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Moller, Georg; Gladbach, Ernst
Denkmähler der deutschen Baukunst (Band 1): Beiträge zur Kenntniss der deutschen Baukunst des Mittelalters: enthaltend eine chronologisch geordnete Reihe von Werken, aus dem Zeitraume vom achten bis zum sechszehnten Jahrhundert von Georg Moller — Darmstadt, 1821

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https://doi.org/10.11588/diglit.8366#0021
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zu können, oder man hielt anfangs dieselben noch durch den Dienst der Götter ent-
weiht. An ihre Stelle trat die Basilika, theils mit flacher Holzdecke, wie die meisten
hatten, theils gewölbt. Seltener wurden runde oder eckigte Kirchen gebaut, nachdem
Muster des Pantheon oder der Minerva Medika. Das Bedürfnifs eines Chores, der Ab-
seite und einer Vorhalle an diesen runden Kirchen veranlasste oft, dafs an die Mitte
des Gebäudes vier gleiche Arme in Form eines gleichseitigen Kreuzes gebaut wurden,
welche Bauart vorzüglich im griechischen Kaiserthum beliebt gewesen zu seyn scheint.
Die Sophienkirche zu Constandinopel, die Kirche St. Vitale zu Ravenna , St. Constanza
und St. Agnese zu Rom, so wie die zwar später , aber doch ganz nach griechischer
Art erbaute Domkirche des heiligen Markus zu Venedig und die zu Pisa zeigen diese Ver-
bindung von Kuppeln und Rotunden mit Säulengängen und mit der Basilikaform.

Ganz besonders karakteristisch und für die Bauart der folgenden Jahrhunderte wich-
tig scheint der von den Byzantinern eingeführte Gebrauch, wovon wir jedoch auch
schon im Pantheon zu Piom das erste Beispiel sehen , die leeren Räume grofser und
kleiner Bogenöffnungen mit Säulenstellungen auszufüllen , welche ohne zur Festigkeit
des Gebäudes nöthig zu seyn, doch als wesentliche Unterstützungen erscheinen und
demselben oft ein leichtes und dabei reiches Ansehen geben.

Alle Gebäude, welche seit Constantins Zeiten bis zum neunten Jahrhundert in
dem Umfange des ehemaligen römischen Reiches aufgeführt wurden, zeigen die ver-
dorbene römische Bauart, wie sie bereits zu Diokletians Zeiten war, mit den Verän-
derungen, welche der Gebrauch der Kirchen, die Sitte *nit alten Materialien zu bauen,
und ein immer sinkender Zustand des Boichs und der Nation herbeiführen mufsten. Der
Einfall der Gothen und anderer barbarischer Völkerschaften , welche die Provinzen des
römischen Reichs überschwemmten, änderte höchst wahrscheinlich in dem Zustand der
Kunst nichts wesentliches ab, als insofern er ihren Verfall beschleunigte. Ich kann
durchaus nicht der Meinung derjenigen Kunstkenner beitreten, welche den Gothen und
Longobardeju in Italien und Spanien, den Franken in Gallien und den Sachsen in Eng-
land eine eigentümliche Kunst beilegen wollen. Betrachten wir ihre Werke , so fin-
den wir, dafs mit wenigen Modificationen die römische Bauart des 5ten und 6ten Jahr-
hunderts herrschend blieb, und dieses ist sehr erklärbar, wenn wir bedenken, dafs
diese Eroberer die alten Einwohner nicht vertilgten, sondern ihnen die Ausübung der
friedlichen, dem rohen Krieger verächtlichen Künste, wenigstens in der ersten Zeit der
Einwanderung auschliefslich überliefsen. Auch später veranlafste die innige Verbin-
dung, welche die Geistlichkeit, damals der einzige gebildete Theil der Nationen, mit
Piom unterhielt, und der ohne Ausnahme fortdauernde Gebrauch der lateinischen
Sprache beym Gottesdienst, dafs römische Kunst und Wissenschaft immer grofsen Ein-
 
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