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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.4226#0007
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Abb. 3. Van Dyck, Zeichnung nach Caravaggio (Albertina).

Abb. 4. Caravaggio, Tod der Jungfrau (Louvre).

welche sein Interesse fesselten. Aber ihre fleißige Durchführung, das gewissenhafte Kolorieren vor dem Originale hat
vor den sonst nur notizenhaften Skizzen des Chatsworther Tagebuches manches voraus und verdient eine etwas
eingehende Behandlung, zumal auch die Vorlage der Zeichnung, das in jenen Tagen so vielfach verrufene und doch
wieder von Kunstfreunden hochgeschätzte Werk Caravaggios, dadurch in einem neuen Licht erscheint.

Wie bei so vielen Zeichnungen alter Meister war auch für die in Abb. 3 reproduzierte bisher die irreführende
Meinung maßgebend, daß sie von Michelangelo da Caravaggio herrühren müsse, weil sie mit dem im Louvre
befindlichen Gemälde (Abb. 4) dieses Meisters1 vollkommen übereinstimme. Unter diesem Namen tauchte sie auch im
Handel auf - Aber eben diese exakte Übereinstimmung, ohne jede Korrektur und Pentimente, ohne die freie Willkür des
Linienflusses, mußte Caravaggio ausschließen und aul einen Kopisten hinführen, freilich einen Kopisten von
seltener Gewandtheit und Sicherheit. Trotz der italienischen Formen, welche der Komposition angehören, spricht aus
jeder Figur der Geist eines nordischen Künstlers, die uns durch so viele Zeichnungen bekannte charakteristische
Handschrift des jugendlichen van Dyck. Kopftypen, wie zum Beispiel jener vierte vom linken Rande herein, sich nach
unten verjüngend, mit einer großen Stirn und eingedrückter Nase, den scharfeckig abbiegenden Augenbrauen mit den
darunterliegenden Schatten sind für ihn bezeichnend. Außer dem gleichfalls nur auf van Dyck weisenden Kopfe des zur
äußersten Rechten stehenden Apostels führe ich noch die Bildung der Hände, die vereinzelten lockeren Parallelstriche,
meist vertikal laufend, sowie die unvermittelten Licht- und Schattenwirkungen an, um die Autorschaft des flämischen
Künstlers außer Zweifel zu setzen. Die Technik der Handzeichnung, fast durchweg mit dünnflüssigem Braun und mit
spitzem Pinsel gearbeitet, ist ihm erst recht eigen. Die Kolorierung, alt und echt und mit derselben Patina versehen wie die
Konturlinien, stimmt, wie uns viele andere Studien jener Zeit beweisen, gleichfalls mit seiner Zeichenweise überein,

1 Lafenestre et Richtenbeiger, Le musee national du Louvre, p. 110, Nr. 1121. Gestochen von Simon Vallee, Henry Laurent u. Ciaessens.
' Aukt. Gilhofer u. Ranschburg 1908. Nr. 33. Daselbst von der »Albertina« erworben. Pinselzeichnung in Braun, und zwar ganz dem
Gemälde entsprechend farbig laviert.
 
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