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Moller, Georg; Gladbach, Ernst
Denkmähler der deutschen Baukunst (Band 1): Beiträge zur Kenntniss der deutschen Baukunst des Mittelalters: enthaltend eine chronologisch geordnete Reihe von Werken, aus dem Zeitraume vom achten bis zum sechszehnten Jahrhundert von Georg Moller — Darmstadt, 1821

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https://doi.org/10.11588/diglit.8366#0016
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nen leichtsinnig erzählen, oder in dem gegebenen Falle eine Neigung hahen konnten
die Wahrheit zu entstellen, so sind solche gleichzeitige, unterrichtete und unpartheiische
Erzähler von grofsem Gewicht. Zu den Zeugnissen dieser Art gehören vornämlich In-
schriften, ohschon auch diese oft weit später sind, als die Begebenheiten, welche sie
erwähnen; namentlich sind viele mit Inschriften versehene Grabmähler lange Zeit und
oft Jahrhunderte nach dem Tode der Personen errichtet, deren Andenken sie erhalten
sollen; wie dieses zum Beispiel mit dem des Königs Dagoberts von Frankreich (*) und
dem von Kaiser Karl dem zjten (**) zum Andenken Herzog Wittekinds von Sachsen zu
Engern in Westphalen gewidmeten Grabmale der Fall ist. Auch hier ist daher die
gröfste Vorsicht bei Prüfung der Quellen nöthig.

Spätere Erzähler, welche auf das Zeugnifs Anderer Etwas als wahr versichern,
sind nur in dem Grade glaubwürdig, als sie aus richtigen Quellen schöpfen konnten,
und übrigens Urtheilskraft und gesunde Kritik besitzen. Es ist indessen gewifs, dafs
die Geschichtschreiber des Mittelalters, gewohnt auf Treu und Glauben die unsinnigsten
Märchen der Heiligengeschichten als unbezweifelte Wahrheit zu verbreiten, nicht geeig-
net sind grofses Vertrauen auf ihre Glaubwürdigkeit zu begründen. Nach der von
mir darüber gemachten Erfahrung, haben diese Angaben, welche zwar leider oft die
einzigen vorhandnen sind, keinen höhern Werth, als den der Volkssagen. Aber auch
in dem Falle, dafs eine Angabe vollkommen als glaubwürdig geprüft ist, ergiebt sich eine
Schwierigkeit dadurch, dafs die meisten alten Gebäude sehr viele Veränderungen erlitten
haben, und aus Theilen von ganz verschiedenem Aller und Bauart bestehen, ja dafs
oft von dem ursprünglichen Gebäude gar nichts mehr vorhanden ist. Eine Urkunde
über die Erbauung eines Gebäudes kann daher vollkommen acht seyn, ohne dafs da-
durch die Ungewifsheit gehoben wird, ob das Werk auf welches die Nachricht sich be-
ziehen soll, wirklich dasselbe oder ein Anderes sey, und ob sich die Nachricht auf
das ganze Gebäude, oder nur auf einzelne Theile beziehe. Hier kann nur die sorg-
fältigste nicht blofs gelehrte sondern auf Kenntnifs der Baukunst gegründete artistische
Beurtheilung der innern Glaubwürdigkeit vor Irrthümern bewahren, und der Geschichts-
forscher wird Dank verdienen, wenn er, anstatt unverbürgte Angaben nachzuschreiben,
auf die Ungewifsheit, welche der Gegenstand hat, aufmerksam macht.

Um diese innere Glaubwürdigkeit der die Geschichte der Kunst betreffenden Angaben
richtig zu beurtheilen, ist es nöthig die Erscheinungen nicht einzeln, sondern im Zusam-
menhang mit frühern gleichzeitigen und spätem Werken zu betrachten. Vor allem aber
mufs man die Geschichte der Kunst nicht von der Geschichte der Nation trennen, deren

(*) Siehe die Farallelle d' Architecture par Durand.

(**) SUbe Fiorillo Geschichte der zeichnenden Künste in Deutschland. I. Theil. pag. i3j.
 
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