscheinlich, vor ihnen. Daß aber der junge Künstler
erst sozusagen in letzter Stunde zur Illustration der Margarita philosophica herangezogen worden ist, mag man aus
einem dritten Holzschnitt seiner Hand, der erst in der zweiten, im März 1504 von Johann Schott in Straßburg gedruckten
Ausgabe des Buches Verwendung gefunden hat, also beim Druck der ersten wohl noch nicht fertig gestellt war, schließen.
Es ist der »Typus Geometrie« (fol. p 6 b). Die Gestalt der in Modetracht mit Federbarett geschmückt am Tische sitzenden
Geometrie zeigt meiner Meinung nach so deutlich Urs Grafs Stil und seine Art der Komposition, daß es der Worte
wohl nicht bedarf, um diese Zuschreibung annehmbar zu machen.

Der Augenschein würde zu einer so frühen Datierung der Grafschen Holzschnitte für die Margarita philosophica
nicht führen. Besonders der Ptolemaeus macht einen viel erfreulicheren Eindruck und scheint mehr Geschick und
größere Freiheit der Zeichnung zu verraten als die Darstellungen der Passion. Der Unterschied ist aber nicht sehr groß.
Die ansprechendere Wirkung mag in der größeren Einfachheit der Darstellung, in der Ruhe der Gestalten und
auch in der sorgfältigeren, weicheren Arbeit des Holzschneiders ihre Ursachen haben. In der Passion hat der Anfänger
einen erbitterten Kampf zu führen mit allen Schwierigkeiten der Perspektive, der Proportionsgesetze, der Raum-
und Formgestaltung. Ein Gelingen zeigt sich hier fast immer nur in einzelnen Gestalten, deren Physiognomien und
Bewegungen der junge Künstler frisch nach dem Leben wiederzugeben sich bemüht hat.

Aus den drei Holzschnitten Urs Grafs für Reischs Margarita philosophica, deren Einfügung in sein Werk ich
vorschlage, lernen wir freilich nichts Neues und Wichtiges über seine Kunst und sein Leben. Sie bilden nur eine
willkommene Bereicherung seiner wenig zahlreichen Jugendarbeiten und eine Bestätigung dafür, daß Urs Graf tat-
sächlich der Zeichner der Passionsbilder ist. Sie zeigen uns aber auch an einem interessanten Beispiel, wie der Stil
der monumentalen Kunst in der Buchillustration Eingang findet, den mechanischen, handwerklichen Betrieb der
Kartenmaler und professionellen Formschneider aus diesem Gebiet verdrängt und ihre Tätigkeit auf das rein Technische
der Holzschneidearbeit beschränkt.

Paul Kristeller.

i Der Verfasser des Katalogs 500 der Josef Baerschen Buchhandlung in Frankfurt hebt unter Nr. 1109, p. 289 das Bild des Ptolemaeus hervor,
schreibt es aber irrtümlich dem Meister D S. zu, dessen Werken es wohl verwandt, aber nicht entfernt ebenbürtig ist.
 
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