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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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18

Monatshefte für Kunstwissenschaft


Abb. 8. TILMANN RIEMENSCHNEIDER
Madonna von Creglinger Marienaltar
□ Phot. DR. STOEDTNER

steht, möchte man annehmen, daß der Hochaltar erst um diese Zeit oder etwas später
aufgerichtet sei
Immerhin, für die Schnitzereien gibt jenes Signum von 1493 einen festen An-
halt. Auch arbeitet am Portal der Blaubeurer Klosterkirche von 1499 bereits ein
geringerer Nachahmer unseres Meisters, dessen Scholastika für seine mater dolorosa
zum Vorbild nehmend!
Also die Skulpturen des Hochaltars sind nicht „um 1500", sondern gleichzeitig
mit J. Sürlins d. J. Blaubeurer Gestühl, das, laut der Inschrift, 1493 gearbeitet wurde
(ganz oder zu einem Teil). „In den Krö-
nungen mit ihren gewundenen Fialen, ihren
Ästen und Zweigen, in den Blattformen
der Baldachine und des Maßwerks" fand
Weizsäcker „unverkennbar verwandteZüge"
am Gestühl und Altar.1) Er und M. Schuette2)
schlossen, daß auch der Schrein, mit der
flimmernden Zone seiner Baldachine, aus
Sürlins d. J. Werkstatt sei. Ja, er ver-
mutet es auch für die Statuen, des alten
Ergezingers These aufnehmend. Doch be-
tont er, wie unsicher hier das Gelände ist.
Denn das CEuvre des jüngeren Sürlin ist
ununtersucht; was seine fast zerstörten
Büsten") am Blaubeurer Gestühl an An-
klängen bieten, ist nicht schlagend; un-
berührt geblieben ist anscheinend die Sta-
tuette eines Propheten, die oben an seinem
Blaubeurer Levitenstuhl von 1496 steht.
Der Kopf zeigt Ähnlichkeiten mit denen des
Hochaltars, im Munde besonders, und über-
zeugt doch nicht. Von den Holzfiguren,
die jetzt an der Ulmer Münsterkanzel
stehen und angeblich von Sürlins d. J.
im Arrangement des Mantels an die Augs-

Vespertolium stammen, erinnert die eine
burger Madonna.4)

Im ganzen hat gerade durch den Nachweis der großen Madonnen in Augsburg
und Berlin die Sürlinhypothese an Wahrscheinlichkeit eingebüßt. Denn nach allem,
was wir sonst über ihn erfahren, sind Gestühle, Kanzeln und ähnliches seine Sphäre

9 Repertor. f. Kunstw. XVIII, S. 61.

2) A. a. 0. S. 120.

") Vgl. W. Bode, Gesch. d. deutschen Plastik S. 182; die Büsten sind vor der Erneuerung
im vorigen Jahrhundert abgegossen, einige waren wie abgeraspelt.

4) Rudolf Pfleiderer, Das Münster zu Ulm, und seine Kunstdenkmale, Stuttgart 1905,
Taf. 18, 7.
 
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