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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

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Nr 11
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Schönermark, Gustav: Das moderne im Wohnhausbaue
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Vitzthum von Eckstädt, Georg: C. Harrison Townsend
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https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0461
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370

C. Harrison Townsend

V Schon heute lässt sich in der Zimmereinrichtung
der modernsten Wohnhäuser dieses Gemeinsame
wohl erkennen. Die am meisten gelungenen
Schöpfungen haben etwas Antikes. Allerdings
geht man nicht auf die antiken Einzelformen zurück,
wodurch ja wieder die Nachahmung eines histo-
rischen Stils angebahnt wäre, wohl aber erkennt
man, wenn auch unbewusst, dass das Wesentliche
die Verhältnisse sind, und fühlt, dass keine Zeit
an sich und der unserigen so zusagend geschaffen
hat wie eben jene längst vergangene der Griechen
und Römer. Auch vom Mittelalter könnte man in
dieser Hinsicht lernen, allein seine Ziele verlassen
den Erdboden, um den Himmel zu gewinnen, und
das ist dem modernen Menschen mit seiner natur-
wissenschaftlichen Bildung entgegen. Mögen also
auch die Einzelformen sein wie sie wollen, das Ab-
wägen der Massen wird nach den Grundsätzen ge-
schehen, die die Griechen anwandten, jenes Volk,
vor dessen Kultur bisher alle Zeiten staunend standen

und die auch wir trotz aller unserer Erfindungen
noch keineswegs zu überflügeln vermocht haben. So
findet auch die moderne Kunst ihre Lehrmeister,
wo alle Kunst sie bisher fand, bei den Griechen.
V Die Gründe dafür bestehen wie zu allen Zeiten
noch heute in dem Universellen, rein Menschlichen,
oder sagen wir rein Natürlichen, das sie bergen.
Nicht auf dem allgemeinen Streben nach dem Ueber-
irdischen wie im Mittelalter, sondern auf dem nach
irdischem Glücke beruht die antike Formenwelt
und beruht wiederum die neuzeitliche. Massgebend,
d. h. gestaltend wirkt allerdings auch alles auf
letztere ein, was wir vor der alten Zeit voraus-
haben, bezw. was durch unser Klima, unsere Staats-
einrichtungen usw. bedingt ist. Und besonders im
Wohnhausbaue tritt das deutlich zu Tage. Es sei nur
an die verschiedenartige Ausnutzung des Dampfes,
der Elektrizität, der neuen Baustoffe usw. erinnert.
Aus diesen Faktoren erwachsen die modernen
Kunstformen, machen lassen sie sich nicht. V

C. HARRISON TOWNSEND

Harrison Townsend ist durch seine grossen Bauten
bekannt geworden, seine Geschäftshäuser in
London und namentlich die beiden Museen, das
Horniman-Museum in Forest Hill bei London und
die Whitechapel Art Gallery in High Street. Das
Horniman-Museum ist die üppige Stiftung eines
reichen Mannes, der für den Bau und den Inhalt
etwa zwei Millionen Mark opferte. Harrison Town-
send hatte für die Konstruktion 40000 zur Ver-
fügung, vielleicht zu viel, um nicht seiner Laune
die Zügel schiessen zu lassen. Die Fassade mit
dem grossen Mosaikfries von Anning Bell und der
Reihe nicht tragender Säulen darüber, daneben der
viereckige konisch zulaufende Turm, der ein wenig
den stilisierten Schornsteinen industrieller Aus-
stellungen gleicht, alles das ist stark phantastisch
und erinnert an die bedenkliche Pracht der ame-
rikanischen Plutokraten. In dem Plane dagegen,
einem Musterprojekt für moderne Museen, gab sich
ein erfindungsreicher, rationeller Baumeister zu
erkennen, der über dem Schmuck nicht das Not-
wendige vergisst. V
V Wir zeigen heute Townsend von einer wenig be-
kannten Seite, die nur seine Vorzüge zur Geltung
bringt, als den Erbauer der reizenden Landhäuser
in der Nähe Londons. Es ist unmöglich, klügere
und einfachere Pläne auszudenken und das Aeussere

der Häuser anmutiger zu gestalten. Man findet in
den Fassaden nicht eine Spur von Ornament. Nur
die Einteilung der Giebel in die Flächen des Daches,
das Ueberbauen von Dächern aller möglichen
Formen bringt die Abwechslung, und der Schmuck
besteht aus gut gewähltem Material und geschmack-
vollem Anstrich. Das Wohltuende ist der Mangel
an allen Spielereien mit dem Primitiven. Towns-
ends Landhäuser sind keine für Grossstädter ein-
gerichtete Bauernsitze, wie so viele Erfindungen
seiner Kollegen, sondern moderne Zweckbauten,
für Licht und Luft so praktisch wie möglich ein-
gerichtet. Dabei überlässt er sich manchmal, wo es
die Aufgabe gestattet, einer die Tradition durch-
brechenden Erfindung. Es gibt nichts Amüsanteres
als die scheunenartige St. Martinskirche inWonersh
in Surrey. Ich weiss nicht, ob die Form auf ältere
englische Landkirchen zurückgeht. Es scheint fast?
so natürlich wirkt in dem flachen Gelände der
niedrige Bau mit dem flachen Dach und dem
barocken Aufbau für die Glocken. In Norwegen gibt
es Bauernkirchen von ähnlicher Form, an die, wie
hier die Vestry, die Wohnung des Pfarrers ange-
gliedert ist. Die Mauern der Kirche sind ein Meter
dick. Das Innere ist mit Fresken von Mrs Lea-Mer-
ritt geschmückt in der Münchener Keim-Technik.

Vitzthum.
 
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