Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1911

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4226#0049
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Karl Thyi.

7 ~~ August:
ibb.

;t'' Ra%-vo„
Te« dazu
Designer.

■King

MITTEILUNGEN

DER

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.

BEILAGE DER „GRAPHISCHEN KÜNSTE".

1911.

WIEN.

Nr. 3.

Studien und Forschungen.

Zum Meister von 1515.

Humoristes.

peintre:

Der Meister von 1515, Madonna auf Wolken. Kupferstich.
München, Königliche Graphische Sammlung.

Ein eigenartiger Kauz unter den frühen italienischen
Stechern1 ist der Meister von 1515. Seine Phantasie brütet —
oft in Anlehnung an antike Satyrspässe — schnurrige Einfälle
aus, die er uns in geschickter, aber oberflächlicher Zeichnungs-
weise verabfolgt.

Das Merkwürdigste jedoch ist seine Schattengebung. Er
ist wohl der Erste, der die Bedeutung der im XVII. Jahrhundert
so beliebten Helldunkelwirkungen erkannt hat. Er modelliert
seine Körper durch hartes Nebeneinandersetzen von hellsten
Lichtern und schwärzesten Schatten oder zeigt sie in vollem
Lichte auf dem Hintergrund einer geschlossenen Schattenwand.
In letzterem Falle ahmt er Mantegna nach, der diese Weise
zuerst, aber ohne die effektvolle Herausarbeitung einer grellen
Beleuchtung, angewandt hat.

Auch seine Technik wächst aus dem von Mantegna
bereiteten Boden hervor. Ein unvollendeter Stich »Die Reiter-
statue mit der allegorischen Frauengestalt im Vordergrund«
(B. 18) gewährt uns Einblick in seine Arbeitsart: Er legt den
Umriß fest mit sauberen, ziemlich kräftigen Linien und fügt die
Schatten durch enge, schräg laufende Parallelschraffierungen
ein. Eine weitere Entwicklung — wie sie sich übrigens allge-
mein in der Zeit nach Mantegnas Tode und oft innerhalb des
Werdeganges eines Meisters vollzieht — bedeutet dann die
Rundung der Schattenlinien entsprechend dem Umrisse und
die Verwendung von Kreuzlagen; vergleiche: »Satyrfamilie
mit dem geigenden Satyr« (B. 10), »Die kleine Kleopatra« mit
der Jahreszahl 1515S(B.12), »Das Glück«"' (B.13), »Satyrfamilie
mit dem flötenden Satyr« (P. 39). »Der Reiter« s (P. 40). In dem

1 Vielleicht haben wir es auch mit einem deutschen Meister zu tun, der
unter italienischem Einfluß stand; er verwendet nämlich, nach dem häufig
vorkommenden Bären-Wasserzeichen zu schließen, deutsches (schweizerisches)
Papier. Vgl. Hind: Catalogue of early Italian engravings 553/554.

2 Nach diesem Stich hat Bartsch den Meister getauft.

3 Aut die Verwandtschaft mit Dürers »Glück« (B. 77) und dem »Kleinen
Kurier« (B. 80) sei hier kurz hingewiesen.
 
Annotationen