Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

DOI Heft:
Nr. 4
DOI Artikel:
Lux, Joseph August: Wie man ein Wohnhaus baut
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0135
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
99

Wie man ein Wohnhaus baut

Zimmer vorgelegt, muss er breit genug sein, meh-
rere Personen aufzunehmen, einen freundlichen
Blick auf Garten und Platz zu gewähren und eine
ruhige Lichtflut dem Räume zuzuführen. Die ältere
Architektur hat ihn in mustergiltiger Weise vor-
gebildet. Als monumentale Ausbildung des Fensters
bedeutet er ein freundliches, belebendes Element
für das Innere und Aeussere des Hauses. Auch
von der Lage, Grösse und Form der Fenster, als den
natürlichen Luft- und Lichtquellen des Hauses, hängt
die Wohnlichkeit wesentlich ab. Man tut gut, an
Stelle der üblichen zwei Zimmerfenster ein einziges
breites, quadratisches Fenster oder ein solches in
Form eines liegenden Rechteckes in der Mitte der
Fensterwand möglichst hoch anbringen zu lassen,
um nicht nur eine ausgezeichnete Beleuchtung und
Lüftung zu erzielen, sondern auch rechts und links
tiefe Ecken zu gewinnen, die, gut ausgebaut, ge-
eignet sind, das Gefühl der Geschlossenheit und
Geborgenheit zu erhöhen. Auch hierin ist die alte
Volkskunst mit dem guten Beispiel vorangegangen
und zeigt in vielen Gegenden an Bauernhäusern
die quadratischen Fenster, die oft als Doppelquadrat
nebeneinander gelegt sind und mit ihrer charakte-
ristischen Sprossenteilung von innen und aussen
entzückend aussehen. Fenster und Türen bilden die
Angelpunkte, um die sich die neue vernünftige
Raumgestaltung dreht. Von den unseligen grossen
Flügeltüren, die als verpöbeltes Ueberbleibsel re-
präsentativer Palastarchitektur in jeder armseligen
Mietwohnung eine räumliche Verlegenheit bilden,
wird man natürlich gerne absehen. Ebenso von dem
ganz widersinnigen holzbraunen Anstrich und der
künstlichen holzähnlichen Maserung der Holzteile,
deren Farbe damit gerechtfertigt werden sollte, dass
man den Schmutz darauf nicht sieht. Wahre hygie-
nische Kultur wird schon aus diesem Grunde zum
weissen Anstriche zurückkehren, der zur gründ-
lichen Reinlichkeit anhält, weil eben Schmutz und
Staub darauf leicht sichtbar wird. V
V Der Grundsatz ist bereits festgestellt, dass Mate-
rial verwendet werden soll, das die Natur des Lan-
des gibt und das fast immer der guten Tradition
angehört. Es ist nicht zu begreifen, warum der
einförmige graue Dachschiefer zur Eindachung den
schönen roten Ziegeln, die in unseren Gegenden
gebrannt werden, vorgezogen wird. Billigkeit kann
nicht vorgeschützt werden, denn der übliche zweck-
lose, spielerische Zierrat, mit dem die Dächer der
Villen gewöhnlich herausgeputzt werden, kostetmehr
als einfach schöne, solide Ziegeldeckung. Wer an
alten Häusern in der Stadt oder im Dorfe gegen
den Abendhimmel die kühne und zugleich ruhige
Silhouette von Dach und Schornstein gesehen, wird

das Bild nicht leicht vergessen. Auch der alte
Schornstein verdient Beachtung. Wie das Dach
hoch aufstrebend, weiss getüncht, oft monumental
gebildet, scheint er sich mit den lichten Wolken zu
vermählen, leuchtet er auf dem tiefblauen Grund
des reinen Firmaments. Daran denke man beim
neuen Familienhause. V

V Die wesentlichsten architektonischen Teile des
Gartens sind der Gartenzaun und die Laube. Die
gute Ueberlieferung des Landes schreibt die Form
des Gartenzaunes vor: ein Steinsockel, in regel-
mässigen Abständen Steinpfeiler, dazwischen der
Holzzaun ruht, weiss gestrichen. Die Laube oder
der Laubengang, auch Pergola genannt, von Ahorn,
Geissblatt, Weinlaub und Kletterrosen überwuchert,
ist das alte heimische Gartenmotiv, oft zum Lust-
haus oder Salettl umgewandelt. Diesem Vorbild soll
der Hausgarten folgen. Man wird nicht wie in den
protzigen Cottages, die sich mit ihrer Palazzoarchi-
tektur als Schloss gebärden, das Hausgärtchen als
Park behandeln, mit Rasen und Baumgruppen als
Imitation einer sich ins Unendliche aufrollenden
Landschaft, mit Grotten, Springbrunnen, Felsen-
partien, glasierten Gartenfiguren, Hirschen, Zwer-
gen, Riesenpilzen und ähnlichen Geschmacklosig-
keiten theatralisch aufgeputzt, und damit nur den
Eindruck des Unzulänglichen erzielen wollen. Man
wird nach dem guten alten Beispiel einen Blumen-
garten anlegen, darin die heimatlichen Blumen
pflegen. Bauernblumen in geraden steinumfassten
Beeten mit bekiesten oder gepflasterten Wegen da-
zwischen, und im richtigen Verhältnis zum be-
schränkten Raum nicht Rasen, Baum und Baum-
gruppen, sondern Blumenbeet, Laube und Hecke
und Solitär- oder Kübelpflanzen als die eigentlichen
Bestandteile des Hausgartens gelten lassen. Auf
diese Weise können wieder Gärten entstehen, die
zu jenen liebenswerten Biedermeiergärten passen,
die mit ihren Glaskugeln, ihrer bunten blühenden
Blumenwildnis eine hervorragende Schönheit un-
seres Landes bilden. V

V Das Gesagte will nicht mehr sein als das kleine
Einmaleins der Wohnhausästhetik, das jedem Bau-
herrn geläufig sein soll, wenn er darangeht, sein
eigenes Heim zu bauen. Man mag billig wünschen,
dass es bereitwilliges Verständnis finde, und dass
im Sinne seines leitenden Gedankens die Zukunft
in unseren Umgebungen und Provinzen wieder
Einzelfamilienhäuser entstehen sieht, die nicht
eine Verminderung sondern eine Vermehrung der
Schönheit des Landes bedeuten, und derentwegen
wir uns vor den Grossvätern, die in ihren Bauten
die erhärteten Grundsätze kraft ihrer feinen Kultur
unbewusst befolgten, nicht mehr zu schämen haben.
 
Annotationen