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I. CAPITEL.
lieber die Bestimmung des Alters der Gebäude, die Benennung der verschiedenen
Baustyle des Mittelalters und über das Verdienst ihrer Erfindung.
D ie Bestimmung des Alters der Gebäude ist das erste unentbehrliche Erfodernifs einer
Geschichte der Baukunst, indem nur auf diese Weise eine richtige Ansicht ihrer Ent-
Wickelung begründet werden kann. Diese Bestimmung ist aber in den meisten Fällen
mit Schwierigkeiten verbunden, welches die Menge der sich widersprechenden Hypo-
thesen bezeuget, die bisher über die Entstehung und Ausbildung aller alten Baukunst
und namentlich üher die Kirchenbaukunst des Mittelalters aufgestellt worden sind.
Bei der Aufsuchung der Nachrichten über die Erbauung der Gebäude findet sich
oft, dafs die angegebene Periode der Gründung mit dem Styl derselben in keiner Ue-
bereinstimmung ist, indem dieser einer früheren oder späteren Zeit angehört. So wird
z. B. in allen Beschreibungen des Strafsburger Münsters erzählt, das Schiff der Kirche sey
von Bischof Werner im Jähr l O l 5 gegründet und in 13 Jahren vollendet worden. (*)
Auf dieses Zeugnifs ist die Identität des angeblich von Bischof Werner erbaueten Schiffes
der Kirche mit dem noch vorhandenen unbezweifelt angenommen worden, da doch die
Bauart desselben dem l3 Jahrhundert angehört. Hiermit stimmt auch eine, so viel
ich weifs bisher übersehene Stelle des Schadeus überein, wo er sagt: „Anno i2y5
„wurde die Kirche so jetzund das Münster heifst, erst fertig, (pag, i3) und dann als
er (pag l5) von dem grofsen Brande des Münsters im Jahr 1298 spricht, heifst es:
„und verbrann alles was Holzwerk war in dem Münster, sonderlich die Bün (die Decke)
„ dann es damalen noch nicht gewölbt gewesen. Auch viel schön Steinwerk zersprang
„vor grofser Hitz. Da mufste man aufs neue anfangen zu bauen und zu bessern, Was
„durch die Brunst verderbet worden, mit grofsen Kosten, und ward alles viel schö-
ner gemacht, als es zuvor <rewesen. Damalen machte man die obern Fenster mit dem
. Um<*an°\" Aehnliche Irrthümer sind so häufig und werden so oft wiederholt, dafs
es nicht unwichtig seyn wird, über die Grundsätze, welche bei dergleichen Untersu-
chungen zu befolgen sind einiges zu bemerken.
Für die historische Wahrheit von Angaben die Kunstgeschichte betreffend giebt e3
zweierlei Beweise; einen direkten durch Urkunden und einen indirekten durch Schlüsse.
Sind die Verfasser von jenen gleichzeitig, waren sie notorisch in einer Lage, wo sie
die Wahrheit wissen konnten, und läfst sich nicht annehmen, dafs sie im AUgemei-
(«) Siehe Schideua Beschreibung des Münster« zu Strasburg. 1687. 4- PaS- n"d Granddidier cssay iur la Cathe-
drale de Strasbourg j>ag. 16. 18.
I. CAPITEL.
lieber die Bestimmung des Alters der Gebäude, die Benennung der verschiedenen
Baustyle des Mittelalters und über das Verdienst ihrer Erfindung.
D ie Bestimmung des Alters der Gebäude ist das erste unentbehrliche Erfodernifs einer
Geschichte der Baukunst, indem nur auf diese Weise eine richtige Ansicht ihrer Ent-
Wickelung begründet werden kann. Diese Bestimmung ist aber in den meisten Fällen
mit Schwierigkeiten verbunden, welches die Menge der sich widersprechenden Hypo-
thesen bezeuget, die bisher über die Entstehung und Ausbildung aller alten Baukunst
und namentlich üher die Kirchenbaukunst des Mittelalters aufgestellt worden sind.
Bei der Aufsuchung der Nachrichten über die Erbauung der Gebäude findet sich
oft, dafs die angegebene Periode der Gründung mit dem Styl derselben in keiner Ue-
bereinstimmung ist, indem dieser einer früheren oder späteren Zeit angehört. So wird
z. B. in allen Beschreibungen des Strafsburger Münsters erzählt, das Schiff der Kirche sey
von Bischof Werner im Jähr l O l 5 gegründet und in 13 Jahren vollendet worden. (*)
Auf dieses Zeugnifs ist die Identität des angeblich von Bischof Werner erbaueten Schiffes
der Kirche mit dem noch vorhandenen unbezweifelt angenommen worden, da doch die
Bauart desselben dem l3 Jahrhundert angehört. Hiermit stimmt auch eine, so viel
ich weifs bisher übersehene Stelle des Schadeus überein, wo er sagt: „Anno i2y5
„wurde die Kirche so jetzund das Münster heifst, erst fertig, (pag, i3) und dann als
er (pag l5) von dem grofsen Brande des Münsters im Jahr 1298 spricht, heifst es:
„und verbrann alles was Holzwerk war in dem Münster, sonderlich die Bün (die Decke)
„ dann es damalen noch nicht gewölbt gewesen. Auch viel schön Steinwerk zersprang
„vor grofser Hitz. Da mufste man aufs neue anfangen zu bauen und zu bessern, Was
„durch die Brunst verderbet worden, mit grofsen Kosten, und ward alles viel schö-
ner gemacht, als es zuvor <rewesen. Damalen machte man die obern Fenster mit dem
. Um<*an°\" Aehnliche Irrthümer sind so häufig und werden so oft wiederholt, dafs
es nicht unwichtig seyn wird, über die Grundsätze, welche bei dergleichen Untersu-
chungen zu befolgen sind einiges zu bemerken.
Für die historische Wahrheit von Angaben die Kunstgeschichte betreffend giebt e3
zweierlei Beweise; einen direkten durch Urkunden und einen indirekten durch Schlüsse.
Sind die Verfasser von jenen gleichzeitig, waren sie notorisch in einer Lage, wo sie
die Wahrheit wissen konnten, und läfst sich nicht annehmen, dafs sie im AUgemei-
(«) Siehe Schideua Beschreibung des Münster« zu Strasburg. 1687. 4- PaS- n"d Granddidier cssay iur la Cathe-
drale de Strasbourg j>ag. 16. 18.