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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

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Nr. 3
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Lehmann, A.: Carl Brummer
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https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0111
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78

Carl Brummer-Kopenhagen

V Von dem künstlerischen Schaffen desJahres 1903
zeugt die Villa des Schriftstellers Axel Henri-
ques, Kopenhagen. Die Grundrisse fügen sich
noch nach malerischen Gesichtspunkten den
praktischen Forderungen des Landes, des Besitzers
ein. Im Aeusseren vermischen sich noch die Er-
innerungen früherer Zeit mit der unterdessen ge-
wonnenen inneren Ueberzeugung. Schon aber ist das
Drängen nach bewusster selbständiger Architektur-
schönheit bemerkbar, die sich weniger in originellen
Detailformen ausspricht, wenn auch der Versuch
nicht zu verkennen ist, als vielmehr in der ab-
gewogenen Gliederung der einzelnen Bauteile. Man
fühlt, dass der Architekt in der Ausgestaltung der
Fassaden damals noch nicht ganz den festen Boden
gefunden, auf dem er auch nach dieser Seite wie
auf dem Gebiete der Innendekoration sich hätte
weiter bilden können. Einzelne Motive dürfen so-
gar als nicht gerade glücklich in Form und Ver-
hältnis bezeichnet werden, wie z. B. die Zusammen-
ziehung der Fenstergruppe im Speisezimmer des
Erdgeschosses mit dem Schlafzimmerfenster und
Balkon des oberen Stockwerkes. V

V Der fertige Künstler repräsentiert sich mit der
Villa des Direktors Ivar Knudsen in Kopen-
hagen (1904), einem Werk, in dem nach Grund-
riss und Aufbau das Streben des Architekten klar-
liegt. Bei aller zweckentsprechenden Anordnung
der Räume ist in gewissem Sinne eine strenge
Symmetrie durchgeführt, die sich in den Fassaden
durch eine klassische Ruhe und Vornehmheit
äussert. y

V Alle Aesthetik der Baukunst beruht auf zwei
wesentlichen Bedingungen: Proportion und Ab-
straktion. Das sichere einfache, durch Zahlen je-
doch nie genau bestimmbare Verhältnis von Höhen
zu Höhen, von Breiten zu Breiten, von Höhen zu
Breiten, von Licht- und Schattenflächen löst durch
das Auge im Geiste des denkenden Menschen jene
angenehmen Empfindungen aus, die wir Schönheit
nennen. Und mit Abstraktion möchte ich jene
Wirkung der Baukunst bezeichnen, die sich aus
dem Eindruck des Mächtigen, des Massigen, des
Monumentalen ergibt, die aus der abstrakten Form
und Farbe des Baumaterials zu uns redet. Beide
Momente hat Carl Brummer in gediegener Weise
an diesem Werke erfüllt. In ungesuchter Natürlich-
keit entwickeln sich die Fronten, kein Bauteil ist
unmotiviert, kein Fenster unlogisch eingesetzt, keine
schmückende Form nicht materialgemäss gebildet,
oder aufdringlich in der Fläche betont, oder scha-
blonenhaft behandelt. Organisch fügt sich alles
konstruktiv sichtbar ineinander, der Backstein ist
trotz seines kleinen, leicht Unruhe bewirkenden

Formates in schlichter Weise zu neuer Schönheit
verwendet. Und wiederum können wir wie bei
seinen Innenräumen die Kunst Brummers in
ihre zusammenwirkenden Faktoren zerlegen, das
Studium und das Verständnis alter Vor-
bilder, das starke Empfinden des moder-
nen Menschen und die b o d e n w ü c h s i g e
K ra f t s e i n er S c h o 11 e. In reizvoller, schmucker
Weise tönt selbst aus den etwas eintönigen Ab-
bildungen die Freude an der Farbe heraus, der
Kontrast des roten Steines mitden weissgestrichenen,
breiten, von aussen aufgesetzten Fensterrahmen und
den dunklen Oeffnungen. Das in charakteristischer
Linie geneigte Dach verleiht dem Gebäude jene
ruhige Silhouette, die es auch mit dem architek-
tonisch geschickt angelegten Garten zusammen-
wachsen lässt, während die Strassenseite mit seinem
geschmackvollen, den Eingang betonenden Vordach,
dem hochgezogenen Treppenhausfenster und dem
sich ihm anschmiegenden Giebel klar die innere
Raumbestimmung zum Ausdruck bringt. Wollte
man Baukunst hier symbolisch deuten, könnte man
aus den geschwungenen Kurven dieser drei Mo-
mente ein Emporsteigen, ein Ausklingen des Zweckes
herauslesen. Das Detail des Eingangs gibt auch
ein anschauliches interessantes Bild der Kombination
typischer dänischer Figuren mit dem alten klassi-
schen Motiv der Kariatyden. V
V Nun hatte Brummer seinen Weg gefunden, den
er auch in der noch im Bau befindlichen Villa des
Direktor Heyman-Kopenhagen weiter verfolgt
hat. Der üppige Grundriss zeigt eine grosszügige
Anlage mit sehr guten Raumverhältnissen und ist
nach den Fassaden hin wieder vollkommen sym-
metrisch ausgebildet. Für einigermassen Abwechs-
lung sorgt nur ein schmaler gedeckter Verbindungs-
gang zwischen Hauptgebäude und Stall, wodurch
gleichzeitig der Hof einen wirksamen Abschluss
erhält. Ein ungefähres Bild der Ansichten geben
die Photographien des plastischen Modells. Die
Formen der Renaissance werden noch bestimmter
ausgesprochen, ohne jedoch in der Gesamtwirkung
die Weiterentwicklung vermissen zu lassen. Das
vornehme Verhältnis der Horizontal- und Vertikal-
gliederung durch Bänder und Lisenen einerseits
und durch zurückgeschobene Bauteile andererseits,
beweist auch hier wieder den feinsinnigen Künst-
ler, der durch seine Werke wiederum lehrt, dass
ein moderner Baustil nicht erst aus dem gewalt-
samen Suchen nach originellen absolut neuen For-
men entstehen muss, sondern wohl auf dem über-
lieferten Geist alter anerkannter Schönheit zu
frischem Leben erblühen kann, wenn sich ihm nur
gesunde im Dasein wurzelnde Eigenkraft zugesellt.
 
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