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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.4233#0059
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wurden und besonders der vorausgehenden Kunst des Donaugebiets mehr Beachtung zu teil wurde. Allein wir würden
in den umgekehrten Fehler verfallen, wollten wir uns den Wechselbeziehungen zwischen der Donaugegend und
Franken ganz entziehen. Schon Furtmeyr verdankte, wie ich glaube und seinerzeit ausgesprochen habe, seine
Kenntnis niederländischer Kunst im wesentlichen der Vermittlung durch Wolgemut und dessen Richtung; so wird
auch Altdorfer durch fränkische und fränkisch böeinflußte Kunst (M. Z.) angeregt und andre Meister, wie besonders
Wolf Huber, haben Dürers Graphik in ausgiebiger Weise verwertet — ein Faktum, das freilich erst nach und nach so
recht bekannt geworden und noch von keiner Seite gebührend hervorgehoben ist.

Was aber wichtiger als diese Beziehungen ist, die man allenfalls als gelegentliche »Entlehnungen« ansprechen
könnte, ist die Tatsache, daß es sich um ausgeprägte Wechselbeziehungen zwischen Nürnberg und den Meistern
der Donaurenaissance handelt, bei denen die nachdürerischen »Kleinmeister« wie H. S. Beham und die von ihnen
Angeregten nicht weniger empfangend waren als die Leute von der Donau1.

Und wirklich ist der Einfluß Altdorfers auf H. S Beham nicht unbemerkt geblieben. Während jedoch v. Seidlitz in
Meyers Künstlerlexikon von einer starken Wirkung spricht, drängt Pauli diese in seinem »Beham« (Seite 8) auf ein
Minimum zurück und betont um so nachdrücklicher die Bedeutung Dürers. Direkte Anklänge findet er in den beiden
kleinen radierten Blättern des Hans Sebald (P. 22, 23) mit der Begegnung Joachims und Annas und der Verkün-
digung an Joachim sowie dem Stich (P. 66): Hieronymus am Torbogen. In der Figur des letzteren Blattes ist Alt-
dorfers Hieronymus, B. 22, nachgeahmt; die beiden Marienlegendenszenen sind den entsprechenden Holzschnitten aus
der Passionsfolge, B. 4 und 5, nachgebildet.

Diese ganz unverkennbaren Anlehnun-
gen fallen in das Jahr 1520, das heißt in den
Anfang der Tätigkeit beider Brüder. Man
könnte vielleicht über sie hinweggehen, wenn
sich mit ihnen nicht andre Indizien der Ein-
wirkung der Donauschule verbänden. Die
technische Behandlung dieser Blätter, die
Zeichnung der Vegetation, die Freiheit des
Räumlichen, die kühne asymmetrische Kom-
position und das kleine Format mit den
kleinen Figuren konnten nur an den Radie-
rungen des Regensburger Meisters und den
zahlreichen Zeichnungen seines Kreises
studiert werden -.

Auch in andern graphischen Arbeiten
H. S. Behams aus jener Zeit sind diese An-
regungen deutlich wahrzunehmen, so in dem
mit Altdorfer verglichen, seine eigene Nuance in der Landsknechtdarstellung: während der feinsinnige Regensburger
das Ritterliche, das Siegfriedhafte, wenn man so will, hervorhebt, gibt Huber die ungeschminkte Wirklichkeit mit der
Freude an dem Ungebändigten, die bei ihm, dem gebürtigen Vorarlberger, an die gleichzeitigen Schweizer wie Urs
Graf denken läßt. Eigentümlich sind bei Huber ferner die martialischen Haltungen, die kühnen Bewegungen und die
sonderbar proportionierten (meist überlangen, beziehungsweise mikrozephalen) Figuren: alles Kennzeichen, die auf
den beiden Beham-Blättern wiederkehren. Auch in Zeichnungen hat Huber das Thema der Landsknechte behandelt,
und bei der außerordentlichen Verbreitung seiner Blätter (die noch heute in zahllosen gleichzeitigen Kopien vorhanden

1 Wie weit schon die unmittelbaren Dürer-Schüler Einflüsse von Altdorfer aufgenommen haben, bleibe vorläufig noch dahingestellt. Doch ist an
der Einwirkung Altdorferscher Holzschnitte auf Hans Springinklee meines Erachtens kaum zu zweifeln. Während in der Darstellung des Figürlichen das
Dürersche Element überwiegt, weist das Landschaftliche häufig Züge auf, die in der Nürnberger Schule vor 1520 nicht vorkommen und nur als direkte
Altdorfer-Nachbildungen aufzufassen sind: die bekannten aus den Mauerritzen hervorquellenden Bäume, Gräser und Hängebüsche mit den charak-
teristischen Ausziehern der Zweige, die allein ein genügendes Zeugnis für die Kenntnis der Donaugraphik geben. (Siehe B. 51, Geburt Christi.)
Der bekannte Helldunkelstil der Holzschnitte von 1511 bis 1514 erscheint nachgeahmt in B. 7, dem Ölberg aus dem »Hortulus animae« von 1519
(Dodgson, Catalogue of early German and Flemish woodcuts, Seite 387, Nr. 18), wo die eigentümliche Form der Sonnenellipse mit den Strahlen un-
mittelbar an den Donaustil, zumal an Hubersche Holzschnitte, gemahnt. (Vergleiche auch den Ansatz der Zweige!) Der heilige Sebastian (B. 38;
Dodgson 1. c, Seite 386, Nr. 39), in den Formen durchaus dürerisch, verrät doch in der gewählten Untersicht und der starken Abschneidung des
Bogenschützen durch den unteren Rand (nur Kopf und Arm sichtbar) die Kenntnis Altdorferscher Perspektive. Bei E. Schön und W. Traut finde
ich nichts, das auf Regensburger Einfluß hinwiese.

~ Das gilt vorwiegend von dem jüngeren Beham. Bartel Behams Entwicklung unterlag, wie G. Pauli hier (1905, Seite 41 ff.) ausgeführt hat,
andern Entwicklungsbedingungen. Wenig von Altdorfers spezieller Art ist auf ihn übergegangen. Nur das eine ihm von Bartsch seinerzeit aberkannte
Blatt, Band X, Seite 147, 11 von 1520, das ihm neuerdings wieder zugesprochen wird, verrät mehr als oberflächliche Beziehung zu Regensburg. Die
malerisch andeutende Behandlung des Blattes, das Vegetabile in seiner Feinheit, die kecke Pose und das »romantische« Kostüm gemahnt an Altdorfer
und vielleicht noch mehr an Hubers gleich zu erwähnende Holzschnitte.

Hans Sebald Beham, Verkün-
digung des Engels an Joachim.
P. 23. Radierung.

»Fähnrich«, P. 201, von 1519, der durch Alt-
dorfers Stich, B. 52, beeinflußt scheint, ferner
in zwei Landsknechtradierungen von 1520,
P. 205 und 206, von denen die erste als
Unikum in Koburg existiert (abgebildet in
Paulis Inkunabeln der Radierung). Wie ich
glaube, kannte H. S. Beham nicht nur Alt-
dorfer, sondern auch Holzschnitte und Zeich-
nungen von Wolf Hub er. Dafür sprechen
besonders diese beiden Landsknechtfiguren,
zumal der sich bückende, der die Schlange
mit der Hand würgt. Tracht, Haltung und
Auffassung entspricht außerordentlich den
beiden bekannten Holzschnitten Hubers, von
denen der eine (Unikum; Basel) bei Muther,
Meisterholzschnitte, abgebildet, der andre (bei
Mr. Huth) von C. Dodgson publiziert worden
ist (Burlington Magazine, X). Huber besitzt,
 
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