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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.4226#0005
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MITTEILUNGEN

DER

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.

BEILAGE DER „GRAPHISCHEN KÜNSTE".

1911. WIEN. Nr. 1.

Studien und Forschungen.

Zwei Handzeichnungen van Dycks von seiner italienischen Reise.

Außer den Skizzenbuchzeichnungen van Dycks, welche der Künstler während seiner italienischen Reise (zirka
1621 bis 1627) meist nach Gemälden der großen Cinquecento-Meister teils zum Studium, teils zur Erinnerung in
äußerst flüchtiger Weise anfertigte,1 haben sich nur vereinzelt Zeichnungen erhalten, welche uns eine Aufklärung
über seine selbständige Tätigkeit geben können, insbesondere über sein reiches Schaffen auf dem Gebiete der
Porträtmalerei in Genua und Rom. Es darf uns dies nicht besonders verwundern, weil Porträtzeichnungen als Vorlagen
zu Bildnissen ja überhaupt selten sind, da fast von allen berühmten Porträtisten des XVII. Jahrhunderts die vorberei-
tenden Studien direkt auf die Leinwand gesetzt wurden, allenfalsige Kreide- oder Wasserfarbenentwürfe als minder-
wertige und uninteressante Überbleibsel verworien wurden.

Wir sind heute freilich anderer Anschauung und freuen uns über jeden neuen Fund, der, wenn auch noch so
bescheiden, das (Euvre eines großen Meisters mitaufbauen hilft. Meines Wissens gab es bisher aus der genuesischen
Glanzperiode van Dycks nur eine einzige Bildniszeichnung, welche einen Kompositionsentwurf für eine Genueser
Dame mit zwei Kindern darstellt und sich heute in Lille befindet.- Diese flotte, dünnflüssige Pinselskizze zeigt uns
den Typus seiner so charakteristischen Porträte aus der ligurischen Dogenstadt, überlange Figuren vor gewundenen
Säulen und reich fallender Draperie mit einem Seitenblick in einen der prunkvollen Gärten.

Unmittelbar an diese Studie ist jene der »Albertina« (Abb. 1) anzureihen, welche nicht nur in dieselbe Zeit
und denselben Ort fällt, sondern ihr auch in der lebendigen Behandlung gleicht, außerdem aber noch den Vorzug
besitzt, neben ihrer Echtheit das heute in Genua befindliche ausgeführte Porträt zum Vergleiche zu haben.

Eine Revision der spanischen Zeichnungen in der »Albertina«, welche hier wie fast überall die merkwürdigsten
Attributionen aufweisen und noch der eingehenden Bearbeitung harren, ergab unter dem Namen Velazquez eine
männliche Porträtzeichnung, welche teils durch ihre Faktur, teils durch die Kompositionsweise die Hand van Dycks
erkennen ließ.3 Die breite flotte Pinselführung in gelber Farbe, die Schlankheit der Figur mit den langen spitzen
Fingern, die Haltung und die pompöse Drapierung sprachen für Genueser Abkunft.

Bei dem weiteren Forschen nach dem Bilde konnte mich Dr. Suida, der damals gerade von Genua zurückgekehrt
war, in der günstigsten Weise unterstützen, indem er mir einen photographischen Beleg des dazugehörigen Bildes
aus dem Palazzo Rosso in Genua (Abb. 2) zur Verfügung stellte.*

Dieser Vergleich bestätigte neuerdings die Autorschaft: van Dyck, Ritratto di giovane ignoto (Brogi 11.599).

i Lionel Cust, A Description of the Sketchbook by S. Anthony van Dyck, 1621 — 1627, London 1902.

• Abgebildet: Archivio storico 1897, p. 463 zu dem Artikel: M. Menotti, Van Dyck a Genova, und Klassiker der Kunst: van Dyck, S. XXIV.
Wahrscheinlich als erste Studie zu dem freilich völlig umgeänderten Familienbildnis der Marchesa Catalina Durazzo-Adorno mit ihren zwei Kindern.
Vgl. in dem letzten Werke Tafel S. 180.

' Inv.-Nr. 13.078, mit der Sammlermarke Moriz Graf Fries. Links unten eine spätere Notiz: Don Diego Velasquez. Die Ausführung zeigt eine
der Liller Zeichnung gleiche Hotte Pinseltechnik in Bister, nur wenig Tuschlavierungen im Hintergrunde. Größe 22-3 X 16'5 cm.

* Abgebildet auch im Archivio storico 1897, p. 377, zu dem Artikel: Mario Menotti, Van Dyck a Genova daselbst als ein Mitglied der
Familie Spinola bezeichnet.
 
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