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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

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Schellbach, Siegfried: Albert Gessners Mietshäuser
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https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0058
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Albert Gessners Mietshäuser

eingeschlagen, die es in Zukunft wohl auch dem
Grossstädter ermöglichen werden, seine Ansprüche
an Behagen und Wohnlichkeit zu befriedigen. V
V Gessner vermeidet es, die Grundrisse der
Wohnungen in allen Geschossen völlig gleich zu
gestalten, er sucht jeder Wohnung ihr eigenes
Gesicht zu geben und erreicht dies in der Tat
durch Verschiebung der nichttragenden Wände und
durch veränderte Verteilung und verschiedene Höhe
der Fenster, durch Loggien, Erker, Balkone usw.
Unterscheiden sich andere Etagenwohnungen einzig
und allein durch die Zahl der Stufen, die sie vom
Erdboden entfernt sind und durch den Preis, so
zeigen sie in den Gessnerschen Häusern ein indi-
viduelles Gepräge, das sie unbeschadet des einheit-
lichen Charakters des ganzen Hauses wie Geschwister
erscheinen lässt, während sie sich sonst gleichen,

Albert Gessner-Berlin, Grundrisse des Landhauses in

wie ein Ei dem anderen. Diese Verschiedenheit
im Innern spiegelt sich natürlich im Aeusseren
wider und so bietet die Fassade kein täuschen-
des Reklameschild, sondern ein verheissungsvolles
Abbild des gemütlichen Inneren. V
V Die glatte Front des Hauses Mommsenstrasse 6*)
wird durch einen Erker belebt, dessen graue Werk-
steine sehr hübsch auf der ruhigen gelben Fläche
stehen, denn das ganze Haus ist mit gelbgefärbtem,
ziemlich grobkörnigem Mörtel geputzt. Sehr hübsch
baut sich das Steinportal auf, in dem freiliegend
der Anfang des Treppenaufganges zu sehen ist.
Ein Kupferdach deckt den Balkon der ersten
Etage ab, kupferne Säulchen tragen das Ziegeldach
über der dritten. Eine fortlaufende Reihe kleiner

*) Eine Abbildung dieses Hauses ist in der vierten Lieferung des
vorigen Jahrganges abgedruckt.

Bodenfenster unterbricht wirkungsvoll das rote Dach.
V Bei dem Stiefkind unserer Mietshäuser, dem
Hofraum könnte man fast glauben, hier hätte Gessner
mit besonderer Liebe alle seine Fähigkeiten entfaltet.
Wie ein Raum, an dem alle Bewohner gemeinsam
Anteil haben, zu dessen Schmückung jede Woh-
nung etwas beiträgt, mutet der mit hübschen roten
Fliesen ausgelegte saubere Gartenhof an. Da ist
kein minderwertiges Material genommen, da sind
keine langweiligen schablonenhaften Lösungen,
nein mit demselben liebevollen Versenken hat der
Architekt auch hier die Hausflächen abwechslungs-
reich und im besten Sinne malerisch gestaltet. Neben
einfachen Rasenbeeten und immergrünen Koni-
feren fehlt auch das belebende Wasser nicht. Hier
sind keine grossen Bäume, deren kümmerliches
Wachstum nur Mitleid statt Freude- erregen kann,

aber auch keine Zwergbäumchen, die auf Miniatur-
Felsen und an Miniatur-Seen eine „Landschaft''
vorstellen wollen, sondern kräftige und gut gewach-
sene Buxe in Pyramiden- und Kugelform zuge-
schnitten, bilden den architektonischen Grundton
dieser einfachsten Gartenanlagen. V
V Schmuckloser noch und wohl auch einheit-
licher als das Haus Mommsenstrasse 6 wirkt die
schöne Front des Hauses Niebuhrstrasse 78. Auch
dieses Haus zeigt den körnigen gelben Mörtel-
putz und nur das Portal mit dem Treppenaufgang
ist in Werksteinen ausgeführt. Das Dach über dem
dritten Stockwerk tragen kleine Kupfersäulchen,
die auf vorspringenden Kragsteinen ruhen und ein
kupfernes Tempelchen krönt den darunter befind-
lichen Erker. Für die Hauswirkung im Strassen-
bilde ist besonders wichtig, dass Gessner die Höhe
 
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