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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.3683#0062
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Erscheinung einen geradezu tragikomischen Eindruck hervor. Die grell

kontrastierenden Licht- und Schattenmassen mit den scharfzackig zerris-
senen Rändern lassen in ihrer ganzlich arhythmischen Verteilung nicht
einmal eine äußerlich-dekorative Schwarz-Weiß-Wirkung aufkommen.

Wie Großberg der Geist der Holzschnitt-Technik fremd geblieben
ist, so hat er auch den künstlerischen Organismus der Riemenschneider-
schen Bildwerke in jedem Wesenszuge mißverstanden. Den mitunter bis
zur Unkenntlichkeit verunklarten Stand- und Gewandmotiven entspricht
die naiv-groteske Umdeutung der Gebärdensprache und der Ausdrucks-
werte der Köpfe. Mit der schönen Holzfigur einer Schmerzensmutter, die
solcherart Zeugnis dafür ablegen soll, daß die Frauengestalten des
Meisters »herb vom edlen Ebenmaß« seien, »ganz anders, als die übrigen
Bildner seiner Zeit sie schufen«, sind den unfreiwilligen Stilparodien des
Holzschneiders neun Sandsteinstatucn zum Opfer gefallen, die sich gegen-
wärtig ebenfalls im fränkischen Luitpold-Museum befinden. Diese Apostel
und Johannes der Täufer, den Großberg kurzweg unter ihre Zahl auf-
genommen hat, gehörten ursprünglich zur Folge jener Standbilder, mit
denen Riemenschneider in den Jahren 1500 bis 1506 die Strebepfeiler der
Würzburger Marienkapelle geschmückt hatte. (Die Jahreszahl 1493, die
das Geleitwort der Mappe fälschlich angibt, bezeichnet nur die Vollendung
der für das Südportal derselben Kapelle bestimmten Statuen Adams und
Evas.) Verwittert und durch mehrfache Restaurationen entstellt, wohl auch
mit Schülerhilfe ausgeführt, sind sie kaum den glücklichsten Schöpfungen
des Meisters anzureihen. Umso mehr bleibt zu bedauern, daß diese noch
nicht allzu lange museal geborgenen Bildwerke, die in photomechanischen
Abbildungen nur wenig verbreitet sind, nunmehr in solch neuerlicher
Verballhornung den lehrhaften oder heimatkundlichen Zwecken über-
liefert werden sollen, auf die Ausstattung und Preis der vorliegenden
Mappe hinzuweisen scheinen. Kurt Raihe

Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der
Antike bis zur Gegenwart, begründet von Ulrich Thieme
und Felix Becker, herausgegeben von Ulrich Thieme.
Band XII. (Fiori—Fyt.) Leipzig, E. A. Seemann 1916.

Dieses vorzüglichen, großartig angelegten Nachschlagewerkes
rüstiges Fortschreiten haben wir von allem Anfang an und nun ganz
besonders in den schweren Zeiten des Krieges mit größtem Interesse
verfolgt und mit unseren besten Wünschen begleitet. Von der Ungunst
der Verhältnisse merkt man dem neuesten Bande nichts an. Er enthält
eine reiche Fülle von Belehrung, die einzelnen Artikel sind aufs sorg-
fältigste lind verläßlichste bearbeitet und die Form ist durchwegs so
knapp, wie man es nur wünschen kann. Auch die Ausstattung ist gleich
vortrefflich geblieben und nur eine ganz geringe Preiserhöhung ist durch
die geänderten Verhältnisse notwendig geworden. Dem ausgezeichneten
Herausgeber, Ulrich Thieme, und der rührigen Verlagsanstalt sind nun
endlich ruhige Zeiten zu wünschen, in denen wieder der Anteil der
ganzen gebildeten Welt dem großen Unternehmen zugute kommen wird,
dessen letzter Band, soviel wir sehen können, ausschließlich deutschem
Gelehrtenfleiß zu danken ist. Für unsere Leser sind in dem vorliegenden
Bande wohl die Artikel über die folgenden Künstler am meisten interessant,
wobei die Namen der Verfasser für die Sorgfalt und Verläßlichkeit der
Behandlung bürgen: John Flaxman (P. F. Schmidt), Peter Flötner
(Fr. Fr. Leitschuh), Frans Floris (Fr. Winkler), Marcello Fogolino
(G. Gronau), Mariano Fortuny y Carbü, Jean Fouquet (M. J.
Friedländer), Honore Fragonard (R. Graul), Francesco und
Giacomo Francia (G. Gronau), Hans Franck (H. A. Schmid),
Sigmund Freudenberger (W. W.), Caspar David Friedrich
(P. F. Schmidt), Hans Fries (Fr. Fr. Leitschuh), Heinrich Füger
(Hans Tietze), Josef von Führich (H. von Worndle), Berthold
Furtmeyr (Hans Tietze), Jan Fyt (Z. v. M[anteuffel]). Gustav Glück.

Neue Wiener graphische Erscheinungen.
* Erfreulicherweise hatten während des Krieges Wiener Verleger die

Zuversicht und die Einsicht, die graphischen Künste durch Aufträge tat-
kräftig zu fördern. Es ist auch mit Genugtuung zu vermerken, daß sich
nicht nur Verlagsanstalten, die sich auf dem graphischen Gebiete bereits

längst bewährt haben, ersichtlich erhöhte Mühe gaben, schöne ein-
schlägige Veröffentlichungen herauszubringen, sondern daß sich ihnen
auch jüngere Verleger wetteifernd anschlössen.

Im Verlage der Staatsdruckerei erschien 1914 ein Neudruck von
Adalbert Stifters Anteil an dem Sammelband »Wien und die Wiener«.
Der »Aus dem alten Wien« betitelte Band, an dem alles — Einband,
Vorsatz, Schrift, Anfangsbuchstaben, Zierleisten — von Dr. Rudolf Junk,
unserem ersten Buchkünstler, geschaffen ist, kann als Musterbeispiel
moderner Buchkunst gelten und ist ein freundlicheres Gegenstück zu
Grillparzers »Armem Spielmann«, der in der feierlich-ernsten Prunk-
ausstattung Josef Hoffmanns das Jahr darauf im Verlage der Staats-
druckerei erschienen ist. Die Lettern dieses Buches sind von Viktor Mader
entworfen. Zwischen den genannten beiden Bänden steht die Ausgabe von
Ferdinand Raimunds »Verschwender«. Hier hat Kolo Moser Einband,
Vorsatz, Titel und Umrahmungen, Marie Schmid die Schrift entworfen.
Der »Verschwender« wurde noch 1914 ausgegeben. Bei dem Wettbewerb
zur Erlangung einer neuen Druckschrift, dem die drei Bände ihr Entstehen
verdanken, erhielt Dr. Junk den ersten, Professor Mader den zweiten, Marie
Schmid den dritten Preis. Erst vor kurzem gab die Staatsdruckerei den
»Historischen Atlas des Wiener Stadtbildes« (mit Text von Dr. Max Eisler)
heraus, ein Werk, das hier nur wegen des schönen Buchschmuckes von
RudolfJunk erwähnt wird. Daß sich die Staatsdruckerei die bewährte
künstlerische Kraft Rudolf Junks, der uns schon einmal so schöne Brief-
marken schuf, nicht auch für die neuen Briefmarken der Republik zu
sichern gewußt hat, ist um so mehr zu bedauern, als die neuen Marken
von J. F. Renner, einem Moser-Schüler, nicht mit Unrecht nur wenig
Anklang gefunden haben. Es ist nur zu hoffen, daß Junk, der schon für
mehr als einen ausländischen Staat das Papiergeld entworfen hat, das
nebenbei bemerkt, auch hier in Wien gedruckt wurde und wird, nicht
werde vergessen werden, wenn es sich, was in absehbarer Zeit ja der
Fall sein muß, um die Herstellung neuer Banknoten für die Republik
Österreich handelt.— EineVeröffentlichung von Handzeichnungen Gustav
Klimts (den Text und die Auswahl der Blätter besorgt gleichfalls Max
Eisler) ist einstweilen erst angekündigt.

Die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst gab, abgesehen von
den graphischen Originalblattern, die sie in ihrer Zeitschrift und.vor allem
in den Jahresmappen veröffentlichte, 1914 (an Stelle der Jahresmappc)
Gottfried Kellers »Drei gerechte Kammacher« mit sechs Radierungen
Alfred Coßmanns heraus, 1917 einen kleinen Kalender mit 15 Holz-
schnitten Rudolf Junks, die er selber entwarf, schnitt, druckte und
bemalte, 19IS Ludwig Heinrich Jungnickels »Tiere der Fabel«, eine
Mappe mit sechs vom Künstler selbst gedruckten farbigen Holzschnitten,
im selben Jahre ferner Moriz Melzers Mappe »Aus dem Leben der
Madonna«, eine Folge von fünf Farbholzschnitten, die der Künstler gleich-
falls eigenhändig gedruckt hat, im selben Jahre schließlich auch noch
Goethes ^Hermann und Dorothea* mit Lichtdrucken nach den Jugend-
zeichnungen Josef Führichs, ein Bändchen, dessen hier nur wegen des
dekorativen Holzschnittes von Rudolf Junk auf dem Einband gedacht
wird, und 1919 endlich die Mappe der >-Neuen Vereinigung« mit zehn
Lithographien von Artur Brusenbauch, Josef Humplik, Hildegard
Jone, Robert Philippi, Egge Sturm-Skrla, Viktor Tischler und
Grete Wilhelm. — Alle diese Veröffentlichungen beweisen, daß sich
unsere Gesellschaft nach wie vor weder einseitig für das konservative
Lager noch einseitig für das radikale Lager entscheidet, sondern daß sie
das Gute hier wie dort zu finden und zu fördern bestrebt ist und auch an
ihrer löblichen alten Gepflogenheit festhält, den begabten Nachwuchs
unter ihre Fittiche zu nehmen.

Artaria & Co., ein Verlag, mit dem sich an Gediegenheit und Alter
wie bekannt nur wenige in Wien zu messen vermögen, verhielt sich auch
während des in Betracht kommenden Zeitabschnittes sehr zurückhaltend.
Bei Artaria erschienen nur die zugunsten der Kriegspatenschaft heraus-
gegebenen »Neuen Bilderbogen und Soldatenlieder« (24 zum Teil farbige
Lithographien). Die Idee des Werkes, an dem sich Künstler vom Range
eines Sterrer, Laske, Roux u. a. beteiligten, war ja sehr hübsch, doch
fiel die Ausführung zu ungleichmäßig aus und war der Preis viel zu hoch
gestellt. Bilderbogen, die zu teuer sind, um ins Volk dringen zu können,
sind ein Nonsens.

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