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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.6491#0033
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Abb. 1. Chodowiecki, Entwurf zum »Cabinet d'un peintre«. Veste Coburg

Abb. 2. Chodowiecki, Cabinet d'un peintre. Stich.

Daumen lutschen wird. Das rechte
Händchen faßt wie beim Stich die
Zweitälteste Tochter Susanne,
doch hier mit ihrer rechten Hand,
während sie die linke — soweit
das aus der skizzenhaften Strich-
führung ersichtlich ist — um das
Schwesterchen legt. Diese Dar-
stellung war dem Künstler durch
die hiebei entstehenden Über-
schneidungen wohl nicht einfach
genug in der Linienführung, und
deshalb mag er die Armhaltung
des Mädchens geändert haben.
Bei dieser Figur scheint er sich
überhaupt am wenigsten klar über
die Ausführung gewesen zu sein,
denn es finden sich neben dem
Kopf und auch auf dem Gesicht
selbst eine Menge Linien, die sich
nicht deuten lassen. Aus dem-
selben Grund läßt sich ebenfalls
nicht sagen, wie die Verbindung
zwischen der Tochter und der
danebenstehenden Mutter ur-
sprünglich gedacht war; jedenfalls
liegt sie nicht wie beim Stich im
Blick, denn in der Zeichnung
schaut Susanne nach unten, also
wohl eher auf die Arbeit der
Schwester. Was nun die Gestalt
der Mutter betrifft, so kann man
nur feststellen, daß ihre rechte
Hand wie beim vollendeten Werk
auf der Stuhllehne von Jeanette
ruht. Äußerst charakteristisch ist
aber, daß sich der Künstler selbst
auf der Zeichnung an der Staffelei
darstellt, während er bei der Aus-
führung am Tischchen sitzt und
gerade ein kleines Porträt nach
einem der Familienmitglieder an-

fertigt. Zwischen Zeichnung und Stich liegt also gewissermaßen eine Wandlung seiner ganzen Auffassung. Will er sich
erst noch der Mutter als echter Maler zeigen, wie er sich ja auch auf dem großen Familienbild von 1766 darstellt1, so
hat er inzwischen erkannt, daß seine eigentliche Begabung vielmehr im kleinen liegt, nicht im Gebrauch des Pinsels,
sondern des Zeichenstiftes und vor allem der Radiernadel. Deshalb hat er die Staffelei mit dem Zeichenstift vertauscht.
Der umgebende Raum ist bei dieser flott hingeworfenen Skizze noch in keiner Weise angedeutet, nur findet sich auch
hier in wenigen Strichen rechts die kauernde Venus. Sie muß also für den Künstler innerhalb seiner Antikensammlung
eine große Bedeutung gehabt haben, da er auch sie von Anfang an der Mutter zeigen will. Allerdings ist sie in der
Zeichnung im Gegensatz zum Stich von vorne gesehen. Gertrud Hirsch.

i Vgl. Abb. Cicerone III. 1911 S. 504.

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