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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.4208#0041
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MITTEILUNGEN

DER

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.

BEILAGE DER „GRAPHISCHEN KÜNSTE".

1915. WIEN. Nr. 4.

Studien und Forschungen.

Eine Nürnberger Goldschmiedewerkstätte aus dem Dürer-Kreise.

Im Jahre 1908 hat Gustav Pauli im »Jahrbuch der bremischen Sammlungen« (I, 1. Jänner 1908, S. 69 ff.)
zwölf Zeichnungen Albrecht Dürers mit Herkulestaten abgebildet und besprochen, die auf bläulichgrüner Grun-
dierung mit schwarzer Tusche und Deckweiß ausgeführt sind. Sie tragen das Monogramm des Meisters und das
Datum 1511. Da ich zwei Jahre zuvor das bekannte in aquarellierter Federzeichnung ausgeführte Inventar des
Lobkowitzschen .Silberschatzes aus Schloß Raudnitz dank der liebenswürdigen Erlaubnis Seiner Durchlaucht des
Fürsten Lobkowitz in Troppau hatte genau durchsehen können, fiel mir sofort auf, daß diese Zeichnungen mit
den Muschelreliefs eines Nürnberger Silberpokals, der in diesem Inventar abgebildet ist, genau übereinstimmen.
Das Original selbst, der Pokal, ist übrigens das einzige Stück der zahlreichen im Inventar abgebildeten Gold-
schmiedearbeiten, das heute noch erhalten ist.

Kurz nach Erscheinen des Paulischen Aufsatzes bat ich Herrn Dr. Weixlgärtner, den Redakteur der vor-
liegenden ^Mitteilungen', die Zeichnungen Dürers und den Raudnitzer Pokal im Zusammenhang mit einigen
andern demselben verwandten Arbeiten in dieser Zeitschrift besprechen zu dürfen, und Dr. Weixlgärtner hatte
die Güte, von Herrn Dr. Pauli die Zusendung der Bremer Zeichnungen nach Wien zu erbitten, was auch geschah.
Wir prüften gemeinsam die Zeichnungen, die aber Weixlgärtner, Dörnhöffer und Giehlow ebenso wie früher Lippmann
nicht für Arbeiten Dürers erklärten. Das Material vergrößerte sich bei weiterem Nachsuchen außerordentlich, und die
Herstellung von photographischen Aufnahmen an den verschiedensten Orten nahm längere Zeit in Anspruch, so
daß die Abhandlung jetzt erst vorgelegt werden kann. Unterdessen hat Max Friedländer, dem der Zusammen-
hang der Zeichnungen mit den Pokalreliefs gleichfalls auffiel, im »Jahrbüch des kunsthistorischen Institutes
der k. k. Zentralkommission für Denkmalpflege« (Wien, 1913, S. 170 ff.) die Reliefs samt den Zeichnungen
publiziert, so daß mir zu diesem Raudnitzer Pokal nur noch wenige, allerdings nicht unwichtige Bemerkungen
erübrigen.

Die Zeichnung des Pokals, die noch unpubliziert ist, wird hier abgebildet (Abb. 1). Der Pokal selbst ist mit
unrichtiger Datierung (XVII. Jahrhundert, 1. Hälfte) auf Tafel 47 der vom Prager Kunstgewerbemuseum heraus-
gegebenen Auswahl von kunstgewerblichen Gegenständen aus der retrospektiven Abteilung der Allgemeinen
Landes- und Jubiläumsausstellung in Prag (1892) in Lichtdruck reproduziert, ferner finden wir den Pokal und
dessen Deckel in dem von M. Dvorak und Boh. Matejka besorgten Band XXVII (Teil 2) der böhmischen Denk-
mälertopographie (Deutsche Ausgabe, Prag 1910) auf S. 238 f. abgebildet, beschrieben und bereits richtig datiert.
Neben der Konfrontierung der Zeichnungen und Reliefs hat Friedländer auch nach den Aufnahmen der
böhmischen Topographie noch einmal Pokal und Deckel abgebildet.

Die Fußplatte des Pokals ist von dreipassigem Grundriß, eingerahmt von einer Baumzweigprofilierung und
besetzt mit stark bewegtem Laubwerk; den Übergang zu dem ansteigenden Erdreich am Fuße eines schrauben-
förmig gewundenen, gleichfalls mit Laubwerk belegten Baumstammes, der als Griff dient, bildet eine schmale
durchbrochene Galerie. Am PTiße des Stammes sitzt eine lebendig bewegte Frau in »antikischer Gewandung«,
wie Friedländer sagt, mit nackten Brüsten, eine Kugel in der Linken, die Rechte nach oben streckend, der
Richtung des erhobenen Hauptes folgend. Der flachgedrückte Nodus ist gebuckelt und darüber ruht die im
 
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