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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

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Nr. 2
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Haenel, Erich: Max Hans Kühne
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https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0074
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Max Hans Kühne

seinem innersten Kern packte, ihn als ästhetisches,
physisches, soziales, ja nationales Individuum in
Anspruch nahm. Manch hartes und höhnisches
Wort ist gefallen über die literarische Sündflut, die
das zarte Pflänzlein der jungen Kunst manchmal
fast zu ertränken schien. Wer aber überzeugt ist,
dass eine künstlerische Bewegung, wie sie die
Gegenwart jetzt erlebt, einem Volke in einem Jahr-
tausend seiner Entwicklung nicht allzuoft beschieden
ist, der wird auch das gelegentliche Zuviel an Tinte,
das der Eroberer- und Entdeckerfreude entquoll,
der guten Sache zuliebe gern mit in Kauf nehmen.
V Die Gabe, allein schon durch ihre Werke den
direkten Weg zum geniessenden Verständnis der
Menge zu finden, ist unter den Künstlern, die Neues
und Eigenes zu geben haben, nur Wenigen ver-
liehen. Den Dresdner Max Hans Kühne möchte
ich zu diesen Wenigen zählen. Ihm ist ein natür-
licher Geschmack, eine Fähigkeit, auch unter
Schwierigkeiten für eine Aufgabe die ansprechendste
Lösung zu finden, Leichtigkeit und Anmut des Ge-
staltens in hohem Masse eigen. Für die Monu-
mentalarchitektur bringt er, wie seine Wettbewerbs-
entwürfe der Rathäuser in Kassel und vor allem in
Dresden, ebenso der preisgekrönte Entwurf einer
Umgestaltung des Dresdener Theaterplatzes zeigten,
die Wucht der Massengliederung und praktische
Klarheit der Grundrissbehandlung mit. Auf seinem
eigensten Felde jedoch ist er als Schöpfer von
Landhäusern, und in dieser Eigenschaft hat er eine
grosse und erfolgreiche Tätigkeit entfaltet. Einen
Ueberblick über die Gesamtheit seines Schaffens
zu bekommen, ist Dresden selbst noch nicht ver-
gönnt gewesen, so sehr man sich auch wünschte,
die Ausstellung, die der junge Künstler kürzlich im
Kaiser Friedrich - Museum zu Posen veranstaltet
hatte, in seiner Heimatstadt wiederzufinden. Im
Mittelpunkte des Interesses stand hier der Bebauungs-
plan der Villenkolonie Unterbergbei Posen, der durch
zahlreiche Einzelskizzen näher ausgeführt war, ein
Plan, in dem durch äusserst geschickte Gruppierung,
durch diskretes Einfühlen in die Landschaft, durch
eine Fülle liebenswürdiger ja poetischer Ideen in
der Führung der Wege, der Einordnung der Plätze,
der Benutzung von Terrainunterschieden ein Ganzes
von echt ländlicher Frische und doch vollkommenster
ästhetischer Kultur geschaffen war. Das Haus mit
dem stolzen Türmchen auf dem prachtvollen roten
Dach (Tafel 9) gehört hier hinein. Von ihm sagt
der Künstler selbst: Ein Häuschen mit zwei Fronten
an Strassen gelegen. Im allgemeinen würde jeder
diese Bauvorschrift vermutlich fürchten, und doch
ergibt sich bei einer Disposition, wie hier gezeigt,
ein kleines von hohen Mauern eingefasstes Eck-

höfchen, welches Reize bieten kann, die sich selten
in einem Garten finden lassen. Der Garten selbst
wird durch diese Anlage natürlich am wenigsten
von dem Hause verkleinert. — An andrer Stelle
wieder werden Haus und Garten durch eine Ter-
rasse herausgehoben, und die durch die ganze Breite
der Giebelfront gehende Loggia des Erdgeschosses
nützt diese erhöhte Lage in der wirkungsvollsten
Weise aus. Wie Max Hans Kühne einen Raum
als Ganzes, seiner besonderen Bestimmung nach-
gehend, farbig abzustimmen weiss, machen die vier
Interieurs deutlich. Die gedämpfte Ruhe des Musik-
zimmers wird durch die sonniggoldne Helle des
Wohnzimmers abgelöst; die breiten Fenster sind
als Blumenfenster erkerartig vorgebaut, die Wände
haben eine leuchtend gelbbraune Tapete. Aus dem-
selben Hause (Villa Müller in Dresden) stammt die
Diele, in der ein Akkord von Blau und Dunkel-
braun mit wenig aufgesetztem Gold den Grundton
der Behaglichkeit ausspinnt. Für die Anlage des
Raumes in der Villa Dr. Trutschel in Dresden
war massgebend, dass bei dem sehr beschränkten
Grundriss des Hauses das Boudoir vergrössert
werden sollte, ohne dem Wohnzimmer Eintrag zu
tun. Durch den halbrunden, von dem schlichten
weissen Pfeiler getragenen Einbau, dem sich rechts
der Bücherschrank einfügt, ist dies wie selbst-
verständlich geschehen. Die Nische mit erhöhtem
Sitze des Wohnzimmers ist im Schlosse Saerka als
Spielwinkel gedacht; die Dekoration stammt von dem
Maler Paul Perks, einem Schüler Otto Gussmanns.
V Man wird in diesen Bildern — denn mit ein-
fachen Zeichnungen kann sich der architektonisch
und malerisch empfindende Raumkünstler unsrer
Tage nicht mehr verständlich machen — keinen von
den Zügen finden, die man noch vor einem Jahr-
fünft von den Vertretern der neuen Bewegung ver-
langte: starkes Temperament, überraschende orna-
mentale Bildungen, irgendwelche Ausprägungen einer
stürmischen Eigenart. Ihre Werte sind stillere, die
darum aber herzlicher erfreuen und dauernder
wärmen. Und wenn noch Manches, was heute bei
uns in diesem Kunstreich geschaffen wird, seine
englischen, belgischen oder Wiener Wurzeln deut-
lich blosslegt, so können diese Häuser und Zimmer
denen zugerechnet werden, die in deutscher Sprache
reden und darum Deutschen auch am schnellsten
vertraut werden dürften. Ihr Schöpfer wird auf der
Deutschen Kunstgewerbeausstellung, die Dresden
in diesem Sommer veranstaltet, in der vielseitigsten
Weise sein Können zeigen. Er kann sicher sein,
dass seine Leistungen auch unter der grossen Menge
des Ausgezeichneten, das wir bei dieser Gelegen-
heit erwarten, nicht verschwinden werden. V
 
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