Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Minst, Karl Josef [Übers.]
Lorscher Codex: deutsch ; Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Band 6): Register-Band — Lorsch, 1972

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20610#0196
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
193

ANHANG

Richtlinien der Übersetzung

Im Vorwort (Bd. I, S. 14) findet sich zu diesem Gegenstand eine kurze Erklärung.
Häufige mündliche und schriftliche Anfragen und Hinweise von Lesern lassen es gera-
ten erscheinen, die Grundsätze, nach denen die Übertragung aus dem Lateinischen ins
Deutsche erfolgte, eingehender darzulegen.

Wie schon a. a. O. erwähnt, sollte im Interesse einer möglichst wörtlichen
Übersetzung weitgehend auf eine geschmeidige Sprache, auf ein gefälliges und flüssiges
modernes Deutsch verzichtet werden, um eine getreue Übersetzung zu gewährleisten.
Vor allem war es erforderlich, Sinn und Geist der Schriftsätze und rechtlichen Willens-
äußerungen aus dem achten bis zwölften Jahrhundert unversehrt und vollständig zu
bewahren. Darüber hinaus mußte die äußere Form des lateinischen Textes einigermaßen
erhalten bleiben. Nun kann aber die Übertragung aus einer toten in eine lebende
Sprache niemals die eigentümliche Redeweise der mittelalterlichen Urkunden mit dem
zarten, unberührten Schmelz ihrer ursprünglichen, zeitlich und kulturell bedingten be-
sonderen Eigenart vollkommen wiedergeben.

Da wären etwa die im Lateinischen so beliebten, im Deutschen aber verpönten
Satzperioden, die aufzulösen sind. Im Chronicon finden sich Sätze, die in der
Glöckner-Ausgabe mehr als eine halbe Seite beanspruchen. Solche — nach neuzeitlicher
Auffassung — unmöglichen Satzungetüme müssen in mehrere selbständige Sätze zer-
legt werden, von denen jeder sein eigenes — also dasselbe — Prädikat erhält. Dieses
beinhaltet meistens den Begriff der Schenkung. Da nach unseren Stilistikregeln diese
Satzaussagen sprachlich-formal voneinander verschieden sein sollen, verbietet sich hier
die wörtliche Übersetzung von selbst, und der Ausdruck für die Vergabung ist daher
zu variieren.

Auch anderweitige verschiedenartige Übersetzung des gleichen Textes
kann notwendig werden. Formelhafte Redewendungen und ganze Sätze, die sich in einer
Vielzahl von Urkunden fast oder ganz unverändert wiederholen, dürfen dem deutschen
Leser nicht in dieser gequälten und ermüdenden Einförmigkeit immer und immer wie-
der zugemutet werden. Sie sind daher mit wechselnden Worten und in möglichst vielen
verschiedenen Formulierungen wiederzugeben. In einer Besprechung (Heft 2, Geschichts-
blätter Kreis Bergstraße) findet sich zu diesem Problem die Feststellung: „. . . hier er-
laubt sich der Übersetzer, das stereotype ,Reginbertus scripsit' oder ,ego Grimarius
scripsi' etwas zu variieren." (Statt: Reginbert hat geschrieben: R. hat es (das, dies, diese
Urkunde) geschrieben, R. war der Schreiber, der Schreiber R., geschrieben von R. . . .) —
Wenn immer wieder erklärt wird, daß dem Kloster Lorsch „Gundelandus abba(s)
praeesse videtur", kann die wörtliche Übersetzung, daß Abt Gundeland dem Kloster
bekanntermaßen vorstehe, nicht ununterbrochen wiederholt werden, schon deswegen
nicht, weil diese Ausdrucksweise dem deutschen Sprächempfinden recht gezwungen und
holperig klingt und von unserem Ohr durchaus nicht als wohlklingend empfunden
wird. „Videtur" kann in einzelnen Fällen durch bekanntlich, wie offenkundig ist, be-
kanntermaßen, wie (allgemein) bekannt, wie ersichtlich ist. . . übersetzt werden, kann
aber auch, wie unten zu zeigen sein wird, in der Übertragung vernachlässigt werden. —
 
Annotationen