Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

DOI Heft:
Nr. 4
DOI Artikel:
Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Will Bradley: ein amerikanischer Wohnungskünstler
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0148
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Iii

Will Bradley, ein amerikanischer Wohnungskünstler

die von Siegeszuversicht überströmten und, offen-
bar in Erinnerung an Coopersche Romane in einer
Art und Weise sich äusserten, als handle es sich
bei der Beschickung des Unternehmens um eine
kulturelle Mission in einem halbwilden Lande, dem
man nun die Segnungen der „älteren Kultur", auch
die Ladenhüter älteren Datums wohlwollend anbiete.
Hochmut kommt vor dem Fall; die Niederlage, die
man erlebte, Hess an Deutlichkeit nichts zu wünschen
übrig. Frankreich schickte damals einen künst-
lerisch ebenso fein gebildeten als geschäftlich ge-
wandten Mann, den bekannten Kunsthändler Bing,
nach den Vereinigten Staaten, der nach seiner
Rückkehr alle Wahrnehmungen und deren gab
es nicht wenige zu machen in einem Buche
niedergelegt hat, das zwar nicht im Stile des „Paris
en Amerique" gehalten ist, dennoch aber der be-
herzigenswerten Wahrheiten viele enthält und vor
allem betont, dass trotz aller Nachwirkung euro-
päischer Einflüsse sich doch überall eine ausge-
sprochene Tendenz zu eigenartiger Weiterbildung
zu erkennen gebe, speziell auf dem Gebiete der
Wohnungsarchitektur. Es ist ja klar, dass ein Land
mit soviel klimatischen Differenzen, wie sie der
nordamerikanische Kontinent aufweist, auf die Dauer
mit dem aus Europa ererbten Formenkram nicht
auskommen konnte, ist er es doch in erster Linie,
der dem strikte ausgesprochenen Bedürfnis nach
sachlicher Ausgestaltung den Weg vertritt und die
baulichen Verhältnisse manchen Orts in geradezu
unheilvolle Bahnen gelenkt hat, unterstützt freilich
vielfach durch eine Art des Unterrichtsganges an
mittleren und höheren Schulen, die mit den For-
derungen der Wirklichkeit, oder besser gesagt, der
Natürlichkeit im Widerspruch steht, wie noch so
vieles andere, das dem Menschen durch diese Ein-
richtungen, die oft nichts weniger als erzieherisch
richtig funktionieren, aufgeladen wird. Darin haben
die amerikanischen Einrichtungen gleichen Zweckes
vielfach einen unglaublichen Vorsprung. Dasgiltauch
vom Wohnen. Natürlich kann hier nicht die Rede
sein von den Palästen der Milliardäre, denn sie
repräsentieren nicht jene Schicht der Bevölkerung,
welche für die Kultur in erster Linie von Belang
ist. In dieser Hinsicht kommt weit mehr der geistig
tätige Mittelstand in Betracht. Das Haus, das vom
Mittelstande bewohnt wird, rechtfertigt aber die Be-
hauptung durchaus, dass man im allgemeinen in
Nordamerika in gesundheitlicher Beziehung besser,
in kultureller Hinsicht vorzüglicher wohne, als es in
der alten Welt der Fall ist. Wie viele grobe Fehler
treten einem da beim Wohnhausbau noch tagtäglich
entgegen. Es wird Sache eines späteren Artikels
sein, hierauf des spezielleren zurückzukommen.

V Man glaubte anlässlich der Weltausstellung von
St. Louis durch Vorführung einer grösseren Reihe
von Wohnungseinrichtungen den Amerikanern Dinge
zu bieten, vor denen sie staunend Halt machen,
die sie als Zeugen einer auf hoher Entwicklungs-
stufe stehenden Wohnungskunst mit grösstem Re-
spekte behandeln würden. In bezug auf die künst-
lerisch-formale Ausbildung bot z. B. die deutsche
Abteilung eine Reihe von vorzüglich erfundenen
und technisch durchgeführten Interieurs, die durch
ihre z. T. originelle Art der Lösung verschiedener
Fragen auffallen mussten. Fasste man aber die
Bedeutung derselben hinsichtlich der Wohnlichkeit
- und diese ist doch der ausschlaggebende Faktor —
ins Auge, so muss, urteilt man unparteiisch, zuge-
geben werden, dass nach dieser Richtung in Ame-
rika längst Bestrebungen gleicher Art Fuss gefasst
haben, die dem Bedürfnisse in ausgiebigster Weise
Rechnung tragen. Blätter z. B. wie „The Ladies
Home Journal", eine Modezeitung vornehmster Art,
bringen schon seit Jahren in jeder Nummer Ab-
bildungen, Kostenvoranschläge u. s. w., die dem Ge-
biete des Wohnhausbaues entnommen, deutlich
zeigen, auf welcher Linie die Ansprüche des Mittel-
standes in bezug auf Wohnungswesen sich bewegen.
„The House beautiful", „The Craftsman", Zeit-
schriften, die schon seit einer Reihe von Jahren
erscheinen und für gesunde Anschauungen von je-
her plädierten, bringen fortwährend Entwürfe für
Wohnhäuser einfacher Art und deren sachgemässe
Einrichtung, bei der prinzipiell Abstand genommen
wird von all jenem zierenden Beiwerk, das auf
maschinellem Wege hergestellt und massenhaft auf
den Markt geworfen im geschmacksungebildeten
Bauherrn und Baumeister begeisterte Abnehmer
findet. Gerade dieser Sorte von Modernität stehen
die zielbewussten Bestrebungen der gebildeten Welt
in Amerika in ausgesprochen ablehnender Haltung
gegenüber. Uebrigens braucht nur auf eine Tatsache
hingewiesen zu werden, die für das gesunde Auf-
blühen der angewandten Kunst in den Vereinigten
Staaten bezeichnend ist. Es ist die Blüte der Buch-
kunst. Freilich die Periode der Prachtwerke,
die auf europäischem Boden geschmacksverwüstend
im schlimmsten Sinne gewirkt hat, sie ist auf die
Länder der älteren Kultur beschränkt geblieben.
So stiessen „drüben" die seit einer Reihe von
Jahren erhobenen Bestrebungen nach künstlerischer
Durchbildung alles dessen was zum Buche gehört,
nicht auf jene Schwierigkeiten, die ein gründlich
irregeführter Geschmack immer erlebt, wenn die
einfache Sprache künstlerischen Empfindens in ihre
Rechte tritt und überflüssiges, mit billigen Mitteln
in geringwertiger Weise hergestelltes Zeug rück-
 
Annotationen