SUHKK THEIL.
Morosini Aegina; am folgenden Tage beschloss man im Kriegsrath auf dem Isthmos,
den Versuch einer Eroberung Athens zu machen, obschon das bedenkliche und
wahrscheinlich unnütze des Beginnens durchaus nicht verkannt ward. Das bunt-
gemischte Landheer stand unter dem Befehl des aus Westfalen gebürtigen, in schwe-
dischen Diensten emporgekommenen Generalfeldmarschalls Grafen Königsmark. Er
schiffte sich bei Nacht mit beinahe 10000 Mann ein, und in der Frühe des 21
September war die Armee im Porto Lione, dem alten Piräeus, angesichts der Akro-
polis gelandet — zu grosser Ueberraschung der Türken in Athen, die sich sofort
mit Weib und Kind in die Festung zurückzogen.' Morosini, von dem Erzbischof und
anderen griechischen Abgesandten der Stadt eingeladen, liess Königsmark noch am
Abend des gleichen Tages dort einrücken. Alsbald wurden die Laufgräben gezogen,
die Batterien errichtet, und schon am Morgen des 23 September konnte das Feuer
beginnen. Die Kanonen auf den westlichen Höhen, gegen die starken Verschan-
zungen bei den Propyläen gerichtet, schössen mit einigem Erfolg, minder glücklich
die Bomben, welche theils im Nordwesten der Burg, am Fnsse des Areopag, theils
östlich unterhalb der grossen Grotte aufgestellt waren. Als die Batterien so geringe
Wirkung übten, machte man sich ans Minieren — man denke sich den Plan, die
Akropolis in die Luft zu sprengen! — , gab dies aber bald als unausführbar wieder
auf. Es stand sehr zu befürchten dass von Theben her der Seraskier zum Ersatz
herankomme: alles kam darauf an die Festung schleunig zu gewinnen. Da brachte
ein Ueberläufer aus der Burg den Belagerern die Nachricht, das ganze Pulver-
magazin befinde sich im Parthenon; die Türken seien der Meinung dass die Christen
den Prachtbau schonen würden. Die Nachricht war freilich nicht ganz richtig —
es ward nur der nüthige Vorrath für jeden Tag dort in der Cella aufbewahrt —,
hatte aber den traurigen Erfolg, den christlichen Bomben, welche so zarte Kück-
sichten nicht kannten, ein festes Ziel zu geben. Allein die Wölbung und das feste
Dach widerstanden noch eine Zeit lang. Da 'erboste sich' ein liineburgischer Lieute-
nant , welcher unter dem Befehl de Vannis bei der Batterie im Osten stand, das
Ziel dennoch zu erreichen, und es gelang ihm nur zu gut. Freitag den 26 Septem-
ber 16S7, Abends um 7 Uhr, fiel die verhängnisvolle Bombe in den Tempel,
grade auf den Pulvervorrath, und mit furchtbarem Krachen flog Iktinos Meisterbau
aus einander, dreihundert Männer Weiber Kinder unter seinen Trümmern begrabend,
grosse Marmorblöcke hoch durch die Luft bis hinab zu den Belagerern schleu-
dernd252) !
53 Der Muth der Türken war auch hierdurch noch nicht gebrochen. Zwei Nächte
'%>-) Die offlcielle Depesche Morosinis und die übrigen Berichte von Augenzeugen, so weit sie
den Parthenon angehen, s. in Anh. III, 16—20. Vgl. auch den wenig späteren Bericht 24. Kleine
Verschiedenheiten in den Quellen sind unberücksichtigt geblieben. Das Datum steht fest durch
Morosini und die reporti di Venezia ebda 21; Muazzo (19) irrt sich um einen Tag, Fanelli Atene
Atticu S. 310 verwechselt den Tag der Bombe mit dem der L'ebergabe (28 Sept.). Der Ueber-
läufer und der lüneburgische Lieutenant beruhen auf der Mittheilung Sobiewolskys (18), die An-
gabe der Batterie auf Vernedas Plan (s. zu Tai'. I, &). Weshalb Bütticher (Tekt. B. 4, 77) diesen
traurigen Iiiilim brandenburgischen Bomben zuschreibt, weiss ich nicht; Brandenburger waren gar
nicht unter den ' nazioni' des Heeres. Die Kriegsgeschichten von Pfister (der Krieg von Morea.
Kassel 1845) und Schwencke (Gesch. der hannov. Truppen. Hann. 1854), sowie das Tagebuch von
Zehn (Spangenberg. neues vaterl. Archiv I, /. Lüneb. 1822) bieten keinen einzigen neuen Zug.
Von den übrigen bei Laborde II, Hoff, angeführten Büchern ist höchstens Foscarinis historia dtllii
rep. Veneta zu erwähnen, jedoch weniger für das Schicksal des Tempels als für sonstige Einzel-
heiten der Belagerung.
Morosini Aegina; am folgenden Tage beschloss man im Kriegsrath auf dem Isthmos,
den Versuch einer Eroberung Athens zu machen, obschon das bedenkliche und
wahrscheinlich unnütze des Beginnens durchaus nicht verkannt ward. Das bunt-
gemischte Landheer stand unter dem Befehl des aus Westfalen gebürtigen, in schwe-
dischen Diensten emporgekommenen Generalfeldmarschalls Grafen Königsmark. Er
schiffte sich bei Nacht mit beinahe 10000 Mann ein, und in der Frühe des 21
September war die Armee im Porto Lione, dem alten Piräeus, angesichts der Akro-
polis gelandet — zu grosser Ueberraschung der Türken in Athen, die sich sofort
mit Weib und Kind in die Festung zurückzogen.' Morosini, von dem Erzbischof und
anderen griechischen Abgesandten der Stadt eingeladen, liess Königsmark noch am
Abend des gleichen Tages dort einrücken. Alsbald wurden die Laufgräben gezogen,
die Batterien errichtet, und schon am Morgen des 23 September konnte das Feuer
beginnen. Die Kanonen auf den westlichen Höhen, gegen die starken Verschan-
zungen bei den Propyläen gerichtet, schössen mit einigem Erfolg, minder glücklich
die Bomben, welche theils im Nordwesten der Burg, am Fnsse des Areopag, theils
östlich unterhalb der grossen Grotte aufgestellt waren. Als die Batterien so geringe
Wirkung übten, machte man sich ans Minieren — man denke sich den Plan, die
Akropolis in die Luft zu sprengen! — , gab dies aber bald als unausführbar wieder
auf. Es stand sehr zu befürchten dass von Theben her der Seraskier zum Ersatz
herankomme: alles kam darauf an die Festung schleunig zu gewinnen. Da brachte
ein Ueberläufer aus der Burg den Belagerern die Nachricht, das ganze Pulver-
magazin befinde sich im Parthenon; die Türken seien der Meinung dass die Christen
den Prachtbau schonen würden. Die Nachricht war freilich nicht ganz richtig —
es ward nur der nüthige Vorrath für jeden Tag dort in der Cella aufbewahrt —,
hatte aber den traurigen Erfolg, den christlichen Bomben, welche so zarte Kück-
sichten nicht kannten, ein festes Ziel zu geben. Allein die Wölbung und das feste
Dach widerstanden noch eine Zeit lang. Da 'erboste sich' ein liineburgischer Lieute-
nant , welcher unter dem Befehl de Vannis bei der Batterie im Osten stand, das
Ziel dennoch zu erreichen, und es gelang ihm nur zu gut. Freitag den 26 Septem-
ber 16S7, Abends um 7 Uhr, fiel die verhängnisvolle Bombe in den Tempel,
grade auf den Pulvervorrath, und mit furchtbarem Krachen flog Iktinos Meisterbau
aus einander, dreihundert Männer Weiber Kinder unter seinen Trümmern begrabend,
grosse Marmorblöcke hoch durch die Luft bis hinab zu den Belagerern schleu-
dernd252) !
53 Der Muth der Türken war auch hierdurch noch nicht gebrochen. Zwei Nächte
'%>-) Die offlcielle Depesche Morosinis und die übrigen Berichte von Augenzeugen, so weit sie
den Parthenon angehen, s. in Anh. III, 16—20. Vgl. auch den wenig späteren Bericht 24. Kleine
Verschiedenheiten in den Quellen sind unberücksichtigt geblieben. Das Datum steht fest durch
Morosini und die reporti di Venezia ebda 21; Muazzo (19) irrt sich um einen Tag, Fanelli Atene
Atticu S. 310 verwechselt den Tag der Bombe mit dem der L'ebergabe (28 Sept.). Der Ueber-
läufer und der lüneburgische Lieutenant beruhen auf der Mittheilung Sobiewolskys (18), die An-
gabe der Batterie auf Vernedas Plan (s. zu Tai'. I, &). Weshalb Bütticher (Tekt. B. 4, 77) diesen
traurigen Iiiilim brandenburgischen Bomben zuschreibt, weiss ich nicht; Brandenburger waren gar
nicht unter den ' nazioni' des Heeres. Die Kriegsgeschichten von Pfister (der Krieg von Morea.
Kassel 1845) und Schwencke (Gesch. der hannov. Truppen. Hann. 1854), sowie das Tagebuch von
Zehn (Spangenberg. neues vaterl. Archiv I, /. Lüneb. 1822) bieten keinen einzigen neuen Zug.
Von den übrigen bei Laborde II, Hoff, angeführten Büchern ist höchstens Foscarinis historia dtllii
rep. Veneta zu erwähnen, jedoch weniger für das Schicksal des Tempels als für sonstige Einzel-
heiten der Belagerung.