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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

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Nr. 5
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Wagenführ, Max: Albert Schutte und Volmer
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https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0184
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ALBERT SCHUTTE UND VOLMER

VON M. WAGENFÜHR-CHARLOTTENBURG

Unsere moderne Baukunst ruft nach Persönlich-
keiten. Nicht nur die ausgesprochenen An-
hänger des Individualismus, die überhaupt einem
Werke den Kunstwert absprechen, das nicht Spuren
einer Persönlichkeit aufweist, sondern unser ganzes
modernes Kunstempfinden, das durch die lange Zeit
hindurch betriebene Stilreiterei aufs tiefste ange-
ödet wurde, ist der Farblosigkeit des ewigen Einerleis
satt und sucht nach persönlichen Noten, nach irgend
einem Etwas, das uns das Allgewohnte von einer
neuen Seite, in einem anderen Lichte zeigt. Das
Wahre, das Schöne, gesehen im Wiederspiel des
menschlichen Geistes, das ist unserem heutigen
Empfinden die Kunst. V

V Und was in ihren übrigen Zweigen schon länger
ins Volksbewusstsein überging, - - in der Baukunst
fängt es erst leise an, sich Geltung zu verschaffen.
Noch liegen wir zu tief in den Banden der aka-
demischen Erziehung, der klassischen Stile, und
nur schwer löst sich der moderne Baukünstler von
den lieb gewordenen Fesseln. Und doch brauchen
wir ein neues Kleid für die neue Zeit. Weder
Toga noch Zopf, weder mittelalterliches Lands-
knechtwams noch alte ländliche Volkstracht steht
uns heute zu Gesicht. Warum soll die Baukunst
rückständig bleiben, wo die anderen schon längst
der Maskerade überdrüssig sind? V

V Es liegt uns fern, die Elemente und Gründe zu
übersehen, die der Tektonik ihren Konservatismus
geben; aber diese ehernen Gesetze binden alle
Künste, nur die Baukunst band sich zu lange an
die Form. Jede Zeitepoche entwickelte ihren
logischen Stil, die Moderne ringt noch mit dem
Ausdruck und das schwerfällige Handwerk folgt
ungern dem leichten Schwung des Geistes. V

V Sehen wir uns nach Erscheinungen um, die
Träger der neuen Zeit sind, so sind wir nicht in
Verlegenheit. Diese Zeitschrift hat ihr Ziel ge-
funden in der Propagierung der neuen Ideen, sie
hat Künstler aufgezeigt, die moderne Kleider tragen,
— und nicht nur moderne, - - die sich auch indi-
viduell zu kleiden wissen. V

V Ein weiteres Künstlerpaar tritt heute vor den
Leser: Albert Schutte und Ad. Volmer. Wer das
Schaffen dieser Architekten verfolgt hat, der kennt
ihre Art. Sie prägt sich ein, umschmeichelt die
Sinne und steht doch klar und aufrecht vor dem
prüfenden Verstand. Etwas Heimatliches weht

durch ihre Kunst: „Deutsch" wäre zu allgemein,
was ist deutsche Baukunst?! Wir haben bisher
nur landschaftliche Bauweisen oder deutsche Varia-
tionen allgemeiner Stilepochen, am ausgeprägtesten
wohl in der deutschen Renaissance. V

V Die Heimat der Schutte und Volmer ist das
Bergische Land. So wie dort das Rokoko mit der
ererbten Bauweise, die wiederum sich auf die land-
läufigen Baumaterialien und Lebensgewohnheiten
stützte, eine glückliche Verschmelzung einging, so
haben in diesen Baumeistern die Gefühlswerte der
heimischen, bodenwüchsigen Bauten mit den auf
der Schule und auf Reisen erlernten und erschauten
Stilformen eine besondere Art erzeugt, die, getragen
von ihrem individuellen Charakter und einem er-
lesenen Kunstfühlen, ihre persönliche Note aus-
macht. V

V Betrachten wir die vorliegenden Entwürfe. Was
ist Eigenstes der Meister, was der Heimat und der
Studien? Können wir Imponderabilien wägen
und sondern? Wir empfinden alle drei Faktoren
gleichzeitig und als viertes bewundern wir den
technischen Geist, die Verstandestätigkeit, die den
Meister befähigt, der gestellten Aufgabe gerecht zu
werden, nicht nur in der konstruktiven Lösung der
Raumbedarfsfrage, sondern auch in dem sichtlichen
Anpassen an das Wesen, den Charakter, den Beruf
des künftigen Bewohners. Im einzelnen dies un-
seren sachverständigen Lesern nachzuweisen, kann
uns wohl erlassen werden. Man beachte, wie
überall der Aufbau aus dem Grundriss folgerichtig
aufwächst, wie in allen Projekten die Dachfläche
das Ganze deckt und zur geschlossenen Gruppe
zusammenfasst. Der differenzierte Kunstgeschmack
zeigt sich in der sparsamen Verwendung der Orna-
mente, in den ästhetisch fein abgewogenen Mass-
verhältnissen der Massen und in der Verwendung
der Farbe. Die Hauptgliederung, das Zusammen-
fassen grosser Flächen, ihr Verhältnis zur Dach-
fläche ist mustergültig gehandhabt. Die Ausarbeitung
der Details, insbesondere der Fensteröffnungen ist
von ganz besonderem intimen Reiz. Kurz, wir
sehen in allem bestätigt, dass wir nicht zuviel be-
haupten, wenn wir die Künstler in die erste Reihe
unserer Vorkämpfer für die deutsche Bauweise der
Jetztzeit stellten. Nach ihrer besonderen Anlage
sind Alb. Schutte und Volmer vor allen berufen,
dem Deutschen sein Eigenheim zu bauen.
 
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