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Moller, Georg; Gladbach, Ernst
Denkmähler der deutschen Baukunst (Band 1): Beiträge zur Kenntniss der deutschen Baukunst des Mittelalters: enthaltend eine chronologisch geordnete Reihe von Werken, aus dem Zeitraume vom achten bis zum sechszehnten Jahrhundert von Georg Moller — Darmstadt, 1821

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https://doi.org/10.11588/diglit.8366#0026
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wenigen Ausnahmen (*) vom südlichen und westlichen Deutschland aus. Dafs die
Geistlichen damals selbst die Leitung des Baues von Kirchen und Klöstern führten, ist
durch die Geschichte ebenfalls erwiesen. Unter diesen Vorausfetzungen scheint mir ein
Einflufs der alten heidnischen Landesreligion auf die Bauart der deutschen Kirchen, wie
dieses d'Agiiicourt und mehrere andere Geschichtsforscher zu glauben scheinen, we-
der historisch erweisbar, noch wahrscheinlich, und wir müssen annehmen, dafs Beli-
gionsgebräuche und Khchenbauart damals als etwas Fremdes eingeführt, nicht aber von
innen aus der Nation selbst, welche in viele Völkerschaften getheilt, ohnehin keine
Einheit hatte, ausgebildet wurden. Für die älteste Geschichte der Baukunst in Deutsch-
land sind demnach die Bauwerke in diesen am frühesten gebildeten Gegenden, von
welchen aus die Künste in die andern übergiengen, höchst wichtig, und die weitere
Entwicklung der Kunst wird hier um so mehr gesucht werden müssen, als alle äufsere
Umstände dem Gedeihen derselben im westlichen und südlichen Deutschland günstiger
waren.

Von Werken des neunten Jahrhunderls ist mir nichts bekannt geworden. Im
zehnten und eilften Jahrhundert wurden viele bedeutende Kirchen, die Dome: zu Speier,
Worms, Mainz und viele andere erbaut, welche noch fest und herrlich dastehen. Die
Grundform dieser Kirchen ist, wie bei den in derselben Zeit erbauten Kirchen in En"-
land, Frankreich und Italien, eine Nachahmung der Basilika, ein länglichtes Viereck
mit Nebengängen, ein stark angedeutetes Querschiff, die Arme des Kreuzes vorstellend,
auf dessen Mitte sich häufig eine Kuppel erhebt und ein im Halbkreis geformtes Chor;
das Ganze mit dicken Mauern, mit verhältnifsmäfsig kleinen Oeffnungen und ohne Stre-
bepfeiler. Im Aufrifs finden wir in allen Fenstern, Thüreil und Bogengängen den rei-
nen Halbkreis. Das Schiff ist hoch, die Decke besteht häufig aus Kreuzgewölben, aber
kuppelartig gehoben, oft finden sich auch flache Holzdecken. Im Aeufseren zeigt sich
der Giebel meistens ziemlich flach, und in dem oberen Theil des Gebäudes sind kleine
in der Mauerdicke angebrachte Säulengänge. Im Allgemeinen herrscht am ganzen Aeu-
fsern noch die Horizontallinie vor, im Gegensatz der Bauart des l3ten Jahrhunderts,
wo alle Theile des Gebäudes in die Höhe strebende Verhältnisse erhallen. Die Profile
der Glieder und die Verzierungen sind fast ohne Ausnahme antiken Ursprungs, und
manche, wie z. B. der immer wieder vorkommende attische Säulenfufs, sind vollkom-
men richtig gebildet. Die Erfindung dieser Kirchenbauart kann, wie das Gesagte er-
gibt, auf keine Weise von den Deutschen in Anspruch genommen werden, ungeachtet

(*) Von Byaanz soll durch Missionarien das Chi isteiillium Iiis in das nordöstliche Deutschland gekommen seyii. Ks wür-
de sehr interessaut sejn, wenn sich noch Gebäude finden sollten, welche diesen Einflufs merklich zeigen würden, wie dieses
i. B. bei vieleu russischen Kirchen der Fall ist.
 
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