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Moller, Georg; Gladbach, Ernst
Denkmähler der deutschen Baukunst (Band 1): Beiträge zur Kenntniss der deutschen Baukunst des Mittelalters: enthaltend eine chronologisch geordnete Reihe von Werken, aus dem Zeitraume vom achten bis zum sechszehnten Jahrhundert von Georg Moller — Darmstadt, 1821

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https://doi.org/10.11588/diglit.8366#0037
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Mittelschiffs der Kirche in Disharmonie und zeigen deutlich, dafs hei dieser Bauart
der hohe Dachgiebel wesentlich ist, und dafs daher ihre Entstehung nur unter einem
nördlichen Himmelsstriche gesucht werden kann. (*)

Im vorhergehenden Kapitel ist gezeigt worden , wie der Spitzbogenstyl des drei-
zehnten Jahrhunderts aus der altern christlich römischen Bauart entstanden ist; nimmt
man dieses und das so ehen Gesagte als richtig an , so werden wir seine Erfindung in
einem Lande suchen müssen welches: ein nördliches Klima hat und in dem jene alters
Bauart herrschte: also im nördlichen Frankreich, in England oder Deutschland.

Die französischen zum Theil sehr hedeutenden Kirchen des Mittelalters sind his
jetzt wenig durch Abbildungen bekannt geworden, der Herausgeber kann sich daher
hier nur auf die Domkirche zu Paris beziehen. (**) Die Hauptform des hier abgebildeten und
angeblich unter dem König Philipp August erbaueteii Portals hat im Ganzen keine in
die Höhe strebende Verhältnisse, sondern die in der Composition herrschende Hori-
zontallinie und die Hachen Dächer der Thürme, sind der altern christlich römischen
Bauart weit mehr angemessen als der Bauart des dreizehnten Jahrhunderts, von welcher
nur das Detail der Verzierung entlehnt zu seyn scheint.

Unter den altern en"iisclien Kirchen ist keine berühmter, als die zu Ende des
dreizehnten und im Anfang des vierzehnten lahrhuuderts erbaute Domkirche zu York. (***)
Da die Engländer das Verdienst der Erfindung und Ausbildung des Spitzbogenstyls des
dreizehnten Jahrhunderts sehr bestimmt ansprechen, so wird eine nähere Betrachtung
dieser Kirche nicht überflüssig seyn. — Die Hauptformen derselben, der niedrige
Dachgiebel und die flachen Thürme gehören offenbar ihn r ursprünglich südlichen Bau-
art an. Das ganze System der Verzierung ist dagegen nördlichen Ursprungs und steht
mit jenen Hauptformen in offenbarem Widerspruch. Der spitze Giebel, weicher das
Mittelfenster krönt und welcher in allen Verzierungen des ganzen Aufrisses sich wieder-
holt , harmonirt auf keine Weise mit dem flachen Giehel des Daches. Eben so wenig
Uebereinstimmung mit den übrigen Theilen des Gebäudes haben die Platefonuen der
Thürme; welche sich mit Pyramiden endigen mufsten, da alle kleinere Thürmchen der
Strebepfeiler diese pyramidalische Form haben. Alles dieses zeigt die nicht sehr ver-
sündige Vermischung zweier gänzlich heterogenen Baustyle und gibt für die Originalität
der englischen Kirchenbauart um so weniger ein günstiges Vorurtheil, da zur Zeit der

(*) Sehnliches Mifsverhältnifs der als Vftzicrung angebrachten Giehel za den wirklichen Dächern findet siel] fast bei »J]
in südlichen Ländern im Spilzbogenstyl aufgeführten Gebäuden, namentlich in der Domkirche zu Siena und zu Liou, n
eben su bei den meisten Gebäuden, wele.be in den nördlichen Landern »ach sogenannt italienischer Bauart aufgci'uhit sind.

(**) Von dieser Kirche bat d'Agincourt in seinem Welke eine vollständige Abbildung gegeben.
Siebe Button Cathedral Aulbjuilie».
 
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