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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.4208#0034
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— 30

Ein charakteristisches und signiertes Blatt des Constantin
Ren esse (26) erachte ich wegen seiner Evidenz für besonders geeignet,
diesen Rembrandt-Nachahmer wohl kennen zu lernen, um aus der Masse
der unbekannten Schulzeichnungen Rembrandts noch manches an die
Seite stellen zu können.

Ein großes Fragezeichen verdient wohl die mit dem glanzvollen
Namen Jan Venne er van Delft versehene Zeichnung: Sitzendes
Mädchen (28). Wäre nicht das rätselhafte V M auf dem Schemel
geschrieben, es würde niemand an der Autorschaft eines C. Bega
gezweifelt haben. Das Glatte, Flaue, die schiefen undeutlichen Strichlagen,
die fleckenmäßige Betonung der Schlagschatten, der halbbelichtete Fuß
und selbst der Modelltypus mit dem ausdruckslosen Blick weisen auf
diesen Meister. Auch Pauli kam auf Bega (a. a. 0).

Wie die echten Figurenzeichnungen Vermeers aussehen, wissen
wir heute zwar noch nicht, jedenfalls müssen sie ein Temperament in
Gehalt und Strich verspüren lassen, das ein Verwandtes mit seinen
Bildern hat.

Eine weniger ergiebige Ausbeute erfuhren die italienischen Meister.
Zwei schwache florentinische Blätter, eine Tellerscheibe mit einem
Bacchanal des Andrea Boscoli (14) und eine manierierte Komposition
des Bernardino Poccetti in überlangen und aus den Gelenken
fallenden Figuren (12), fanden auch durch eine kräftige Rötelkopfstudie
von der Hand des Annibale Carracci (16) nicht den wünschenswerten
Ausgleich. Am ehesten repräsentierte diese große Schule eineCanaletto-
Landschaft: S. Cristoforo (15). Die Verzückung des heiligen Franz von
Federigo Barrocci (13) darf wohl nicht als Originalentwurf für das
zirka 1577 vollendete Altarbild in Urbino »Perdono di S. Francesco«
aufgefaßt werden, da es in allem und jedem die Spuren der Kopisten-
hand aufweist. Nirgends Entwurfslinien und Pentimente, sondern scharf
umreißende Pauslinien, welche unverstandene und unorganische Glied-
maßen erzeugen, wie sie dem routinierten Urbinaten nie zugeschrieben
werden dürfen; so der rechte Arm des heiligen Franz, dessen Fuß oder
die Füße des segnenden Christus. Die Zeichnung zeigt außerdem eine
Verstümmelung, indem der Heilige knapp unten angesetzt und so
unmittelbar unter die Füße des Herrn zu knien kommt. Ebenso fehlt die
rechte Hälfte und, ein wichtiges Kennzeichen aller Kopien, jede Andeutung
eines Hintergrundes. Da die Zeichnung aber in ihrem Gesamtcharakter,
besonders in der übermäßigen Betonung der Lichter, Barroccio-Gepräge
aufweist, so ist hier nicht an eine Kopie nach dem Bilde selbst, wohl
aber nach einem Karton des Meisters zu denken.

Weit besser kam das XVIII. Jahrhundert Frankreichs durch drei
prunkvolle Stücke zu Ehren. Ein Studienkopf nach einem Mädchen von
Greuze (10), der auf dem Louvre-Bilde »Ländliche Verlobung« in der
sinnenden Mädchengestalt rechts seine Verwendung fand; eine Studie
nach einem Mann mit Krücke (nicht Brustbild eines Mannes) in breiter
StrichführungvonP.Subleyras (11) und schließlich einer der konventio-
nellen üppigen Mädchenakte von F. Boucher (9), der in vielfachen
Varianten häufig wiederkehrt, am ähnlichsten in der Sammlung Jacques
Doucet (Tafel 7) mit derselben Arm- und Beinstellung, doch ohne Tauben.

Josef Mcder.

Albert Vanselow, Die Erstdrucke und Erstaus-
gaben der Werke von Wilhelm Busch. Ein bibliographi-
sches Verzeichnis. Leipzig, Adolf Weigel.

Das Sammeln von ersten Ausgaben, in vielen Fällen nicht mehr
als eine Spielerei der Liebhaber, hat seinen guten Sinn, wenn es sich zum
Beispiel auf Bücher mit Holzschnitten erstreckt, die ja mit Notwendig-
keit von Auflage zu Auflage schlechter werden. Das gilt ganz besonders
von den Buschischen Bildergeschichten. Schon deshalb ist die vorliegende
sorgfältige Arbeit freudig zu begrüßen. Sie bietet aber auch sonst noch
so viel des Neuen und Wissenswerten, daß wir nicht zögern, sie neben
der Nöldekeschen Lebensgeschichte für das beste Buch über Busch zu
erklären, wenigstens soweit als das rein Sachliche in Betracht kommt;
in der ästhetisch-kritischen Würdigung des Malers und Dichters ist das
abschließende Wort noch nicht gesprochen, so Geistvolles auch etwa
Josef Hofmiller über den Schriftsteller Busch gesagt hat. Sehr dankbar

muß man dem Verfasser dafür sein, daß er aus den Briefen, die Busch
an seinen Freund und Verleger Otto Bassermann gerichtet hat, alles
mitteilt, »was auf das künstlerische Schaffen Büschs und auf seine
Werke Bezug hat, als beste Erläuterung zu den letzteren. . .«

Um einen Vorgeschmack von dem reichen Inhalt des Buches zu
geben, seien einige Einzelheiten herausgehoben.

Zuerst ein Paar Briefstellen: »Schön, daß die [fromme] Helene so
emsig umworben wird! — Was Rezensionen anbelangt, so muß ich Dir
wiederholentlich bekennen, daß derartige Sachen nicht rezensiert sein
sollen und wollen. Sie sind bislang nicht dadurch gefördert, weder künst-
lerisch noch buchhändlerisch, und werden auch künftighin nicht dadurch
gefördert werden. Guter Humor und guter Vertrieb, die tun's. Dann soll
man sie eben nehmen, wie man auf der Reise etwa einen Bittern nimmt.
Bei Zunftbüchern ist es was anderes«. 16. Juni 1872. — Am 6. November
desselben Jahres aus Anlaß der englischen Ausgabe der Frommen Helene
(Pious Jemima): »Die Übersetzung ist zum Teil höchst drollig und ge-
lungen, zum Teil aber auch sehr holperig und wunderlich gesucht. Das
ist falsch! Diese Dinge müssen in ihrer Weise Schliff und Form haben,
damit sie geläufig ins Gedächtnis und über die Lippen gehen, eine
Eigenschaft, die Fleiß erfordert und auf die ich nicht wenig stolz bin....
Es heißt auf dem Titel: mit 180 Illustrationen. Das kommt mir vor, wie
wenn man ins Blättchen einrückte: Ein Hausschlüssel ist zu verkaufen
mit einem Hause daran.... Denn es ist doch wahrhaftig ein Unterschied
zwischen einem Buche von sieben Bogen, was in Bildern geschrieben,
und einem ebenso starken, was in Worten geschrieben ist«. — »Ich
denke, die Jobsiade wird gefallen. Das Schema, welches ihr zum
Grunde liegt, ist das Unverwüstliche daran; es ist der Lebenslauf in
abstracto. Darum gefallen mir auch die späteren Teile nicht; sie sind
eben auch faktisch hinzugequält. ..« 23. Juli 1872. — »Die holländische
Reise hat mir viel Vergnügen und Belehrung gebracht; besonders in
Amsterdam, der Stadt der Brücken und Kanäle, wo das Auge von der
Wirklichkeit zum Spiegelbilde behaglich auf und nieder schweift, habe
ich mich gerne herumgetrieben. Die öffentlichen Sammlungen sind höchst
interessant, ebenso die Privatsammlungen, bei denen der Gedanke so
wohl tut, daß diese Bilder, dereinst gesammelt von Zeitgenossen und
Freunden der Maler, durch die Generationen hindurch im selben Hause
treu bewahrt geblieben«. 25. Oktober 1873.

Zu Nr. 55 wird das Titelblatt der ersten Ausgabe des Pater
Filucius abgebildet. Es trägt die Jahreszahl 1872. Die Besprechung des
Nöldekeschen Buches in diesen Blättern (Jahrgang 1910, S. 67 f.) hat,
verführt durch das Bücherlexikon von Heinsius, irrtümlich 1873 als Er-
scheinungsjahr angegeben.— Nr. 60 beschreibt ein von Busch gezeichnetes
Plakat über seine Werke, das für die Wiener Weltausstellung imJahre 1873
bestimmtwar. —Nr.62 ist die bisher alsArbeit unseres Künstlers unerkannt
gebliebene Umschlagzeichnung für eine Ausgabe von Logaus Sinn-
gedichten, die 1874 bei Meyer und Zeller in Stuttgart erschien. Sie ist
auch für den Umschlag des vorliegenden Buches benutzt worden. —
Bei Nr. 67, Herr und Frau Knopp (1876), lesen wir die Bemerkung :
»Der Umschlag trägt den Vermerk: Photozinkotypie von Karl Haack in
Wien. Es ist das erste Buch Wilhelm Büschs, bei welchem, wie bei allen
später folgenden, die Bilder nicht mehr in Holzschnitt, sondern auf
phoiomechanischem Wege wiedergegeben wurden«.

Ein kleines Gelegenheitsgedicht, das Busch den Reifeprüfungen
des Mariahilfer Gymnasiums in Wien vom Jahre 1887 für ihre Kneip-
zeitung — natürlich nur ein Privatdruck — gewidmet hat, scheint dem
Sammeleifer und Spürsinn des Verfassers ganz entgangen zu sein, es müßte
denn (nach einem späteren Abdruck) eines der »29 Gedichte« sein, die
Nr. 127 allzu bündig angibt. A. Trost.

Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von
der Antike bis zur Gegenwart, begründet von Ulrich Thieme
und Felix Becker, herausgegeben von Ulrich Thieme.
Band VI bis XI (Carlini — Fiorenzo). Leipzig, E. A. See-
mann, 1912 bis 1915.

Die ersten fünf Bände dieses außerordentlich verdienstvollen, ja
unentbehrlichen Werkes sind im Zeitraum von fünf Jahren erschienen.
 
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