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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.6491#0048
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same Ahnenreihe von Vorbesitzern zurück-
blicken, als neben den stets wiederkehrenden
Sammlerpersönlichkeiten der v. Loen und Hiegel
das Endglied Kamp zwar nur zweimal in ex-
tenso aufzuzeigen, andernfalls aber aus der
Verkettung der sonstigen Umstände mit größter
Wahrscheinlichkeit zu erschließen ist. Während
nun die Meldung des Cod. 3023 »dit buch ge-
höret in de clusen zo Campe« (fol. lro oben) in
der schwebenden Frage alles beim alten läßt,
führt Cod. 2739 auf fol. 215ro die endgültige
Entscheidung herbei: »Dit buch hat er peter
van wun(n)ynge(n) gegefen nac sime dode
weise(n) zuo / eyn klusen den susteren zu
kampe / in der klusen . un(d) den susteren zu /
sente martyne in der klusen das / si it sullent
hafen mit eyn ander / un(d) Got der si mit uns
allen amen«; würde hier die ausdrückliche Be-
zugnahme auf die weiblichen Insassen der
»Klause« irgendwelchen Zweifel erlauben, müßte
ihn das den »Schwestern zu St. Martin« zu-
gedachte Nutznießungsrecht an Herrn Peters
Buchvermächtnis vollends verdrängen, da dem
Kloster der Augustinerinnen zu Kamp tatsäch-
lich eines der Franziskanerinnen zu St. Martin1
am linken Ufer des Rheines gegenüberlag.

Obwohl die mundartlichen Verschieden-
heiten der einzelnen Handschriften einer un-
mittelbaren Verquickung von Herkunfts- und
Ursprungsgebiet widerstreben, obwohl zumal
für den Strahower Codex oder seine Verfertiger
eine Einwanderung aus niederrheinischen Ge-
genden anzunehmen ist, dürfte dennoch der
Nachweis, daß der Band den Andachtsübungen
von Nonnen geweiht war, deren mystische
Seelenberatung aus ihrer Lektüre hervorgeht,
auf die erkenntnistheoretische Beurteilung der
graphischen Einkiebungen nicht ohne Einfluß bleiben. Vielmehr käme es dem historischen Bewußtsein hinfort nur
auf den Versuch an, um die gegenständliche Auswahl und Erscheinungsform des Bildschmuckes über den textlichen
Anlaß hinaus des tiefsten Einverständnisses mit dem Gemütsleben und der Gedankenwelt der also geschulten
Klausnerinnen zu zeihen: Wer gerade ihren Kreisen eine besondere Hinneigung zur Gestalt des »Schmerzensmannes«
zubilligt, die nach Molsdorf im XIV. Jahrhundert »ohne Anlehnung an eine Schriftstelle, lediglich auf Grund
individueller Gefühlsregung« geschaffen worden war, kann sich beiläufig auf die hohe Verehrung berufen, deren sich das
wesensähnliche »Erbärmdebild« (»da unser Herr an der Säule stand«) in den Klöstern der mystisch angehauchten
Dominikanerinnen erfreute2; wenn ferner die immerhin ungewöhnliche Abwandlung des Verkündigungsthemas, die in
eine Schilderung der Fleischwerdung Christi einmündet, die Erinnerung an die herzinnige Aufmerksamkeit erweckt, mit
der ein Laienmystiker gleich Hermann von Fritzlar ein analoges Gemälde betrachtet,3 hat offenbar hier wie dort ein
und dieselbe Geistesrichtung der liebevollen Versenkung in die Geheimnisse der Trinität den Boden bereitet. Trotz

Verkündigung Maria. Inkunabelholzschnitt. Strahow.

1 Vgl. D. Fr. C. G. Hirsching, Histor.-Geogr.-Topogr. Stifts- und Closter-Lexikon, Leipzig 1792, Bd. I, S. 663.

2 Vgl. M. Weinhandl, Deutsches Nonnenleben, München 1921, S. 19. Übrigens braucht nicht verschwiegen zu werden, daß Weinhandl und
M. Grabmann (»Die Kulturwerte der deutschen Mystik des Mittelalters«, München 1925, S.Ol) den im Texte zitierten Wortlaut des chronikalen
Berichtes, der meines Erachtens die »klägliche Figur« eines »Christus am Marterpfahl«, also ein reines Andachtsbild — man gedenke z. B. der
Inschrift des Tübinger Einblattdruckes Sehr. 885 a _ hervorheben will, in das Historienbild der Geißelungs-Szene umdeuten.

3 In seinem »Heiligenleben« ddo. 1349 (ed. Fr. Pfeiffer, Leipzig 1845), und zwar in der Lebensbeschreibung Johannes'des Taufers (a.a.O. S. 143):
soviel ich sehe, hat bisher nur R. Bruck in seinem Buche über die »Elsässische Glasmalerei«, Straßburg 1902, S. 73/4 diese von der ikonographischen
Literatur ungebührlich vernachlässigte Quelle zu ähnlichen Zwecken herangezogen.

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