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Monatshefte für Kunstwissenschaft
an den Ecken, zwischen dem damals verkröpften Sockel und Gebälk; so daß das
Ganze ähnlich aussah wie der Hauptteil von Benedetto da Maianos Kanzel in S. Croce.
Gelegentlich anderer Aufstellung (1613 und 1620) wird er seine heutige, einfache Form
erhalten haben.
Von künstlerischem Wert sind heute nur die Reliefs, und unter ihnen steht das
mittelste, die Taufe Christi, unbedingt am höchsten. Schon Vasari erwähnt es,
und ihm folgend, weisen es die Ciceroni1) von Arezzo dem angeblichen Bruder
Donatellos, Simone, zu. Nur v. Fabriczy2) hat kürzlich auf das „entschieden Dona-
telleske", „den engen Anschluß an den Meister" hingewiesen. Man darf n. m. D.
noch weitergehen und in dem Relief eine zum größten Teil eigenhändige Arbeit des
Florentiners sehen. Schon v. Fabriczy betont ja die „einfach würdige Komposition"
und das charakteristische Stacciato. Die Qualität entspricht der Madonna in Wolken
bei Quincy-Shaw in Boston und der Grablegung Christi am kleinen Tabernakel in
S. Peter. Das Aretiner Relief ist aber wahrscheinlich etwas früher entstanden — schon
in dem Ausgang der zwanziger Jahre. Es steht in der Mitte zwischen dem Georgs-
relief von Or San Michele und der Schlüsselweihe im South Kensington Museum, in
Landschaftsdarstellung, wie im Figürlichen. Und da die dunkle, kleine Kapelle eine
gute Aufnahme unmöglich macht, muß hier auf die charakteristischen Einzelheiten noch
im Besonderen hingewiesen werden: Die Verästelung der großen Stämme im Vorder-
grund, wie die zarte Angabe der baumbewachsenen Hügel weiter hinten, erinnern
sehr an das Londoner Relief. Auch die Wolkenzeichnung, die phantastische Löwen-
kopf-Sonne, der naturalistische Schilfkolben am hinteren Ufer (zwischen Johannes und
Christus), die z. T. nur eingeritzten, so charakteristischen Profile der assistierenden
Engel und die feine Andeutung der Füße Christi, die doch vom Wasser überspült
sind, das alles spricht für Donatello selbst. Donatellesk im engsten Sinne ist auch die
Illusion des Räumlichen und die Auffassung der Szene; sie ist polar verschieden von der
nur wenig älteren Ghibertis. Sehr viel menschlicher, sehr viel intimer hat Donatello
hier erzählt. Statt der gleichsam offiziellen Engel, die sich in Siena und an der Tür
des Baptisteriums zum schwingenden Kranz wie zu einem großen Nimbus zusammen-
schmiegen, lugen in Arezzo kräftige, geflügelte Knaben gespannt zwischen den Bäumen
hervor; und nicht der mittelalterliche Gottessohn wird vom Propheten hier getauft, hier
steht der Mensch dem Menschen gegenüber, doch beide unter dem Eindruck eines
heiligen Vorganges. In den derben Proportionen, in der Zeichnung der Füße u. a.
erinnert das Relief an die wenig ältere Geißlung Christi, wo ja auch die Erzählungs-
9 Memorie istoriche per servire di guida al Forestiere in Arezzo Firenze 1819, p. 85: II
fonte battesimale ehe ha de Bassirilievi esprimenti alcuni fatti della vita di nostro Signore, e
pregiato lavoro di Simone, Fratello di Donatello die lo esegui nel 1339.
Nuova Guida per la Citta di Arezzo .... v. Oreste Brizi. Arezzo 1838, p. 53; I Bassiri-
lievi del Fonte Battesimale ehe rappresentano in parte la vita di Jesu scolpiti nel 1339 da Simone,
fratello di Donatello.
Ubaldo Pasqui: La Cattedrale Aretina e suoi monumenti. Arezzo 1880, p. 81: Längerer
Bericht, dessen Inhalt im Text angegeben; bei ihm fehlt die Datierung 1339. — Das Buch soll alle
in Frage kommenden Urkunden berücksichtigt haben.
2) Jahrbuch der pr. Ksts. 1908, Beiheft p. 2 und Cicerone 9. Aufl., p. 190.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
an den Ecken, zwischen dem damals verkröpften Sockel und Gebälk; so daß das
Ganze ähnlich aussah wie der Hauptteil von Benedetto da Maianos Kanzel in S. Croce.
Gelegentlich anderer Aufstellung (1613 und 1620) wird er seine heutige, einfache Form
erhalten haben.
Von künstlerischem Wert sind heute nur die Reliefs, und unter ihnen steht das
mittelste, die Taufe Christi, unbedingt am höchsten. Schon Vasari erwähnt es,
und ihm folgend, weisen es die Ciceroni1) von Arezzo dem angeblichen Bruder
Donatellos, Simone, zu. Nur v. Fabriczy2) hat kürzlich auf das „entschieden Dona-
telleske", „den engen Anschluß an den Meister" hingewiesen. Man darf n. m. D.
noch weitergehen und in dem Relief eine zum größten Teil eigenhändige Arbeit des
Florentiners sehen. Schon v. Fabriczy betont ja die „einfach würdige Komposition"
und das charakteristische Stacciato. Die Qualität entspricht der Madonna in Wolken
bei Quincy-Shaw in Boston und der Grablegung Christi am kleinen Tabernakel in
S. Peter. Das Aretiner Relief ist aber wahrscheinlich etwas früher entstanden — schon
in dem Ausgang der zwanziger Jahre. Es steht in der Mitte zwischen dem Georgs-
relief von Or San Michele und der Schlüsselweihe im South Kensington Museum, in
Landschaftsdarstellung, wie im Figürlichen. Und da die dunkle, kleine Kapelle eine
gute Aufnahme unmöglich macht, muß hier auf die charakteristischen Einzelheiten noch
im Besonderen hingewiesen werden: Die Verästelung der großen Stämme im Vorder-
grund, wie die zarte Angabe der baumbewachsenen Hügel weiter hinten, erinnern
sehr an das Londoner Relief. Auch die Wolkenzeichnung, die phantastische Löwen-
kopf-Sonne, der naturalistische Schilfkolben am hinteren Ufer (zwischen Johannes und
Christus), die z. T. nur eingeritzten, so charakteristischen Profile der assistierenden
Engel und die feine Andeutung der Füße Christi, die doch vom Wasser überspült
sind, das alles spricht für Donatello selbst. Donatellesk im engsten Sinne ist auch die
Illusion des Räumlichen und die Auffassung der Szene; sie ist polar verschieden von der
nur wenig älteren Ghibertis. Sehr viel menschlicher, sehr viel intimer hat Donatello
hier erzählt. Statt der gleichsam offiziellen Engel, die sich in Siena und an der Tür
des Baptisteriums zum schwingenden Kranz wie zu einem großen Nimbus zusammen-
schmiegen, lugen in Arezzo kräftige, geflügelte Knaben gespannt zwischen den Bäumen
hervor; und nicht der mittelalterliche Gottessohn wird vom Propheten hier getauft, hier
steht der Mensch dem Menschen gegenüber, doch beide unter dem Eindruck eines
heiligen Vorganges. In den derben Proportionen, in der Zeichnung der Füße u. a.
erinnert das Relief an die wenig ältere Geißlung Christi, wo ja auch die Erzählungs-
9 Memorie istoriche per servire di guida al Forestiere in Arezzo Firenze 1819, p. 85: II
fonte battesimale ehe ha de Bassirilievi esprimenti alcuni fatti della vita di nostro Signore, e
pregiato lavoro di Simone, Fratello di Donatello die lo esegui nel 1339.
Nuova Guida per la Citta di Arezzo .... v. Oreste Brizi. Arezzo 1838, p. 53; I Bassiri-
lievi del Fonte Battesimale ehe rappresentano in parte la vita di Jesu scolpiti nel 1339 da Simone,
fratello di Donatello.
Ubaldo Pasqui: La Cattedrale Aretina e suoi monumenti. Arezzo 1880, p. 81: Längerer
Bericht, dessen Inhalt im Text angegeben; bei ihm fehlt die Datierung 1339. — Das Buch soll alle
in Frage kommenden Urkunden berücksichtigt haben.
2) Jahrbuch der pr. Ksts. 1908, Beiheft p. 2 und Cicerone 9. Aufl., p. 190.