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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 4. MITSUNAGA. Aus dem „Jigoku-zoshi": Marterort für Fleischesser
Selected Relics. Band 10 □
speziellen Entdeckungen in einem Stile das Wesentliche ausmachen. Um hier schon
vorzugreifen: jene weltfreudige und frische Erzählungsweise, jene reiche Beweglichkeit,
jene besondere Raumanschauung, jene schillernde und frohe Farbigkeit des Yamatoye
dürften ein neues und originales Geschenk der japanischen Künstlerseele sein.
So viel von den nationalen Geistesströmungen, die erst die Möglichkeit zu dem
Aufkommen der Yamatomalerei gaben. Nun zu dem engeren Milieu unseres Yamato-
meisters. Fujiwara no Mitsunaga dürfte während der Kämpfe der damals einfluß-
reichsten Familien Japans, der Fujiwara, der Taira und Minamoto aufgewachsen sein.
Als Knabe sieht er die seit Menschengedenken die Geschicke des Landes leitenden
Fujiwara in den Staub sinken (1158). Der Jüngling mag den kurzen Traum der Herr-
schaft der Taira, die die üppigen Feste der Fujiwara wiedererstehen lassen, mit auf-
horchenden Sinnen durchkostet haben. Der Mann sieht die Taira fallen und erlebt den
Beginn der ernsten Tage von Kamakura. So wechseln Krieg und Frieden — Zeiten
rauschender Freuden und rauhen Kriegsgetümmels. In Mitsunaga scheinen die Schat-
tenseiten des ihn umgebenden Treibens am stärksten wiederzuklingen. So ist seine
Kunst von ernster und dramatischer Art. Niemals gibt er sich jener anderen Richtung
des Yamatostils hin, die sentimentale Liebesszenen, Hoffeste und Hofzeremonien deko-
rativ und in bewegungsloser Gemessenheit behandelt.
Über Mitsunagas persönliche Lebensschicksale ist nur wenig Authentisches be-
kannt. Wie ja die Daten fast aller Yamatomeister noch im Dunkeln liegen und die
meisten Zuschreibungen noch recht unsicher sind. Sein Name beweist, daß er aus der
vornehmsten Aristokratie seines Landes stammt. Ein einziger Bericht vermittelt einen
festeren Anhalt über den Wirkungskreis unseres Malers. Er soll im Jahre 1173 für
das Midoschloß ein Bild gemalt haben, daß den Kaiser Takakura darstellt, wie er den
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Abb. 4. MITSUNAGA. Aus dem „Jigoku-zoshi": Marterort für Fleischesser
Selected Relics. Band 10 □
speziellen Entdeckungen in einem Stile das Wesentliche ausmachen. Um hier schon
vorzugreifen: jene weltfreudige und frische Erzählungsweise, jene reiche Beweglichkeit,
jene besondere Raumanschauung, jene schillernde und frohe Farbigkeit des Yamatoye
dürften ein neues und originales Geschenk der japanischen Künstlerseele sein.
So viel von den nationalen Geistesströmungen, die erst die Möglichkeit zu dem
Aufkommen der Yamatomalerei gaben. Nun zu dem engeren Milieu unseres Yamato-
meisters. Fujiwara no Mitsunaga dürfte während der Kämpfe der damals einfluß-
reichsten Familien Japans, der Fujiwara, der Taira und Minamoto aufgewachsen sein.
Als Knabe sieht er die seit Menschengedenken die Geschicke des Landes leitenden
Fujiwara in den Staub sinken (1158). Der Jüngling mag den kurzen Traum der Herr-
schaft der Taira, die die üppigen Feste der Fujiwara wiedererstehen lassen, mit auf-
horchenden Sinnen durchkostet haben. Der Mann sieht die Taira fallen und erlebt den
Beginn der ernsten Tage von Kamakura. So wechseln Krieg und Frieden — Zeiten
rauschender Freuden und rauhen Kriegsgetümmels. In Mitsunaga scheinen die Schat-
tenseiten des ihn umgebenden Treibens am stärksten wiederzuklingen. So ist seine
Kunst von ernster und dramatischer Art. Niemals gibt er sich jener anderen Richtung
des Yamatostils hin, die sentimentale Liebesszenen, Hoffeste und Hofzeremonien deko-
rativ und in bewegungsloser Gemessenheit behandelt.
Über Mitsunagas persönliche Lebensschicksale ist nur wenig Authentisches be-
kannt. Wie ja die Daten fast aller Yamatomeister noch im Dunkeln liegen und die
meisten Zuschreibungen noch recht unsicher sind. Sein Name beweist, daß er aus der
vornehmsten Aristokratie seines Landes stammt. Ein einziger Bericht vermittelt einen
festeren Anhalt über den Wirkungskreis unseres Malers. Er soll im Jahre 1173 für
das Midoschloß ein Bild gemalt haben, daß den Kaiser Takakura darstellt, wie er den