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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.4226#0061
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Zur Technik des japanischen Holzschnittes.

Ein Brief an die Redaktion.

Seit Jahren bemühe ich mich, wie Sie wissen, allerlei Einzelheiten japanischer Holzschnittechnik auf den Grund
zu kommen, konnte dabei aber bisher nur die spärliche Literatur und die Drucke selbst zu Rate ziehen. Sie können
sich nun meine Freude denken, als ich auf der für Freunde japanischer Kunst äußerst belehrenden »Japan-British
Exhibition« in Shepherds Bush, London, eine vollständige Werkstatt japanischer Holzschneidekunst vorfand. Meine
eigene, leider annoch sehr mangelhafte Ausdrucksfähigkeit im Japanischen wurde durch die mit großer Sachkunde
verbundene Sprachgewandtheit des Fräuleins Mathilde Boyes aus Bremen so erfolgreich unterstützt, daß es uns
gelang, die Druckkünstler unseren Wünschen, ihr Verfahren durch Anschauung kennen zu lernen, geneigt zu machen.
Es ist bekanntlich ein besonderer Genuß, mit diesem so liebenswürdigen wie gescheiten Volke zu verkehren, wenn
man ihm nur Sympathie und Interesse entgegenbringt; so haben wir denn heute einige fröhliche Stunden verlebt, in
denen wir vollen Aufschluß erhielten über nahezu alle die Fragen, die mich interessierten, und manche Hypothese ist
mir nunmehr Gewißheit geworden. Darüber will ich Ihnen historisch berichten.

An der Peripherie der riesigen »White City« zu Shepherds Bush befindet sich »Fair Japan«, die Nachbildung
einer japanischen Straße, in deren Häusern die verschiedensten Handwerker ihr Gewerbe ausüben. In dem großen
Hauptraum eines Hauses sind die Holzschnittkünstler untergebracht, vier an der Zahl. Hier hockt, vom Beschauer
aus links, der erste Arbeiter, der Zeichner, ein intelligent aussehender, bebrillter Mann in den Dreißigern, hinter
seinem Tischchen. Ihm zur Linken hat der Drucker seinen Platz, ein jovialer, etwas älterer Genosse vom Typus des
erfahrenen Handwerkers, vor diesem, der Front am nächsten, ein Jüngling, der Holzschneider, hinter ihm, als letzter
der kleinen Reihe, der »Färber«, das heißt derjenige, der die einzelnen Farben der bunten Vorlage in die »Vordrucke«
für die Verfertigung der Farbplatten einträgt, ebenfalls fast noch ein Knabe. Die Hauptpersonen sind jedenfalls
Zeichner und Drucker.

Das ganze Verfahren, das wir in allen Einzelheiten beobachten konnten, entwickelt sich nun in folgender Weise.
Handelt es sich um einen ein-
fachen Schwarzweißdruck, so klebt der

Zeichner sein Werk, die Bildseite nach /
unten, direkt auf den Holzstock mit
einer kleinen Portion Reiskleister, die
er mit der Handfläche auf dem Stocke
gleichmäßig verreibt. Das Papier ist
durchsichtig genug, daß der Holz-
schneider ohne weitere Ölung oder
Abreibung die Umrisse der Pinsel-
zeichnung, wenn diese nicht zu
kompliziert ist, in der bekannten
Weise (siehe Tokuno's Darstellung)
umschneiden kann und dann ist die
Platte druckfertig. Anders verhält sich
die Sache, wenn es sich um ein
Aquarell handelt. Das wandert zu-
nächst zum »Färber«. Dieser legt ein
zweites durchsichtiges Blatt, »Mino-
gami«, darauf undzeichnetmitdem
Pinsel die Umrisse durch. Er
nennt das, die Zeichnung »spiegeln«
(utsusu). Diese Pause wird nun auf
den Holzstock geklebt, der Holz-
schneider umschneidet die Konturen,
und der Drucker fertigt von dieser
»Strichplatte« eine Anzahl »Vor-
drucke«. Die erhält nun wieder der
Färber, der mit Hilfe der intakten
Aquarellvorlage nunmehr mit roter
 
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